EiÜ 09/2021
Berufsreglementierung: Reformempfehlungen angekündigt – KOM
Die EU-Kommission hat am 4. März 2020 den Fahrplan im Sinne einer Ankündigung der neuen Reformempfehlungen an die Mitgliedsstaaten im Hinblick auf die Berufsreglementierung veröffentlicht. Die Mitteilung mit den aktualisierten Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten soll dann im April 2021 erscheinen. Der Fokus dieser Mitteilung liegt auf Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten und bewertet Hindernisse im Binnenmarkt mit Fokus auf Unternehmensdienstleistungen, darunter insbesondere die Dienstleistungserbringung von freien Berufen wie den Rechtsanwälten, Patentanwälten und als Novum den Notaren. Die letzte Mitteilung über Reformempfehlungen für die Berufsreglementierung stammt aus dem Jahr 2017. Die Rechtsanwälte werden auf Seite 20ff analysiert. Eine Empfehlung, die alle Mitgliedsstaaten bezüglich der Anwaltschaft adressierte, betrifft die Präzisierung des Umfangs der vorbehaltenen Tätigkeit, damit die Bereitstellung von Dienstleistungen der Rechtsberatung durch Rechtsanwälte und andere Dienstleister, insbesondere für Online-Dienste, erleichtert wird.
Verlängerung des Mandats des Sonderausschusses für KI – EP
Die Konferenz der Präsidenten des EU-Parlaments hat das Mandat des Sonderausschusses zu Künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA) um weitere sechs Monate verlängert. Diese Verlängerung wurde in der Plenarsitzung bestätigt. Das Mandat des AIDA-Sonderausschusses besteht darin, die KI aus einem bereichsübergreifenden Blickwinkel zu betrachten, indem ihre künftigen Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft unter besonderer Berücksichtigung von Kompetenzen, Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, Verkehr, Umwelt, Industrie und E-Government analysiert werden, und die Ansätze von Drittstaaten zur KI auszuwerten. Die Arbeiten des Ausschusses können nun bis März 2022 fortgesetzt werden.
Europas Digitaler Kompass: Kurs auf digitalen Wandel bis 2030 – KOM
Die EU-Kommission hat am 9. März 2021 eine klare Zielvorstellung für den digitalen Wandel Europas bis 2030 präsentiert. Im Fokus der Mitteilung (in Englisch) stehen Vorschläge für einen digitalen Kompass, der die Förderung von digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger, die Bereitstellung einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur sowie die Digitalisierung der Unternehmen und öffentlichen Dienste umfasst. Unter anderem sollen bis 2030 alle Haushalte in der EU über eine Gigabit-Anbindung verfügen und alle bevölkerten Gebiete mit 5G-Netzen versorgt werden. Diese Ziele sollen durch Mehrländerprojekte und ein effektives Monitoring der Fortschritte erreicht werden. Zum anderen stellte die Kommission eine Liste digitaler Grundsätze und Rechte für EU-Bürger auf. Darunter fallen beispielsweise der universelle Zugang zu hochwertiger Netzanbindung und diskriminierungsfreie Online-Dienste. Finanziert werden soll der digitale Wandel insbesondere durch EU-Mittel im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität. Die Kommission wird in Kürze einen Konsultationsprozess über die Vorschläge einleiten. Bis Ende des Sommers soll ein Vorschlag für ein Digitalpolitik-Programm zur Umsetzung des Digitalen Kompasses vorgelegt werden und bis Ende 2021 wird eine Interinstitutionelle Erklärung zu den Digitalgrundsätzen angestrebt.
Ausweitung der EU Straftaten auf Hasskriminalität? – KOM
Die EU-Kommission hat einen Fahrplan zur Ausweitung der Liste der EU-Straftaten um die Tatbestände für Hassrede und Hasskriminalität bezüglich Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung veröffentlicht. Das Vorhaben wurde von Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Absichtserklärung (in Englisch) als Priorität vorgebracht und im Rahmen der Strategie zur Gleichstellung von LGBTI-Personen 2020-2025 sowie im Arbeitsprogramm 2021 bekräftigt. Eine Ausweitung der EU-Straftaten auf Hasskriminalität soll die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ergänzen. Diese – bisher nur teilweise umgesetzte – Gesetzgebung verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die öffentliche Anstiftung zu Gewalt und Hass aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion oder Herkunft unter Strafe zu stellen, dehnt dies aber nicht auf das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung aus. Außerdem berücksichtigt er die Verbreitung rechtswidriger Hassreden im Internet nicht. Es ist allerdings umstritten, ob Hassrede und Hasskriminalität als besonders schwere Straftaten angesehen werden sollen und ob sie eine grenzüberschreitende Dimension haben. Als nächste Schritte beabsichtigt die Kommission im 4. Quartal 2021 eine Mitteilung anzunehmen. Für eine Erweiterung der EU- Straftatenliste bedarf es eines einstimmigen Beschlusses des Rats mit Zustimmung des EU-Parlaments. Die angekündigte Erweiterung der EU-Straftatenliste hätte zur Folge, dass in einem zweiten Schritt durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in diesem Bereich erlassen werden könnten.
Gemeinsame Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas – KOM, EP, RAT
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der Präsident des EU- Parlaments David Sassoli und der portugiesische Premierminister Antonio Costa unterzeichneten am 10. März 2021 im Rahmen einer Zeremonie die Gemeinsame Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas (in Englisch). Seit dem Vertrag von Lissabon gab es in der EU kaum Schritte um den Integrationsprozess weiterzuentwickeln und neue Reformen anzustoßen. Von einer Vertragsänderung ganz zu schweigen. Mit der „Konferenz zur Zukunft Europas“ wird mit einem hybriden Format aus interinstitutionellen Verhandlungen und Bürgerbeteiligung ein neues Forum für Zukunftsideen geschaffen. Die EU-weite Konferenz beginnt am 9. Mai 2021, dem Europatag, und wird den Bürgerinnen und Bürgern bis zum Frühjahr 2022 die Gelegenheit geben, ihre Erwartungen an die europäische Politik zu äußern. Es sollen Themen behandelt werden, die in den politischen Prioritäten der Kommission und in der strategischen Agenda des Europäischen Rates enthalten sind. Dazu gehören unter anderem die Bewältigung des Klimawandels, die digitale Transformation Europas und die Förderung europäischer Werte. Zudem steht es den Bürgerinnen und Bürgern offen, zusätzliche relevante Themen anzusprechen. Neben einer mehrsprachigen digitalen Plattform wird es in allen EU-Ländern physische Veranstaltungen geben, sobald es die Pandemie-Lage wieder zulässt. Die Konferenz steht unter der Schirmherrschaft der drei Organe unter gemeinsamen Vorsitz. In Kürze wird ein Exekutivausschuss gebildet, der die drei Organe gleichermaßen vertritt und die Arbeit der Konferenz beaufsichtigen und ihre Plenarsitzungen vorbereiten wird. Die nationalen Parlamente erhalten einen Beobachterstatus.
Verpflichtung zum Einvernehmensanwalt klargestellt – EuGH
In der Rs. C-739/19 kommt der EuGH am 10. März 2021 zum Ergebnis, dass ausländischen Rechtsanwälten die Verpflichtung auferlegt werden kann, sich von im Inland zugelassenen Kollegen unterstützen zu lassen. Die Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte 77/249/EWG gestattet es grundsätzlich eine Rechtsvertretung vorzunehmen, auch vor Gerichten anderer Mitgliedsstaaten, sofern die ordnungsgemäße und sachgerechte Vertretung des Mandanten gesichert ist. Der EuGH folgt den Schlussanträgen von Dezember 2020 (vgl. EiÜ 41/20) und stellt fest, dass Art. 5 der Richtlinie 77/249/EWG es erlaubt und es nicht unverhältnismäßig sei im Hinblick auf das Ziel einer geordneten Rechtspflege einem Rechtsanwalt die Verpflichtung aufzuerlegen, im Einvernehmen mit einem beim angerufenen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt zu handeln. Die nationale Regel ist zulässig In einem System, in dem diese beiden Rechtsanwälte die Möglichkeit haben, ihre jeweilige Rolle festzulegen, wobei der beim angerufenen Gericht zugelassene Rechtsanwalt in der Regel nur die Aufgabe hat, den dienstleistenden Rechtsanwalt zu unterstützen, damit er den Mandanten sachgerecht vertreten und seine Verpflichtungen gegenüber diesem Gericht ordnungsgemäß erfüllen kann. Eine allgemeine Verpflichtung zum Einvernehmen lehnt der EuGH jedoch ab. Dies gehe über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist. Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren stand die Rechtmäßigkeit der irischen Umsetzung der Richtlinie im Raum, die der deutschen Anwältin zwar ein Audienzrecht vor irischen Gerichten gewährt, für die Vertretung jedoch die Zusammenarbeit mit einem in Irland zugelassenen Anwalt notwendig ist.
Finanzamt darf keine Ermittlungsanordnung ausstellen – EuGH
In den Schlussanträgen von Generalanwalt Sánchez-Bordona vom 11. März 2021 in der Rs. C-66/20 lehnt er die Berechtigung von Verwaltungsbehörden - trotz bestehender Befugnisse in Steuerstrafsachen - ab, ohne Mitwirkung eines Richters, Gerichts oder Staatsanwalts eine Europäische Ermittlungsanordnung auszustellen. Selbst wenn das Finanzamt Ermittlungsaufgaben wahrnehme, könne die Unabhängigkeit von der Exekutive, aufgrund der Verwaltungshierarchie und dem besonderen Interesse in Steuerangelegenheiten nicht gewährleistet werden. Die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) einer nationalen Verwaltungsbehörde ist somit zwingend von einem Richter oder Staatsanwalt im Sinne einer justiziellen Behörde der Richtlinie 2014/41/EU über EEAs zu validieren (vgl. EiÜ 42/20). In der Rs. C-452/16 PPU hatte der EuGH den Begriff „Justizbehörde“ – unter ausdrücklichem Ausschluss der Verwaltungsbehörden - auf alle Behörden der Strafrechtspflege ausgeweitet. Die Staatsanwaltschaft ist in gewissen Ländern ebenfalls Einzelzuweisungen der Exekutive ausgesetzt, handelt aber im Gegensatz zu Verwaltungsbehörden - als Organe der Exekutive - autonom. Das Finanzamt Münster sah sich in einem Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung berechtigt, die Durchsuchung von Geschäftsräumen einer italienischen Staatsanwaltschaft zu übermitteln, da nach deutschem Recht das Finanzamt die Ermittlungsaufgaben der Staatsanwaltschaft übernimmt.
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