Stärkung der Rolle des Notars bei Online-Gründungen – EP
Der Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments hat sich am 20. November 2018 in seiner Abstimmung über den Berichtsentwurf (s. EiÜ 29/18; 17/18) von Berichterstatter Tadeusz Zwiefka (EVP) für eine grundsätzliche Beibehaltung der Regelungen des Richtlinienvorschlages über den Einsatz digitaler Mittel im Gesellschaftsrecht ausgesprochen. Wie aus den angenommenen Kompromissänderungsanträgen hervorgeht (finaler Berichtstext liegt noch nicht vor), soll die Definition von „Registrierung“ in Art. 13a Abs. 3 erweitert werden, sodass nun der gesamte Prozess der Gründung umfasst ist. Von der Identifizierung der Antragsteller bis zum Eintrag ins Handelsregister kann nun auch der Notar beteiligt werden. Dies soll auch bei der Online-Eintragung bei Zweigniederlassungen gelten. Eine physische Präsenz der Antragsteller kann im Einzelfall nur bei Verdacht auf Identitätsbetrug oder bei überwiegendem öffentlichen Interesse zur Prüfung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit verlangt werden. Auch wenn der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 30/2018 unter anderem vor der Einführung von Mustersatzungen wegen der individuellen Komplexität von Gesellschaftsgründungen gewarnt hat, hält der Bericht hieran fest. Erst am 6. Dezember 2018 soll zusammen mit der Abstimmung über den Berichtsentwurf (s. EiÜ 29/18) des Richtlinienvorschlags zur grenzüberschreitenden Mobilität über das Verhandlungsmandat für den Trilog mit dem Rat und der EU-Kommission abgestimmt werden. Der Rat ist in diesem Dossier in seinen inhaltlich gleich gelagerten Verhandlungen ebenfalls schon weit fortgeschritten.
Auf dem Weg zu einem Europäischen Wirtschaftsgesetzbuch? – DAV
Wie kann das Wirtschaftsrecht in der EU einheitlicher und transparenter werden? Eine Antwort auf diese Frage liefert das Projekt eines Europäischen Wirtschaftsgesetzbuchs, welches Gegenstand eines gemeinsamen Kolloquiums des DAV, des Nationalen Rats der Anwaltskammern Frankreichs (CNB) und der Anwaltskammer Paris am 21. November 2018 war. Das Wirtschaftsgesetzbuch soll in kurzen, leicht verständlichen Regeln die Grundsätze des EU-Wirtschaftsrechts kodifizieren. Die hierzu für zwölf verschiedene Rechtsgebiete eingesetzten Arbeitsgruppen stellten nun erste Ergebnisse vor. Etwa im Insolvenzrecht, wo der Richtlinienvorschlag zu präventiven Restrukturierungsmaßnahmen (s. EiÜ 35/18) eine gute Grundlage zur Vereinheitlichung bieten kann. Oder im Bereich des elektronisches Rechtsverkehrs, wo sich z.B. die Herausforderung stellt, wie rasch fortschreitende technologische Innovationen adäquat erfasst werden können. Es gibt noch einige Hürden: So scheint eine Fokussierung nur auf den acquis communautaire nicht auszureichen – z.T. sind zusätzliche Projekte wie die europäische Privatgesellschaft nötig. Auch ist die Herausforderung der Kodifizierung angesichts der komplexen nationalen Rechtslagen hoch. Und schließlich ist ein starker politischer Wille notwendig, um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. MEP Andreas Schwab (EVP) sah hier Grund zum Optimismus – denn ein wahrlich einheitlicher Binnenmarkt sei ein großer Bonus für die europäische Integration.
Mehr Flexibilität für Whistleblower – EP
Whistleblower sollen frei wählen können, ob sie einen internen oder externen (d.h. behördlichen) Meldekanal nutzen. So sieht es der Bericht des Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments zum Vorschlag COM(2018) 218 für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vor, der am 20. November 2018 mit 21 zu 0 Stimmen (eine Enthaltung) angenommen wurde (s. Kompromissänderungsanträge, finaler Text liegt noch nicht vor). Damit weicht der Bericht von dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen dreistufigen Meldeverfahren ab, welches auf die Rechtsprechung des EGMR zurückgeht und vom DAV in seiner Stellungnahme Nr. 51/2018 ausdrücklich unterstützt wurde (s. EiÜ 39/18). Gibt ein Hinweisgeber Informationen an die Öffentlichkeit, muss aber weiterhin in der Regel zuvor eine interne oder externe Meldung erfolgt sein, um unter den Schutz der Richtlinie zu fallen. Der Rechtsausschuss setzt sich zudem für die Möglichkeit anonymer Meldungen ein, was auch der DAV vorgeschlagen hatte. Nicht durchsetzen konnte sich hingegen die vom DAV geforderte explizite Ausnahme vom persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie für Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte. Bevor die Trilogverhandlungen beginnen können, muss noch der Rat seine allgemeine Ausrichtung annehmen. Die österreichische Ratspräsidentschaft möchte noch bis Ende 2018 eine Einigung erzielen.
Gleichbehandlung für Flüchtlinge auch bei befristetem Aufenthalt – EuGH
Ein Flüchtling mit befristetem Aufenthaltsrecht hat Anspruch auf die gleichen Sozialleistungen wie ein Flüchtling mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 21. November 2018 (Rs. C-713/17). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger in Österreich 2016 den Flüchtlingsstatus und ein befristetes Aufenthaltsrecht für drei Jahre zugesprochen bekommen. Aufgrund einer Reform des österreichischen Asylgesetzes von 2015 wurde ihm auf seinen Antrag auf Sozialhilfe hin wegen seines befristeten Aufenthaltsstatus nur ein Mindestsicherungsbetrag zugestanden. Seine daraufhin erhobene Klage legte das zuständige Gericht dem EuGH zur Auslegung dahingehend vor, ob Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der Flüchtlinge mit befristetem Aufenthaltsrecht geringere Sozialhilfeleistungen erhalten als Staatsangehörige und Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht. Der EuGH stellte fest, dass eine solche Beschränkung der Sozialleistungen unvereinbar sowohl mit Art. 23 der Genfer Konvention als auch mit Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sei, der vorsieht, dass Flüchtlinge die „notwendigen Sozialleistungen wie Staatsangehörige“ erhalten. Hieraus ergebe sich das Prinzip der Inländerbehandlung für Flüchtlinge. Dabei sei keine Unterscheidung abhängig von der Dauer des Aufenthaltstitels vorgesehen. Der Kläger könne nun vor nationalen Gerichten die Beseitigung der betreffenden Regelungen einfordern.
Junckers Fazit und Ausblick – Kommission bewertet Lage des Binnenmarktes – KOM
Die EU-Kommission hat mit der Mitteilung COM(2018) 772 eine Bewertung des Binnenmarkts nach 25 Jahren vorgenommen und ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, ihr politisches Engagement für den Binnenmarkt zu bekräftigen. Hierfür sieht es die EU-Kommission als erforderlich an, Gesetzesinitiativen im Rahmen der Binnenmarktstrategie, der Strategie für den digitalen Binnenmarkt oder zur Kapitalmarktunion zur Annahme zu bringen. Die Durchsetzung und Anwendung der Vorschriften zur Stärkung des Binnenmarkts dürfe aber nicht zu Überregulierung führen. Die Kommission legte zudem einen Aktionsplan COM(2018) 764 zur harmonisierten Normung vor, der vier zentrale Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz, Transparenz und Rechtssicherheit des Systems enthält. Über die bisherige Normung im technischen Bereich hinaus soll ein europäisches Normungssystem auch beim Internet der Dinge, Big Data, Robotik oder Blockchain-Technologien eine größere Rolle spielen. Schließlich eröffnete die EU-Kommission mit der Vorlage des Jahreswachstumsberichts 2019 das sog. Europäische Semester zur wirtschafts-, haushalts- und sozialpolitischen Koordinierung der EU (s. EiÜ 41/17).