EiÜ 11-19
EU-weiter Schutz für Whistleblower kommt – EP/Rat
Whistleblower sollen zukünftig einen EU-weiten einheitlichen Schutz vor Repressalien und Sanktionen genießen. Dabei können sie frei entscheiden, ob sie zunächst interne oder externe (behördliche) Meldekanäle nutzen. Diese vorläufige Einigung zum Richtlinienvorschlag zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden COM(2018) 106, erzielten das EU-Parlament und der Rat am 12. März 2019 (s. Pressemitteilung, Text noch nicht verfügbar). Strittig war bis zuletzt die Ausgestaltung des Meldeverfahrens. Der DAV hatte sich in seiner Stellungnahme Nr. 51/2018 für ein dreistufiges Verfahren (intern, extern, Öffentlichkeit) eingesetzt, ebenso wie der Rat. Letztendlich setzte sich aber der flexiblere Ansatz des EU-Parlaments durch. Diesem zufolge wird die vorrangige Nutzung interner Kanäle nun zwar ermutigt, wenn der Verstoß innerhalb der Organisation wirksam angegangen werden kann, ist aber nicht verpflichtend. Zu begrüßen ist, dass wie vom DAV gefordert, Informationen, die unter die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht fallen, explizit vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden sollen. Außerdem umfasst die Einigung die Ausdehnung des Schutzes auch auf Unterstützer der Whistleblower. Die vorläufige Einigung muss noch von EU-Parlament und Rat formell bestätigt werden.
E-evidence-Verordnung vs. US CLOUD Act – EP
Der E-evidence-Verordnungsvorschlag ist mit dem US CLOUD Act unvereinbar und könnte zu Konflikten der beiden Rechtsordnungen führen. Dies geht aus dem vierten Arbeitsdokument (s. EiÜ 8/19) vom 11. März 2019 zu dem Verordnungsvorschlag über Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen COM (2018) 225 der Berichterstatterin des EU-Parlaments, Birgit Sippel (S&D) gemeinsam mit der Schattenberichterstatterin Sophia in 't Veld (ALDE) hervor. Das Dokument (Teile A, B und C) befasst sich mit dem Verhältnis der vorgeschlagenen Verordnung zu dem Recht von Drittstaaten, insbesondere den USA. Mit Blick auf bestehende Rechtshilfemechanismen wird die Notwendigkeit neuer Instrumente bezweifelt, insbesondere vor dem Hintergrund des bestehenden EU-US-Abkommens über Rechtshilfe. Statt eines neuen Instruments sollte das bestehende Abkommen effizienter umgesetzt werden. Des Weiteren führe die Unvereinbarkeit des Verordnungsvorschlags mit dem US CLOUD Act zu Rechtsunsicherheit für Diensteanbieter, die ihren Sitz in den USA haben, aber auch in der EU tätig sind. Sie würde sowohl der CLOUD Act als auch die vorgeschlagene Verordnung betreffen. Unklar wäre dann, welches Recht bei widersprüchlichen Verpflichtungen gelten würde. Schließlich werfe auch das von der EU-Kommission vorgelegte Verhandlungsmandat für ein EU-US-Abkommen über den grenzüberschreitenden Zugang zu E-evidence (s. EiÜ 7/19) viele Fragen auf, die die EU-Kommission bislang nicht beantwortet habe.
Verlust der Unionsbürgerschaft ist möglich – EuGH
Der Verlust der Unionsbürgerschaft durch den Entzug der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats nach nationalem Recht ist möglich, sofern die betroffene Person eine weitere Staatsangehörigkeit eines Nicht-Mitgliedstaats besitzt und die Folgen des Verlusts im Einzelfall im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geprüft werden. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 12. März 2019 in der Rs. C-221/17. Im vorliegenden Fall hatte der niederländische Staatsrat den EuGH um Auslegung von Art. 20 und 21 AEUV (Unionsbürgerschaft) und Art. 7 der EU-Grundrechtecharta (Achtung des Privat- und Familienlebens) gebeten, in Hinblick auf eine nationale Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit und damit verbunden der Unionsbürgerschaft nach einem über zehnjährigen Aufenthalt im Ausland vorsieht. Der EuGH urteilte, dass eine solche Regelung grundsätzlich unionsrechtskonform sei, solange die Möglichkeit der Staatenlosigkeit ausgeschlossen sei. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit müsse aber im Einzelfall geprüft werden, welche Folgen dieser Verlust für die betroffene Person aus unionsrechtlicher Sicht habe. Dabei sei es Aufgabe der nationalen Behörden sicherzustellen, dass der Verlust der Staatsbürgerschaft mit der Charta der Grundrechte der EU vereinbar sei, besonders unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Achtung des Familienlebens und des Kindeswohls.
Einigung zu grenzüberschreitender Mobilität von Gesellschaften – Rat/EP
Die Umwandlung, Spaltung und Verschmelzung von Gesellschaften soll zukünftig EU-weit leichter möglich sein. Dazu konnten der Rat und das EU-Parlament zum Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften COM(2018) 241 (s. EiÜ 28/18, 6/19) am 13. März 2019 eine vorläufige Einigung erzielen (s. Pressemitteilung, Text noch nicht verfügbar). Konfliktpunkte bestanden zuletzt hinsichtlich der genauen Ausgestaltung von Schutzvorschriften für Gesellschafter, Gläubiger und Beschäftigte. Die Rechte der Letzteren wurden nun gestärkt; insbesondere sieht der Kompromiss bessere Informations- und Beteiligungsrechte für die Beschäftigten vor. Anders als vom DAV gefordert (s. Stellungnahme Nr. 31/2018) soll zudem an dem Konzept der „künstlichen Gestaltungen“ festgehalten werden. Über den zweiten zum Gesellschaftsrechtspaket gehörenden Richtlinienvorschlag zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht COM(2018) 239 einigten sich Rat und Parlament bereits am 4. Februar 2019 (s. EiÜ 6/19). Es ist zu erwarten, dass im April über beide Richtlinienvorschläge zusammen im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt wird. Danach muss auch der Rat die Einigung noch formell bestätigen.
Weiterhin Defizite bei Opferschutz in EU – KOM
Opfer von Straftaten stehen in der EU immer noch einer Reihe von Problemen in Hinblick auf den Zugang zum Recht und den Erhalt von Entschädigung gegenüber. Auch gewisse prozedurale Hürden bereiten in diesem Kontext Schwierigkeiten. Dies geht aus dem Bericht der EU-Sonderberaterin für die Entschädigung von Opfern von Straftaten hervor, der am 11. März 2019 veröffentlicht wurde (s. Pressemitteilung). Der Bericht enthält neben einer Problemanalyse insgesamt 41 Empfehlungen für eine neue EU-Opferschutzstrategie für den Zeitraum 2020-2025 und zur Verbesserung des Zugangs für Opfer von Straftaten zur Justiz und zu Entschädigungen. Aufbauend auf der Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU, die eine Reihe von Mindeststandards zum Opferschutz geschaffen hat (s. EiÜ 38/15), wird im Bericht u.a. vorgeschlagen, nationale Strategien und Koordinatoren im Bereich Opferrechte einzuführen. Zudem werden die Verbesserung der Systeme zur Entschädigung durch die Täter sowie die Schaffung multidisziplinärer Unterstützungssysteme für Opfer über die finanzielle Kompensation hinaus angeregt. Die EU-Kommission wird die Empfehlungen des Berichts nun prüfen, um möglichen Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes auf nationaler und europäischer Ebene zu identifizieren.
Erneute Zeugenvernehmung nach Richterwechsel zulässig – EuGH
Die wiederholte Vernehmung des Opfers als Zeuge in einem Strafprozess kann verhältnismäßig sein, wenn sich die Besetzung der Richterbank geändert hat. Zu diesem Ergebnis kommt Generalanwalt Yves Bot in seinen Schlussanträgen vom 14. März 2019 in der Rs. C-38/18. In dem Strafprozess vor dem Tribunale di Bari (Italien) sollte das Opfer ein zweites Mal vernommen werden, weil einer der drei Richter nach der ersten Vernehmung durch einen anderen Richter ersetzt worden war. Einer möglichen Protokollverlesung stand der Widerspruch der Verteidigung entgegen. Nach der italienischen Prozessordnung ist in einem solchen Fall zur Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes die erneute Zeugenvernehmung erforderlich. Gemäß Art. 16, 18 und 20 b) der Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU sind die Mitgliedsstaaten allerdings verpflichtet, Opfer von Straftaten vor einer wiederholten Viktimisierung sowie psychologischen Schädigungen, etwa durch gerichtliche Vernehmungen, zu schützen. Außerdem muss die Anzahl der Vernehmungen auf ein für die Zwecke der strafrechtlichen Ermittlungen erforderliches Mindestmaß beschränkt werden. Nach Ansicht des Generalanwalts erfordern diese Regelungen Einzelfallprüfungen. Da das Opfer im vorliegenden Fall volljährig sei und es keine Hinweise auf eine besondere Belastung gebe, hätten die Grundsätze der Unmittelbarkeit und des fairen Verfahrens Vorrang, sodass eine erneute Vernehmung zulässig sei.
Rolle der Dienstleister bei E-evidence: der Rat bezieht Position – Rat
Der Rat hat am 8. März 2019 seinen Standpunkt zum Richtlinienvorschlag über die Bestellung von Vertretern für die Beweiserhebung in Strafverfahren COM(2018) 226 festgelegt (s. Pressemitteilung). Diese Richtlinie soll die vorgeschlagene Verordnung über Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel COM (2018) 225 ergänzen, indem sie die Bestellung von Vertretern für Diensteanbieter regelt, die für solche Anordnungen zuständig sein sollen. Der Rat vertritt die Position, dass die Vertreter über ausreichende Ressourcen und Befugnisse zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügen müssen, wobei kleine Unternehmen die Möglichkeiten haben sollen, sich einen Vertreter zu teilen. Der DAV hat es in seiner Stellungnahme Nr. 42/2018 grundsätzlich begrüßt, den Institutionen der Strafverfolgung einheitliche Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen. Aus DAV-Sicht wäre jedoch eine klare Regelung zur Zuständigkeit der überwachenden Organe in den Mitgliedsstaaten sinnvoll. Auch der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) hat am 28. Februar 2019 Empfehlungen (auf Englisch/Französisch verfügbar) zu den aktuellen Entwicklungen beim E-evidence-Paket ausgesprochen und betont, dass alle Initiativen ausreichenden Schutz für Personen bieten müssen, auf deren Daten zugegriffen wird. Sobald das EU-Parlament voraussichtlich erst in der nächsten Legislaturperiode seinen Standpunkt annimmt, können die Trilogverhandlungen über das E-evidence-Paket beginnen.