EiÜ 03/2021
Beschwerdepunkt im Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen – KOM
Die EU-Kommission hat am Mittwoch, 27. Januar 2021 ihr laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen in Form einer begründeten Stellungnahme verschärft (siehe Pressemitteilung). Am 3. Dezember 2020 hatte die Kommission Polen ein ergänzendes Aufforderungsschreiben übersandt und darin einen neuen Beschwerdepunkt in das Vertragsverletzungsverfahren aufgenommen, welches sie am 29. April 2020 gegen Polen aufgrund des sogenannten „Maulkorbgesetzes“ eingeleitet hatte (vgl. EiÜ 41/20, 17/20). Aus Sicht der Kommission hat die polnische Antwort auf das ergänzende Aufforderungsschreiben die Bedenken nicht ausgeräumt. Deswegen leitete die Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme den nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren ein. Polen ist damit nun aufgefordert, Konformität des umstrittenen Gesetzes mit dem EU-Recht innerhalb eines Monats herzustellen. Sofern dies innerhalb der Frist nicht passiert, könnte die EU-Kommission dann den EuGH anrufen.
Abgeordnete besorgt über Zustände auf griechischen Inseln – EP
In einer Aussprache des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) am 27. Januar 2021 mit Kommissionsvertretern drängten Abgeordnete auf zügige Verbesserungen der Lage vor Ort. In Lesvos hat sich laut Kommission zwar die Lage dahingehend gebessert, dass nach dem Brand im Lager Moria nun in temporären Unterkünften mehr Plätze zur Verfügung stehen als benötigt, aber die Lager in Chios und Samos seien weiterhin überfüllt. Abgeordnete forderten in der Aussprache mehr Überstellungen auf das Festland und die Einhaltung der geltenden Gesetze durch Griechenland. In Stellungnahmen des Entwicklungsausschusses (DEVE) sowie des LIBE-Ausschusses (beide auf Englisch) hatten die Parlamentarier zudem insbesondere auch verlangt den Zugang zum Recht für Migranten in Europa sicherzustellen. Eine ähnliche Kritik an den Reformplänen der Kommission hatte der DAV erst jüngst in seiner Stellungnahme Nr. 8/2021 zu den Reformplänen des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) ausgedrückt.
Transparenz der EU-Organe durch unabhängiges Ethikgremium? – EP
Am 27. Januar 2021 stellte der Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) einen Entwurf eines Berichts (auf Englisch) zur Förderung der Transparenz und Gewährleistung der Unabhängigkeit von EU-Organen vor. Dieser sieht die Etablierung eines unabhängigen, organübergreifenden, vereinheitlichenden Ethikgremiums vor. Es unterschiedet sich von bisherigen Kontrollmechanismen durch die weitreichenden eigenen Kompetenzen, insbesondere die selbstständige Informationsbeschaffung, Festsetzung von Rechtsfolgen und die Aufsicht über auferlegte Pflichten aus einem künftigen Transparenzregister für Interessensvertreter. Am 15. Dezember 2020 wurde eine endgültige politische Vereinbarung zwischen Europäischem Parlament, Kommission und Rat beschlossen, so dass dem Transparenzregister an sich nichts mehr im Wege steht (siehe Pressemitteilung). Die Frist für Änderungsanträge zu dem Berichtsentwurf für ein unabhängiges Ethikgremium endet am 4. Februar 2021.
Auswahl von Europäischen Staatsanwälten stockt immer noch – EP
In einer gemeinsamen Sitzung des Innenausschusses (LIBE) und des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT) am 26. Januar 2021 berichtete die Europäische Generalstaatsanwältin Laura Kövesi, dass die Europäische Staatsanwaltschaft in naher Zukunft ihre Arbeit aufnehmen kann (vgl. EiÜ 5/20, 3/20, 38/19, 33/19, 32/18, 23/17). Allerdings fehlt momentan noch die Benennung mehrerer Delegierter Europäischer Staatsanwälte. Die Ausschussmitglieder kritisierten zudem die Benennung des portugiesischen Kandidaten für die EuStA. Der Vorwurf lautet, dass Portugal, ebenso wie Belgien und Bulgarien, einen Kandidaten nominiert haben, der nicht der Empfehlung des Auswahlkomitees entspreche. Mehrere Abgeordnete befürchten, dass die Glaubwürdigkeit der EU-Staatsanwaltschaft und somit auch das Vertrauen in die neugegründete Institution beschädigt werden könnte.
Rundfunkanstalten dürfen Barzahlung der Beiträge ablehnen – EuGH
Laut dem EuGH darf der Hessische Rundfunk weiterhin die Barzahlung der Rundfunkbeiträge ablehnen. Am 26. Januar 2021 entschied der EuGH in den Rs. C-422/19 und C-423/19, dass das Unionsrecht dem Ausschluss der Barzahlung für die Entrichtung der Rundfunkbeiträge nicht entgegensteht. Zwei Beitragspflichtige hatten vor dem Bundesverwaltungsgericht angeführt, dass die Festsetzung des Euros als gesetzliches Zahlungsmittel und die ausschließliche Zuständigkeit der EU in der Währungspolitik, die Mitgliedsstaaten und somit auch die öffentlichen Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten verpflichten würden. Der EuGH ordnet den Fall in die Organisation der öffentlichen Verwaltung ein, der in den besonderen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten fällt. Obwohl die Situation von kontolosen Privatpersonen berücksichtigt werden müsse, könnten Effizienzvorteile ein öffentliches Interesse begründen, welches die Beschränkung der Barzahlung rechtfertigt.
Europäischer Haftbefehl ist mit Grundrechtecharta vereinbar – EuGH
Der EuGH hat am 28. Januar 2020 in der Rs. C-649/19 erneut entschieden, dass die Möglichkeit die Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls (EHB) abzulehnen extrem beschränkt ist (vgl. EiÜ 1/21, 42/20, 38/20). Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens soll die Effizienz und Durchführung bei der grenzüberschreitenden Strafverfolgung sichern. Die Konformität eines bulgarischen EHB-Strafverfahrens wurde hinterfragt, da der Beschuldigte u.a. unvollständig über seine Rechte belehrt wurde. Der EuGH stellte nun fest, dass die Rechte der Richtlinie 2012/13/EU zur Belehrung und Unterrichtung im Strafverfahren aufgrund des besonderen Verfahrens des EHB und des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens bei einer Festnahme aufgrund eines EHB nicht erfüllt sein müssen. Damit verletze der Rahmenbeschluss 2002/584/JI zum EHB-Verfahren auch die Verteidigungsrechte aus Art. 6 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht. Der Rahmenbeschluss sichere sowohl die effektive justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten als auch den Rechtsschutz gemäß der Grundrechtecharta.
CPDP-Konferenz: Diskussion zum Digital Services Act – DAV
Die Zeitschrift Privacy in Germany (PinG) und der DAV haben am 28. Januar 2021 ein Panel auf der diesjährigen CPDP-Konferenz organisiert, das von Prof. Niko Härting moderiert wurde. Auf dem hochrangig besetzten Panel mit dem Titel „Collateral Damages of Enforcement – Digital Services Act, Network Enforcement Act and Loi Avia” wurden u.a. Fragen des Umgangs mit illegalen Online-Inhalten diskutiert. Angesichts des im Dezember 2020 vorgestellten Verordnungsvorschlags COM(2020) 825 (auf Englisch) für den sog. Digital Services Act wurden außerdem nationale Entwicklungen zur Regulierung von Online-Plattformen erläutert. Unter anderem ging es um das französische Gesetz gegen Hass im Netz, das sog. Loi Avia, und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Diese Entwicklungen wurden in den Kontext der anstehenden Verhandlungen zum Digital Services Act gesetzt.
Webinar des DAV Frankreich zu Unternehmenssanktionen – DAV
Der DAV Frankreich veranstaltet am 3. Februar 2021 unter dem Thema "La compliance en entreprise – Actualités de droit comparé franco-allemand: la perspective de l’avocat et de l’entreprise" ein französischsprachiges Webinar zu Unternehmenssanktionen. Weitere Informationen finden Sie hier.
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