Europa im Überblick, 01/2021

EiÜ 01/2021

Ein Weihnachtsgeschenk: das Brexit-Abkommen – EP

Nach vier Jahren Verhandlungen wurde kurz vor Fristablauf das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU angenommen. Das eigentliche Abkommen wird u.a. flankiert von einer Mitteilung über die europäische Staatsanwaltschaft und einem Abkommen bezüglich Sicherheitsverfahren für den Austausch und Schutz von Verschlusssachen. Da die Ratifizierung durch das europäische Parlament noch aussteht, hatte die EU-Kommission eine vorläufige Anwendung bis zum 28. Februar 2021 vorgeschlagen. Mitglieder der Ausschüsse für internationalen Handel (INTA) und Auswärtige Angelegenheiten (AFET) des EP diskutierten das Abkommen in einer gemeinsamen Sitzung am 14. Januar 2021. Inhaltlich deckt das Abkommen klassische Rechtsdienstleistungen, wie auch Mediation und Tätigkeiten in Zusammenhang mit Schiedsverfahren, ab. Die Vertretung vor Gericht und Behörden ist nicht enthalten. Grundsätzlich gilt, dass Rechtsanwälte einer Vertragspartei in dem Gebiet der anderen Vertragspartei Rechtsdienstleistungen im Heimatrecht sowie im Völkerrecht erbringen können. Die jeweiligen Modalitäten zur Registrierung unterliegen weiterhin nationalrechtlichen Regelungen. Britische LLP sind fortan auch zur Niederlassung in der EU und zur Beratung im Heimatrecht und im Völkerrecht befugt. Das Abkommen wird seit dem 1. Januar 2021 vorläufig angewandt.

Der Digital Services Act: Reform des digitalen Raums – KOM

Am 15. Dezember 2020 hat die Kommission die mit Spannung erwarteten Verordnungsvorschläge für ein Gesetz über digitale Dienstleistungen (Digital Services Act, auf Englisch) und ein Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, auf Englisch) vorgelegt (vgl. EiÜ 4/20, 3/20, 40/19). Es handelt sich um zwei Verordnungsvorschläge, mit denen grundlegende Regeln zu Haftung und zum Wettbewerb im Internet gestaltet werden sollen. Im Digital Services Act werden Haftungsregeln für Provider ausdifferenziert und Pflichten zu Meldeverfahren bei illegalen Inhalten geschaffen. Außerdem geht es um Transparenz im Umgang mit Inhalten und zu Online-Werbung sowie Sonderregeln für sehr große Plattformen. Die Durchsetzung soll primär durch nationale Behörden erfolgen. Die Grundpfeiler der bisherigen Internetregulierung, wie das Haftungsprivileg für Provider, das Verbot einer allgemeinen Überwachungspflicht und das Herkunftslandprinzip werden beibehalten. Der DAV hatte sich bereits im Stadium der öffentlichen Konsultation zum Digital Services Act mit Stellungnahme 56/20 beteiligt. Mit dem Digital Markets Act sollen bestimmte Geschäftspraktiken von großen Online-Plattformen, die im digitalen Binnenmarkt als sog. „Torwächter“ fungieren, verboten werden. Erste Diskussionen der Vorschläge fanden bereits diese Woche im Binnenmarktausschuss (IMCO) des Parlaments statt.

Dr. Margarete Gräfin von Galen ist neue CCBE-Präsidentin DAV/CCBE

Seit dem 1. Januar 2021 ist Frau Dr. Margarete Gräfin von Galen Präsidentin des Rates der europäischen Anwaltschaften (CCBE). Frau von Galen war bereits seit 2018 als Vize-Präsidentin im Präsidium des CCBE tätig (vgl. EiÜ 3/18). Der DAV freut sich, dass mit Frau von Galen nach den deutschen Präsidenten Hüchting, Weil und Hellwig das erste Mal eine deutsche Rechtsanwältin an der Spitze des CCBE stehen wird. In Interviews mit dem Anwaltblatt und dem CCBE (auf Englisch) hat sie ihre Prioritäten für 2021 erklärt. In Bezug auf Rechtsstaatlichkeit ist ihr ein besonderes Anliegen, dass Anwälte als eine Säule des Rechtsstaats anerkannt werden. Dazu gehört auch, dass sich der CCBE weiterhin für die Verteidigung bedrohter Anwälte in der ganzen Welt einsetzen wird. Frau von Galen betont, dass das Mandatsgeheimnis um jeden Preis geschützt werden muss, insbesondere bei den Themen Geldwäsche und Digitalisierung der Justiz.

Folgenabschätzung zur justiziellen digitalen Zusammenarbeit – KOM

Entsprechend ihrer Mitteilung vom 2. Dezember 2020 (vgl. EiÜ 41/20) arbeitet die Kommission daran, die digitale grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit zu verbessern. Bis zum 5. Februar 2021 läuft hierzu eine Folgenabschätzung in der Anfangsphase der EU-Kommission. Durch die Initiative soll ein besserer Zugang zur Justiz sichergestellt werden. Digitale Kommunikation soll zu einer schnelleren und einfacheren Bearbeitung von grenzüberschreitenden Sachverhalten führen. Bisher ist der digitale Austausch freiwillig. Option 3 der Folgenabschätzung würde die digitale grenzüberschreitende Kommunikation zwingend vorschreiben. Eine öffentliche Konsultation ist für das erste Quartal 2021 geplant.

Effektiver Rechtsschutz bei Europäischen Haftbefehlen – EuGH

Ein Europäischer Haftbefehl (EHB) darf nur auf Grundlage eines nationalen Haftbefehls oder einer vergleichbaren Maßnahme, deren Ziel die Festnahme zum Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens ist, beruhen. Dies entschied der EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen eines bulgarischen Gerichts in der Rs. C-441/20 PPU am 13. Januar 2021. Im zugrundeliegenden Verfahren geht es um einen EHB gegen einen bulgarischen Staatsangehörigen wegen Verdachts auf organisierten Drogenhandel. Die bulgarische Staatsanwaltschaft führte im EHB an, dass dieser auf einer Verfügung beruht, mit welcher dem Betroffenen angezeigt werden sollte, dass er Beschuldigter in einem Strafverfahren ist. Art. 8 Abs. 1 lit. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI ist nach Auffassung des EuGH so zu verstehen, dass der EHB nur auf solchen Rechtsakten beruhen darf, die die Festnahme einer Person zum Zweck des Strafverfahrens ermöglichen sollen. Ein unter Missachtung dieser Vorgabe erlassener EHB wäre ungültig. Ob die Verfügung der bulgarischen Staatsanwaltschaft dieser Voraussetzung genügt, ist durch das nationale Gericht zu prüfen. Außerdem muss laut EuGH wegen des Grundsatzes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Möglichkeit bestehen, die Voraussetzungen des EHB vor einem Gericht überprüfen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn nationales Recht keine Möglichkeit dazu vorsieht.

Schlussanträge zu Klagen gegen Facebook – EuGH

Auch andere nationale Datenschutzbehörden als die irische sind unter bestimmten Voraussetzungen befugt, gerichtliche Verfahren gegen Facebook wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einzuleiten. Zu diesem Ergebnis gelangt Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen in der Rs. C-645/19. Im zugrundeliegenden Fall leitete die belgische Datenschutzbehörde ein gerichtliches Verfahren gegen Facebook u.a. auf Unterlassung der Platzierung bestimmter Cookies ein. Das belgische Vorlagegericht hat sodann dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Befugnis zur Einleitung gerichtlicher Verfahren ausschließlich bei der sog. federführenden Datenschutzbehörde liegt. Federführend ist die Behörde des Staates, in dem sich der Hauptsitz des Unternehmens befindet. Der Generalanwalt führt hierzu aus, dass die DSGVO bei grenzüberschreitenden Verfahren grundsätzlich nur der federführenden Datenschutzbehörde die Befugnis zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens verleiht. Allerdings gebe es keine generelle Regelung, die es anderen nationalen Datenschutzbehörden verbieten würde, selbst gerichtliche Verfahren einzuleiten. Daher darf in Ausnahmefällen, beispielsweise wenn die federführende Behörde beschlossen hat, nicht zu handeln, eine nationale Datenschutzbehörde bei grenzüberschreitender Datenverarbeitung selbst tätig werden. Die Schlussanträge sind für den EuGH nicht bindend, eine Entscheidung steht noch aus.

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