EiÜ 21/2021
DAT 2021 im Zeichen des 150. Jubiläums – DAV
Der diesjährige Deutsche Anwaltstag fand unter dem Motto „Die Anwaltschaft in besonderer Verantwortung – 150 Jahre Deutscher Anwaltverein“ mit rund 80 Online-Veranstaltungen und viel politischer Prominenz statt. Eine ganz besondere Ehre für den DAV war das Grußwort von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, in dem er die Verantwortung der Anwaltschaft für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie thematisiert. Spannende Diskussionen gab es insbesondere auch zu internationalen Themen. Die Bandbreite reichte dabei vom Zugang zum Recht an europäischen Außengrenzen, über eine lebhafte Podiumsdiskussion zu Cancel Culture und anwaltlicher Verantwortung bis hin zur einer Debatte, wie der Rechtsstandort Deutschland für den internationalen Rechtsdienstleistungsverkehr attraktiver gemacht werden kann. Auch die Auswirkungen der nun anstehenden BRAO-Reform auf den internationalen Rechtsverkehr nach dem Brexit wurden diskutiert. Bei der traditionellen Veranstaltung der Auslandsvereine des DAV ging es dieses Jahr um Leuchttürme der Anwaltschaft. Dabei rückten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in den Fokus, die einen bedeutenden Beitrag zur Rechtsanwendung oder zur Rechtsetzung gemacht haben oder sich für Grundrechte engagiert haben.
Standardvertragsklauseln: Nach Schrems-II ist vor Schrems-III – KOM
Die EU-Kommission hat am 4. Juni 2021 neue DSGVO-Standardvertragsklauseln (SCC) verabschiedet. Es handelt sich hierbei um Musterverträge, die zwischen einem Verantwortlichen in der EU und einer Einheit in einem Drittland abgeschlossen werden und die Anpassung des Datenschutzniveaus für die Übermittlung personenbezogener Daten zum Ziel haben. Dies ist unter den Gesichtspunkten des Schrems-II-Urteils des EuGH in Rs. C-311/18 zu sehen, wobei die Notwendigkeit neuer SCC bereits seit der Geltung der DSGVO bekannt war. Die neuen SCC betreffen die Übermittlung von personenbezogenen Daten in Drittländer zwischen zwei Verantwortlichen oder zwischen Auftragsverarbeitern. Anders als in der Vergangenheit betreffen die Regelungen inhaltlich die Übermittlung von personenbezogenen Daten in Drittländer ohne Angemessenheitsbeschluss oder anderer geeigneter Garantien. Der Aufbau der Musterverträge findet in Modulen statt. Modul I Controller to Controller; Modul II Controller to Processor; Modul III Processor to Processor; Modul IV Processor to Controller. Durch die flexible Gestaltung der Verträge, die auch Gerichtsstände, Haftungsregeln und Zuständigkeiten der jeweiligen Aufsichtsbehörde beinhalten, können Unternehmen ihren Datentransfers mit mehr Rechtssicherheit begegnen. Sobald diese Standardvertragsklauseln im Amtsblatt der Europäischen Union offiziell veröffentlicht wurden, besteht eine insgesamt absolute 18-monatige Übergangsfrist zum Neuabschluss und Ersatz der Verträge.
Neue Verhandlungsmandate aus dem Bereich der Justiz angenommen – Rat
Am 7. und 8. Juni 2021 kamen die Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten zusammen, um eine große Bandbreite an Themen aus den Bereichen Justiz und Sicherheit zu diskutieren. Im Bereich der Justiz hat der Rat nach langen Verhandlungen sein Verhandlungsmandat in Form einer allgemeinen Ausrichtung (in Englisch) zum Vorschlag für eine Verordnung über das auf die Drittwirkung von Forderungsübertragungen anzuwendende Recht bekanntgegeben. Zu diesem Vorschlag äußerte sich der DAV bereits kritisch in seiner Stellungnahme Nr. 31/2020, vor allem im Hinblick auf den Regelfall der ausschließlichen Anwendung des am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zedenten geltenden Rechts. Ebenfalls billigte der Rat eine allgemeine Ausrichtung (in Englisch) zum Verordnungsvorschlag zum e-CODEX-System und eine allgemeine Ausrichtung (in Englisch) zum Vorschlag einer Verordnung zur Änderung des derzeitigen Mandats der EU-Agentur für Grundrechte (FRA). Demnach soll nun die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen neuer Bestandteil des Mandats werden. Auf dem Rat der Innenminister wurde u. a. nach Vorstellung des Verordnungsvorschlags über künstliche Intelligenz über innere Sicherheit und den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Verbrechensbekämpfung diskutiert (vgl. EiÜ 14/21). Auch präsentierte der Rat einen Fortschrittsbericht zur Erweiterung des Europol-Mandats mit dem erklärten Ziel, bis Ende Juni ein Verhandlungsmandat mit dem EU-Parlament zu erhalten. Der DAV sieht insbesondere durch die hierdurch eingeführte Möglichkeit des Datenaustauschs zwischen Europol und Privaten das Berufsgeheimnis gefährdet, wie in der Stellungnahme Nr. 31/2021 deutlich wird (vgl. EiÜ 13/21; 42/20).
Digitale Brieftasche für digitale Dienste – KOM
Am 3. Juni 2021 hat die EU-Kommission eine Verordnung für eine „vertrauenswürdige und sichere digitale Identität" vorgestellt. Der Verordnungsvorschlag (in Englisch) dient dem Aufbau eines Rahmens für eine unionsweit gültige Europäische Digitale Identität (EU-id-Rahmen). Damit reagiert die EU-Kommission auf das Erfordernis für die Nutzung zahlreicher Plattformen ein sog. Social Plugin zu nutzen, um digitale Dienste zu nutzen. Anhand der nationalen digitalen Identifizierung sollen europaweit Online-Dienste genutzt werden können, ohne dabei auf private Identifizierungsmethoden zugreifen zu müssen oder nicht notwendige personenbezogene Daten weitergeben zu müssen. Dabei sollen die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen eine sog. digitale Brieftasche (eWallet) zur Verfügung zu stellen. Im eWallet kann dann die nationale digitale Identität mit Nachweisen wie Führerschein oder Zeugnissen verknüpft werden. Die Nutzung stellt ein Angebot dar und bleibt freiwillig. Im Sinne einer raschen Umsetzung soll unverzüglich mit den Vorarbeiten begonnen werden. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission parallel zum Verordnungsvorschlag eine Empfehlung (in Englisch) vorgelegt, in der sie die Mitgliedsstaaten auffordert, ein gemeinsames Instrumentarium zu schaffen. Dieses Instrumentarium soll die technische Architektur, Normen, Leitlinien und bisherige Best-Practices umfassen und bis Oktober 2022 veröffentlicht werden.
PSPP-Urteil gipfelt in Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland – KOM
Auch über ein Jahr nach dem PSPP-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. Mai 2020 reißen die Nachwirkungen des Urteils nicht ab (vgl. EiÜ 19/20). Am 9. Juni 2021 hat die EU-Kommission deswegen nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Nach Auffassung der EU-Kommission hat das BVerfG mit seinem Urteil dem zuvor ergangenen EuGH Urteil vom 11. Dezember 2018 in der Rs. C-493/17 die Rechtswirkung in Deutschland abgesprochen und damit Grundprinzipien des EU-Rechts wie die Autonomie, den Vorrang und die einheitliche Anwendung des EU-Rechts verletzt. Es wird befürchtet, dass das PSPP-Urteil einen Präzedenzfall für weitere Entscheidungen des BVerfG oder auch die Verfassungsgerichte anderer Mitgliedsstaaten darstellen könnte. In der Pressemitteilung der EU-Kommission wird zwar auch auf den Beschluss des BVerfG vom 29. April 2021 eingegangen, in welchem das BVerfG zwei Vollstreckungsanträge abgelehnt hat, dies hebe dennoch den Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des EU-Rechts nicht auf. Mit Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens kann Deutschland nun innerhalb von zwei Monaten zu den Vorwürfen der EU-Kommission Stellung nehmen. Am gleichen Tag hat die EU-Kommission in einer Pressemitteilung auch weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Mitgliedsstaaten u.a. wegen Umwelt-, Migrations- und Datenschutzrechts sowie aus dem Bereich Justiz kommuniziert.
Rechtsstaatlichkeitsbericht 2020: EU-Parlament übt Kritik – EP
Der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIBE) hat am 3. Juni 2021 mit breiter Mehrheit einen Initiativbericht (in Englisch) angenommen, der eine Bilanz zum Rechtsstaatlichkeitsbericht 2020 der EU-Kommission zieht (vgl. EiÜ 32/20). Der Ausschuss kritisiert hierin sowohl die unzureichende Implementierung der in Art. 2 EUV verankerten demokratischen und grundrechtlichen Unionswerte als auch den Alleingang der EU-Kommission in der Entwicklung ihrer Methodik ohne Einbeziehung des EU-Parlaments und anderer Interessengruppen. In Bezug auf den anwaltlichen Beruf erwähnt der Bericht die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Anwaltschaft als unabdingbare Voraussetzung für ein faktisch unabhängiges Justizsystem. Es wird bemängelt, dass der Rechtsstaatlichkeitsbericht 2020 die Ausbildung der Rechtsanwälte nicht erwähnt, obwohl erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Beteiligung hieran bestehen. Über den Initiativbericht wird voraussichtlich in der Plenarsitzung des EU-Parlaments am 23. und 24. Juni 2021, pünktlich vor der geplanten Veröffentlichung des Rechtsstaatlichkeitsberichts 2021 im Juli, abgestimmt. Die Wichtigkeit der Aussagen des Berichts wird zudem von der am 10. Juni 2021 angenommenen Entschließung des EU-Parlaments zur Lage der Rechtsstaatlichkeit unterstrichen, die u. a. eine Aufforderung an die EU-Kommission enthält, vor dem Hintergrund der Gefahr einer ungerechten Verteilung der EU-Haushaltsmittel schnellstmöglich entsprechende Maßnahmen im Hinblick auf schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedstaaten zu ergreifen. In Betracht kommen beispielsweise Maßnahmen auf Grundlage von Art. 7 EUV sowie die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV.
EU-Parlament fordert verstärkte Maßnahmen gegen Cyberattacken – EP
Mit einer überwältigenden Mehrheit hat das EU-Parlament am 10. Juni 2021 einen Entschließungsantrag als Reaktion auf die im Dezember 2020 von der EU-Kommission vorgestellte Cybersicherheitsstrategie der EU für die digitale Dekade angenommen (vgl. EiÜ 11/21). Darin fordert das EU-Parlament verstärkte Sicherheitsmaßnahmen gegen Cyberangriffe auf vernetzte Geräte und Betriebssysteme, deren Zahl stetig zunimmt. Es erachtet hierfür eine Harmonisierung der im Bereich der Cybersicherheit noch sehr uneinheitlichen nationalen Gesetze als unabdingbar, um einer Fragmentierung des EU-Binnenmarkts entgegenzuwirken. Die auf Unionsebene erarbeitete Gesetzgebung soll daher bis 2023 verbindliche Anforderungen an die Cybersicherheit für Apps, Software und Betriebssysteme vorsehen. Hintergrund ist die Zunahme sog. hybrider Bedrohungen, also Aktivitäten feindlicher staatlicher und nicht-staatlicher Akteure zur Durchsetzung eigener Interessen, wie Desinformationskampagnen und Cyberattacken, gegen demokratische Einrichtungen und wirtschaftliche Prozesse, wie auch die jüngsten Cyberangriffe auf kritische EU-Infrastrukturen zeigen. Die COVID-19-Krise hat ebenfalls durch die wachsende Abhängigkeit von digitalen Technologien die Schwachstellen vieler gefährdeter Sektoren, wie dem Gesundheitswesen, offengelegt und den Handlungsbedarf in diesem Bereich verstärkt.
Kostenloses Webinar zum Thema Geldwäscheprävention – CCBE/ELF
Der Dachverband der europäischen Anwaltschaften (CCBE) veranstaltet am 28. Juni 2021 eine kostenlose Tagung zur Geldwäscheprävention, die sich überaus praxisrelevanten Themen wie etwa dem Umgang mit dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer, dem Know-Your Customer-Prinzip, Sanktionen und Umgang mit dem Berufsgeheimnis bei der Überprüfung der Angaben von Mandanten widmet. Auch die grenzüberschreitenden Bezüge, das Spannungsverhältnis zum Datenschutz sowie Fälle aus der Praxis werden thematisiert. Die Teilnahme ist kostenlos und das Webinar findet auf Englisch statt. Für die Anmeldung und Einwahldaten genügt es, dass Sie Ihre Mailadresse bis zum 18. Juni 2021 per Mail an wyrobek@eu.anwaltverein.de übermitteln.
Veranstaltungshinweis zum Europäischen Wirtschaftsgesetzbuch – DAV
Am 2. Juli 2021 von 15.00 – 17.00 Uhr findet eine von unserem Auslandsverein DAV Strasbourg organisierte Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Auf dem Weg zum Europäischen Wirtschaftsgesetzbuch“ statt. Das Projekt des europäischen Wirtschaftsgesetzbuchs wurde 2016 durch die Association Henri Capitant in Zusammenarbeit mit der Mercator Stiftung und unterstützt durch die Stiftung für das kontinentale Recht ins Leben gerufen. In 12 thematischen Arbeitsgruppen haben Rechtsexperten aus verschiedenen Ländern Legislativvorschläge für die einzelnen Kapitel des Wirtschaftsgesetzbuches erarbeitet, die nun vorgestellt werden sollen. Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie auf folgender Seite.
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