EiÜ 20/2020
Kommission veröffentlicht angepasstes Arbeitsprogramm – KOM
Die EU-Kommission hat am 27. Mai 2020 ihr Arbeitsprogramm für 2020 (derzeit nur in englischer Fassung) angepasst. Seit der Veröffentlichung des ursprünglichen Arbeitsprogramms (vgl. EiÜ 4/20) wurden bereits einige Initiativen mit öffentlichen Konsultation angenommen, etwa das Weißbuch zur künstlichen Intelligenz (vgl. EiÜ 7/20). Im Hinblick auf die weitere Arbeit in diesem Jahr sind etwa Folgemaßnahmen zum Weißbuch zur künstlichen Intelligenz (einschließlich Sicherheit, Haftung, Grundrechte und Daten) für das 4. Quartal 2020 vorgesehen. Die Strategie zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und zur Vereinfachung der Besteuerung soll im 3. Quartal folgen. Auch eine neue Strategie für Verbraucher wird auch weiterhin dieses Jahr in Angriff genommen. Der neue Pakt für Asyl und Migration soll voraussichtlich Ende Juni, der geplante Jahresbericht über die Rechtsstaatlichkeit im Herbst 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft veröffentlicht werden. Die Übersicht der angepassten neuen Initiativen umfasst alle sechs Prioritäten der der Kommission für 2019-2024.
Druck auf Polen in Sachen Rechtsstaatlichkeit erhöhen – EP
Das EU-Parlament zeigt sich weiterhin besorgt in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in Polen und fordert neue Impulse im Hinblick auf das laufende Artikel-7 EUV Verfahren gegen Polen. In der Anhörung am 25. Mai 2020 im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments stellte der Berichterstatter Juan Lopez Aguilar (S&D) seinen Zwischenbericht für eine Entschließung des EU-Parlaments vor. Dabei sei die Situation in Polen vor allem in Bezug auf die Funktionsweise des Gesetzgebungs- und Wahlsystems, die Unabhängigkeit der Justiz und Schutz der Grundrechte besorgniserregend. Die Mehrheit der Abgeordneten kritisierte die Situation in Polen scharf und forderte neben Vertragsverletzungsverfahren auch den Einsatz von finanziellen Sanktionen durch die EU-Kommission, gerade im Hinblick auf den europäischen Wiederaufbauplan und den mehrjährigen Finanzrahmen. Die eingeladenen José Igreja Matos, Vorsitzender des europäischen Richterbunds und Joanna Hetnarawicz-Sikora für den polnischen Richterbund IUSTITIA, forderten „einen europäischen Marshallplan“ zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU. Die Vertreterin von IUSTITIA sprach insbesondere die Ernennung der neuen regierungsnah-verorteten Präsidentin am Obersten Gericht Małgorzata Manowska durch Staatspräsidenten Andrzej Duda an und nannte konkrete Beispiele für Disziplinarverfahren gegen polnische Richter und Staatsanwälte. Änderungsanträge zu dem Zwischenbericht können bis zum 28. Mai 2020 eingebracht werden. Die Abstimmung im Plenum ist für September 2020 geplant.
Jourová mit Einblick in Pläne zu Rechtsstaatlichkeit und Gender – EP
Am 25. Mai 2020 stand die Vizekommissionspräsidentin für Werte und Transparenz, Vera Jourová, den Mitgliedern des Rechtsausschusses des EU-Parlaments (JURI) im Rahmen des strukturierten Dialogs Frage und Antwort. Der erste Jahresbericht zur Rechtsstaatlichkeit, der im September erscheinen soll, solle verschiedene Bereiche der Rechtsstaatlichkeit (Justiz, Korruptionsbekämpfung, Medienpluralismus, institutionelle Fragen im Zusammenhang mit Gewaltenteilung) und auch die Notfallmaßnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 der Mitgliedstaaten analysieren. Derzeit fänden bilaterale Besuche in allen Mitgliedstaaten statt. Sie betonte – und dies wurde am bei Veröffentlichung des überarbeiteten Mittelfristigen Finanzrahmens bestätigt – dass die Kommission an der Rechtsstaatlichkeitskonditionalität im Haushalt festhalten werde. Zum EZB-Urteil des BVerfG (vgl. EiÜ 19/20) betonte sie, die Kommission untersuche derzeit die Urteilsbegründung, bevor sie Schritte ergreifen werde. Sie betonte das Primat des EU-Rechts und dass nationale Gerichte nicht befugt seien zu befinden, der EuGH handele „ultra vires“. Zu der Richtlinie zu Frauen in Aufsichtsräten, die seit vielen Jahren im Rat blockiert wird, betonte sie, dass 18 Mitgliedstaaten die Richtlinie nunmehr unterstützten. Ein positiver Standpunkt Deutschlands würde nun ausreichen, um eine qualifizierte Mehrheit zu erhalten. Sie hoffe hier auf eine positive Entwicklung in der deutschen Ratspräsidentschaft, v.a. da Deutschland auf nationaler Ebene bereits eine vergleichbare Gesetzgebung habe.
LawTech Sandbox: Innovationen im UK-Rechtsmarkt – UK
In London wurden Pläne für eine neue LawTech Research & Development Sandbox vorgestellt, die mit Unterstützung seitens der britischen Regierung technologische Innovationen für den Rechtsdienstleistungsmarkt fördern soll. Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen Legal Tech (Inkubator für Start-Ups), dem LawTech Delivery Panel, einen Zusammenschluss von Vertretern der Gerichte, Kammern, Unternehmen und Wissenschaft und dem Justizministerium. Es soll Vertreter dieser verschiedenen Branchen zusammenbringen um die Markteinführung von innovativen LegalTech Produkten zu fördern. Die Sandbox fungiert dabei als Entwicklungs- und Testumgebung für besagte innovative Produkte. Ein weiterer Bestandteil ist die geplante Einrichtung einer kostengünstigen Online-Streitbeilegungsplattform für Zahlungsstreitigkeiten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) sowie die Entwicklung eines Online Hubs und Fortbildungszentrums, welches kostenlos Onlinekurse zu LegalTech-Themen anbieten soll. Nach Projektschätzungen könnte die Produktivität des Rechtsdienstleistungssektors mehr als verdoppelt und die Kosten für die Anbietung von Rechtsdienstleistungen an Geschäftskunden in Großbritannien dabei um 350 Millionen GBP bis 2030 reduziert werden.
Digital Services Act: Koregulierung, Transparenz und Rechenschaft – EP
Die Achtung von Grundrechten und des Datenschutzes verpflichtet den EU-Gesetzgeber, illegalen Online-Inhalten mit der gleichen Strenge zu begegnen, wie es auch bei Offline-Inhalten praktiziert werde, ohne jedoch die freie Meinungsäußerung unverhältnismäßig einzuschränken. Das fordert Berichterstatter Kris Peeters (EPP) in seinem Initiativberichtsentwurf über das Gesetz über digitale Dienste und die Grundrechte betreffende Fragen, der im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments (LIBE) vorliegt. Die diesbezügliche Auslegung von Gesetzen dürfe nicht privaten Unternehmen überlassen werden sollte, obgleich eine staatliche Bewertung aller Fälle unrealistisch sei, so dass ein sinnvolles Koregulierungskonzept erarbeitet werden müsse. Bei der anstehenden Überarbeitung der e-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG sollten das Verbot einer allgemeinen Überwachungspflicht, die Haftungsbegrenzung für Inhalte und die Binnenmarktklausel beibehalten werden. Für Anbieter digitaler Dienste sollten rechtliche Verpflichtungen bezüglich Transparenz, verfahrensrechtlichen Schutzvorschriften, zur Rechenschaftspflicht bei der Moderation von Inhalten sowie zu proaktivem Vorgehen gegen illegale Online-Inhalte eingeführt werden. Zum Zweck der Aufsichtsausübung fordert Peeters die Einrichtung eines unabhängigen Unionsorgans.
Mangelnde Umsetzung der Opferschutzrichtlinie in Mitgliedstaaten – KOM
Die EU-Kommission veröffentlichte vergangene Woche einen Bericht über die Auswertung der Opferschutzrichtlinie in den Mitgliedstaaten. Ziel dieser Richtlinie ist es, zu gewährleisten, dass Opfer von Straftaten Informationen, Schutz und Unterstützung in angemessener Weise erhalten und sich am Strafverfahren beteiligen können. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 16. November 2015 in nationales Recht umzusetzen, derzeit laufen deshalb immer noch Vertragsverletzungsverfahren gegen einige Mitgliedstaaten. Mängel stellte die Kommission vor allem hinsichtlich der Umsetzung zentraler Rechte, wie Zugang zu Informationen und Unterstützungsdiensten sowie dem individuellen Schutz der Opfer fest. Die vorliegende Bewertung zeige, dass das volle Potenzial der Richtlinie als Kerninstrument europäischer Opferschutzpolitik noch nicht vollständig ausgeschöpft sei, was es zu ändern gelte. Bezüglich einer Entschädigungspflicht der Mitgliedstaaten auf Grundlage der Richtlinie wird noch ein Urteil des EuGH in der Rs. C-129/19 erwartet; Generalanwalt Michal Bobek forderte in seinen Schlussanträgen allerdings eine Entschädigung für jedes Opfer einer vorsätzlich begangenen Gewalttat, unabhängig davon, wo es seinen Wohnsitz hat. Seiner Ansicht nach ist die Richtlinie dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten nicht nur dazu verpflichtet sind, ein System zur Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Fällen einzuführen, sondern auch zum Erlass einer nationalen Entschädigungsregelung.
Fristen für Meldepflichten sollen angepasst werden – KOM
Am 08. Mai 2020 veröffentlichte die Kommission ihren Änderungsvorschlag zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16. Dies betrifft die Vorlage und den Austausch von Informationen in Bezug auf Informationen über Finanzkonten gemäß der DAC-2 Richtlinie 2014/107 und im Hinblick auf meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen der DAC-6 Richtlinie 2018/822. Damit reagiert die Kommission auf die corona-bedingten Entwicklungen und schließt eine weitere Verlängerung der Fristen für die Vorlage und den Austausch von Informationen nicht aus. Mit dem Vorschlag wird die Frist für den Austausch von Informationen über Meldepflichtige Finanzkonten um 3 Monate, d. h. bis zum 31. Dezember 2020, verlängert werden. Bei der Umsetzung der Fristen der DAC-6 Richtlinien verschieben sich die Fristen dann für die Meldung von Steuergestaltungen, die zwischen 25. Juni 2018 und 01. Juli 2020 meldepflichtig wurden, vom 31. August 2020 bis zum 30. November 2020 verlängert. Der vierteljährliche Austausch der Mitgliedsstaaten soll vom 31. Oktober 2020 bis zum 31. Januar 2021 verlängert werden. Der Rat und das EU-Parlament müssen den Änderungsvorschlag noch abstimmen und annehmen. Das Plenum des EU-Parlaments soll sich am 18. Juni 2020 damit auseinandersetzen.
Europäisches Semester 2020: Covid-19 im Fokus – KOM
Die EU-Kommission veröffentlichte am Mittwoch, den 20. Mai 2020, ihr Frühjahrspaket für das Europäische Semester. Im Gegensatz zum Herbst (siehe EiÜ 45/19), gelten als Priorität diesmal die Herausforderungen der Pandemie. Enthalten sind daher länderspezifische Vorgaben an die Mitgliedstaaten zu einer nachhaltigen Erholung von Covid-19. Dabei werden insbesondere die Faktoren Stabilität, Fairness, ökologische Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der öffentlichen Gesundheit liegen soll. Als wichtige Maßnahme sieht die Kommission auch die Verbesserung der Funktionsweise der Institutionen und der Governance, einschließlich effizienter und unabhängiger Justizsysteme. Anliegen der Kommission sind unter anderem die Erhaltung der Beschäftigung, Unterstützung des Unternehmenssektors sowie Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung und Geldwäsche. Deutschland soll insbesondere private Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel fördern, zudem seien die digitalen Verwaltungsleistungen auf allen Ebenen verbesserungswürdig. Die Länderberichte müssen noch durch den Rat angenommen werden.
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