DEUTSCHES ERBRECHT SCHRÄNKT KAPITALVERKEHRSFREIHEIT EIN – KOM
Deutschland muss seine Erbschaftsteuervorschriften über besondere Versorgungsfreibeträge mit dem EU-Recht in Einklang bringen. Dazu hat die Kommission Deutschland am 19. November 2015 im Rahmen einer mit Gründen versehenen Stellungnahme, die Teil der monatlichen Beschlüsse zu Vertragsverletzungsverfahren ist, aufgefordert. Die deutschen Steuerbehörden können überlebenden Ehepartnern oder Lebenspartnern eines Verstorbenen nur dann einen besonderen Versorgungsfreibetrag gewähren, wenn entweder der Erbe oder der Erblasser oder beide in Deutschland steuerpflichtig waren. Überlebenden Ehepartnern oder Lebenspartnern steht dieser Versorgungsbeitrag nicht zu, wenn sie in Deutschland befindliche Vermögenswerte oder Investitionen erben, der Erblasser und der Erbe jedoch in einem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind. Nach Auffassung der Kommission handelt es sich dabei um eine ungerechtfertigte Einschränkung des freien Kapitalverkehrs i.S.d. Art. 63 Absatz 1 AEUV, da der Wert des Nachlasses gemindert werde, wenn die Kriterien bezüglich der Steuerpflicht nicht erfüllt sind. Zudem könnte dies Staatsangehörige anderer EU-Staaten davon abhalten, ihr Kapital in Vermögenswerte in Deutschland zu investieren. Falls die Kommission binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort erhält, kann sie Deutschland vor dem EuGH verklagen.
RICHTLINIE ZU OPFERRECHTEN GILT AB SOFORT: UMSETZUNGSFRIST IST ABGELAUFEN – EU
Opfer von Straftaten haben seit dem 16. November in Europa verbindliche, harmonisierte Rechte – die Umsetzungsfrist für die Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU ist an diesem Tag abgelaufen. Die Opferrechte gelten unabhängig von der Staatsangehörigkeit für jeden, der in der EU Opfer einer Straftat geworden ist. Familienangehörige von Personen, die infolge einer Straftat zu Tode kamen, genießen nach der Richtlinie dieselben Rechte wie die Opfer selbst einschließlich des Rechts auf Information, Unterstützung und Entschädigung. Die nationalen Behörden müssen den Opfern Informationen über ihre Rechte, ihren Fall und die verfügbaren Dienste und Unterstützungsleistungen zur Verfügung stellen, sobald sich die Opfer das erste Mal an sie wenden. Im Strafverfahren haben Opfer das Recht, gehört und über die einzelnen Abschnitte des Verfahrens informiert zu werden. Sie können insbesondere die Überprüfung einer Entscheidung über den Verzicht auf Strafverfolgung verlangen, wenn sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Opfer haben des Weiteren Anspruch auf Entschädigung. Mit Ablauf der Umsetzungsfrist rief die Kommission alle Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie umzusetzen -bisher haben viele dies nicht oder nicht vollständig getan. Zu diesen Ländern gehört auch Deutschland, welches die Richtlinie unter anderem durch das 3. Opferrechtsreformgesetz umsetzen möchte (s. DAV-Stellungnahme 66/2014 zum Referentenentwurf) und bislang keine Umsetzungsmaßnahmen gemeldet hat.
WORK LIFE BALANCE: KOMMISSION KONSULTIERT ÖFFENTLICHKEIT – KOM
Frauen sollen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Das ist das erklärte Ziel der Kommission, die 2016 dazu eine Maßnahme zur Work-Life-Balance verabschieden möchte. Zur Vorbereitung dieser Maßnahme hat die Kommission am 18. November 2015 eine öffentliche Konsultation gestartet (Online-Fragebogen auf Deutsch ab 25. November verfügbar). In dieser will die Kommission die Meinung der Öffentlichkeit zu verschiedenen Modellvorschlägen einholen, wie berufstätige Eltern berufliche und private Verantwortung besser vereinen können, auch wenn Angehörige zu pflegen sind. In Betracht kommen Best Practices, Leitlinien, ein Monitoring im Rahmen des Europäischen Semesters und eine finanzielle Unterstützung durch EU-Finanzmittel. Die Konsultation läuft bis zum 17. Februar 2016. Sie knüpft an die Zurückziehung des Kommissionsvorschlags zur Mutterschutzrichtlinie im Rahmen des REFIT Programms an und dient auch zur Evaluierung bestehender Maßnahmen. Im August hatte die Kommission bereits eine Roadmap zur Work-Life-Balance veröffentlicht. Zeitgleich mit der öffentlichen Konsultation werden seit dem 11. November auch die Sozialpartner zum Thema Work-Life Balance konsultiert.
MAßNAHMEN ZUR UMSETZUNG DER EU-SICHERHEITSAGENDA – KOM
Nach den Anschlägen in Paris vom 13. November 2015 widmet sich am 20. November 2015 ein außerordentlicher Rat der Justiz- und Innenminister insbesondere dem derzeitigen Umsetzungsstand der Europäischen Sicherheitsagenda. Auf der Tagesordnung stehen die Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung, zu der die Trilogverhandlungen laufen, die stärkere Kontrolle an den EU-Außengrenzen, die Terrorismusfinanzierung und mögliche Antworten der Strafjustiz auf den Terrorismus. Auch der Austausch von Informationen über Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen in der EU über das Europäische Strafregisterinformationssystem ECRIS soll zügig verbessert werden. Bereits am 18. November 2015 hat die Kommission ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das u.a. einen Vorschlag zur Änderung der Feuerwaffen-Richtlinie 2008/51/EG und einen Verordnungsvorschlag über gemeinsame Mindeststandards für die Deaktivierung von Feuerwaffen umfasst. Außerdem wird ein Aktionsplan zur Bekämpfung des illegalen Waffen- und Sprengstoffhandels angekündigt.
EUROPÄISCHER ABEND IM ZEICHEN AKTUELLER HERAUSFORDERUNGEN – dav
Die Anschläge in Paris und die derzeitigen Herausforderungen für die Europäische Union waren auch Thema beim Europäischen Abend des DAV in Brüssel am 18. November 2015. DAV-Präsident Schellenberg betonte, dass es – jetzt erst recht – den Rechtsstaat zu schützen gelte, insbesondere in Bezug auf einen entsprechenden Umgang mit Flüchtlingen. Die neuernannte stellvertretende Generalsekretärin der EU-Kommission, Paraskevi Michou, betonte ebenfalls, dass es in der aktuellen Situation eines gegenseitiges Vertrauens in Europa und seiner Werte bedürfe. Schellenberg und Michou gingen zudem auf die laufenden und künftigen Gesetzgebungsverfahren ein, von der Europäischen Staatsanwaltschaft und der Datenschutz-Grundverordnung bis hin zu den für den 9. Dezember erwartenden Reformvorschlägen zum Onlinekaufrecht und zum Urheberrecht. Die Veranstaltung gab zahlreichen Entscheidungsträgern aus der Europäischen Kommission, dem Europäischem Parlament, den Landesvertretungen der Bundesländer sowie DAV-Vertretern aus DAV-Präsidium, -Vorstand und -Geschäftsführung die Möglichkeit zu anregenden Gesprächen über aktuelle Themen der europäischen Rechtssetzung und Rechtsprechung.
ÖFFENTLICHE AUFTRAGSVERGABE: MINDESTLOHN ALS BEDINGUNG– EUGH
Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann durch Gesetz davon abhängig gemacht werden, dass der Bieter einen Mindestlohn an seine Beschäftigten zahlt. Dies entschied der EuGH in seinem Urteil vom 17. November 2015 in der Rechtssache „RegioPost“ (C-115/14). Der Entscheidung lag ein Fall aus dem Jahr 2013 zugrunde, wonach die Stadt Landau in Rheinland-Pfalz das Unternehmen RegioPost aus einem Verfahren zur Vergabe eines öffentliches Auftrags über Postdienstleistungen ausgeschlossen hatte, nachdem sich RegioPost entgegen den auf einem Landesgesetz beruhenden Bestimmungen einer Vergabebekanntmachung geweigert hatte, im Falle des Zuschlags den zur Ausführung der Postdienstleistungen eingesetzten Beschäftigten einen Mindestlohn von 8,70 Euro zu zahlen. Der EuGH urteilte nunmehr, dass die durch den öffentlichen Auftraggeber gestellte Bedingung einer Mindestlohnzahlung und das Erfordernis der Abgabe einer entsprechenden schriftlichen Erklärung durch den Bieter mit der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vereinbar sei, da sich die Bedingung auf die Auftragsausführung beziehe, transparent und nichtdiskriminierend sei sowie soziale Aspekte betreffe. Auch der anschließende Ausschluss aus dem Vergabeverfahren sei durch die Richtlinie 2004/18/EG gedeckt. Zudem gewähre die „Entsende-Richtlinie“ 96/71/EG ein Schutzniveau für einen Mindestlohnsatz.
DAV FORUM CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY – DAV
Am 3. Dezember 2015 findet das „DAV-Forum Corporate Social Responsibility“ im Maritim proArte Hotel Berlin, Friedrichstraße 151, 10117 Berlin statt. In Deutschland wird unter der Überschrift Corporate Social Responsibility (CSR) eine Vielfalt von Themen behandelt. Bislang (zu) wenig im Blickpunkt dabei ist aus Sicht des DAV die juristische Dimension, insbesondere die zunehmende Entwicklung von Compliance zu CSR. Auf internationaler und europäischer Ebene wird das Thema CSR seit einiger Zeit auch im Hinblick auf die Anwaltschaft kontrovers diskutiert. Neben Fragen nach Haftung und Versicherung stellt sich auch die Frage, inwiefern Anwaltsorganisationen und Kanzleien selbst CSR-Anforderungen erfüllen sollen. Auf der ganztägigen Vortrags- und Diskussionsveranstaltung (s. Programm) besteht die Möglichkeit zum Austausch mit Anwälten, Unternehmensjuristen, Entscheidern aus Politik und der Zivilgesellschaft über die rechtlichen Aspekte der CSR im Zusammenspiel mit Compliance und anwaltsspezifischen Fragestellungen. Zur Online-Anmeldung klicken Sie bitte hier.