EiÜ 24/2021
Beginn der slowenischen Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2021 – Rat
Als Nachfolger von Portugal übernimmt Slowenien ab dem 1. Juli 2021 für die zweite Jahreshälfte den Vorsitz im Rat. Die slowenische Ratspräsidentschaft und deren Programm stehen dabei unter dem Motto „Together. Resilient. Europe.“ Auf dem Europäischen Rat am 24. Juni 2021 hat der slowenische Außenminister einige der Prioritäten der Ratspräsidentschaft vorgestellt. Diese liegen u.a. in der Stärkung der sozialen und wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit der EU als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, der Wahrung der Sicherheit und Stabilität in der europäischen Nachbarschaft sowie der Fortführung des EU-Erweiterungsprozesses, insbesondere mit den westlichen Balkanstaaten. Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas wird Slowenien mit den EU-Institutionen zudem wichtige Debatten zu den künftigen Herausforderungen der EU führen. Trotz wachsender Kritik wegen Angriffen auf die Pressefreiheit und die Justiz in Slowenien wird betont, dass die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der europäischen Werte ein Kernanliegen der Ratspräsidentschaft ist. Auch im Bereich der Justiz hat sich die Ratspräsidentschaft ambitionierte Ziele gesetzt. So sollen u.a. die Verhandlungen um den Verordnungsvorschlag zu E-Evidence sowie um den Verordnungsvorschlag zu e-Codex zeitnah abgeschlossen werden und Schlussfolgerungen zu Kinderrechten vorgestellt werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt wenig überraschend auch auf der Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Hierzu ist für den 20. Juli 2021 eine Konferenz geplant, die sowohl die europäische als auch die internationale Perspektive auf KI zum Thema haben wird.
Angemessener Datenschutz im Vereinigten Königreich – KOM
Die EU-Kommission hat am 28. Juni 2021 zwei Beschlüsse gefasst, die dem Vereinigten Königreich ein ausreichendes Datenschutzniveau attestieren und somit von nun an einen Austausch personenbezogener Daten zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ermöglichen. Sowohl die Datenschutzgrundverordnung 2016/679/EU als auch die Richtlinie 2016/680/EU zum Datenschutz zu Strafverfolgungszwecken erfordern solche Beschlüsse für den Austausch von Daten mit Drittstaaten, wozu seit dem Brexit auch das Vereinigte Königreich gilt. Das EU-Parlament hat im Mai 2021 die EU-Kommission noch dazu aufgerufen, die ersten Beschlussentwürfe nochmal zu überarbeiten (vgl. EiÜ 18/21). Kritikpunkte waren u.a. der fehlende Schutz bei weiterführenden Datentransfers in andere Drittstaaten wie z.B. die USA sowie auch Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung. In den nun angenommenen Beschlüssen greift die EU-Kommission einige der Bedenken auf und begrenzt den zeitlichen Anwendungsbereich der Beschlüsse auf vier Jahre. Dies soll ermöglichen, nach Ablauf der Zeit erneut evaluieren zu können, ob das Datenschutzniveau auch weiterhin mit dem der EU vergleichbar ist. Zudem sind Datenübermittlungen zum Zwecke der Einwanderungskontrolle von den Beschlüssen ausgenommen. Es bleibt abzuwarten, ob die Beschlüsse Gegenstand einer Befassung durch den EuGH werden und ein mögliches „Schrems-III-Urteil“ zur Folge haben.
Leitlinien zum Rechtsstaatlichkeitsmechanismus überflüssig – EP
Der Haushalts- und Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments erachten die von der Kommission geplanten Leitlinien zur Anwendung der Verordnung 2020/2092/EU zum Schutz des EU-Haushalts als nicht notwendig. Dies erklärten die federführenden Ausschüsse in einem Initiativbericht (in Englisch) vom 1. Juli 2021. Die bereits am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Verordnung enthält den sog. Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, der die Auszahlung von EU-Haushaltsmitteln abhängig von der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten macht und von dem die Kommission bislang noch keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. EiÜ 23/21). Laut dem Initiativbericht ist der Verordnungstext jedoch bereits eindeutig genug, sodass es keiner konkretisierender Leitlinien zur Anwendung des Mechanismus bedarf. Die besorgniserregende Situation in einigen Mitgliedsstaaten verlangt vielmehr die sofortige Einleitung von Untersuchungen möglicher Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit. Bis Oktober 2021 soll die Kommission dem Parlament über die eingeleiteten Verfahren berichten. Im Falle der anhaltenden Untätigkeit der Kommission kündigten die Abgeordneten bereits die Einleitung eines Gerichtsverfahrens nach Art. 265 AEUV an (vgl. EiÜ 21/21). Die Abstimmung zum Initiativbericht im gesamten EU-Parlament findet im Rahmen der Plenarsitzung vom 5. bis 8. Juli 2021 statt.
Regulierung von privater Prozessfinanzierung auf EU-Ebene? – EP
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) diskutierte am 28. Juni 2021 einen Berichtsentwurf (in Englisch) mit Empfehlungen an die EU-Kommission zur verantwortungsvollen privaten Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten. Damit soll auf die innerhalb der EU zunehmende Praxis der Prozessfinanzierung durch am Verfahren unbeteiligte Dritte reagiert werden. Private Prozessfinanzierer verfolgen dabei nach Auffassung des Berichterstatters Axel Voss (EVP) meist überwiegend eigene wirtschaftliche Interessen, was die Gefahr der finanziellen Bereicherung zu Lasten der oftmals schutzbedürftigen Kläger nahelegt. Der Rechtsausschuss fordert die EU-Kommission im Berichtsentwurf daher auf, einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Regulierung der Prozessfinanzierung durch Dritte vorzulegen und gibt Empfehlungen für ein Regulierung-, Aufsichts- und Beschwerdesystem. Als Maßnahmen werden u. a. die Einführung von Mindeststandards und treuhänderischen Sorgfaltspflichten sowie die grundsätzliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Finanzierung bis zum Abschluss des Verfahrens vorgeschlagen. Zudem sollen Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten eingeführt werden, gerade wenn Beziehungen zwischen den Prozessfinanzierern und anderen Prozessbeteiligten, wie Anwaltskanzleien, bestehen. Bis zum 12. Juli 2021 können Änderungsanträge zu diesem Bericht eingebracht werden.
Umsetzung von EGMR-Urteilen: Neue Länder-Factsheets – EGMR
Einen wichtigen Bestandteil der Informationsmaterialien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) stellen die regelmäßig veröffentlichten EGMR-Factsheets dar. Sie bieten gerade auch Anwältinnen und Anwälten einen schnellen und praxisnahen Überblick zur Rechtsprechung des EGMR – sowohl zu den einzelnen 47 Mitgliedsstaaten der EMRK als auch zu bestimmten Themenschwerpunkten. Nun hat der EGMR die aktuellen Länder-Factsheets um zusätzliche Informationen zum Stand der Umsetzung von EGMR-Urteilen ergänzt. Neben dem umfassenden Überblick über die wichtigsten Aspekte, die sich aus Urteilen und Entscheidungen des EGMR ergeben, wird so nun auch über den Stand der Vollstreckung sowie über durch die Urteile angestoßenen Reformen und andere wichtige Errungenschaften, die sich aus der Umsetzung von EGMR-Urteilen in den einzelnen Ländern ergeben, informiert. Zudem enthalten sie einen kurzen Überblick über die wichtigsten Fragen, die noch vom für die Überwachung der Umsetzung zuständigen Ministerkomitee geprüft werden. Die Fälle sind aufgeteilt in "Leitfälle", die neue strukturelle oder systemische Probleme aufzeigen, und Wiederholungsfälle, mit denen sich der EGMR bereits zuvor thematisch befasst hat. Die Anzahl der Factsheets zu bestimmten Themenschwerpunkten steigt ebenfalls kontinuierlich an und umfasst derzeit unter anderem Zusammenfassungen der EGMR Rechtsprechung zu den Themen Unabhängigkeit der Justiz, Meinungsfreiheit und Umweltrecht.
Entlassung von Richtern in Polen menschenrechtswidrig – EGMR
Die Entscheidung eines Exekutivorgans zur Entlassung von Richtern muss gemäß dem in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten Recht auf Zugang zu einem Gericht gerichtlich überprüfbar sein. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 29. Juni 2021 in den Rs. 26691/18 und 27367/18 (in Französisch). Zugrunde liegt die Beschwerde zweier ehemaliger Vizepräsidenten eines polnischen Landgerichts, die aufgrund einer Entscheidung des Justizministers im Rahmen der Justizreform in Polen auf Grundlage eines Gesetzes vom 12. Juli 2017 vorzeitig aus ihren Ämtern entlassen wurden. Ihnen stand kein Rechtsbehelf zur Anfechtung dieser Entscheidung zur Verfügung. Angesichts der hohen rechtsstaatlichen Bedeutung der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz sind nach den Ausführungen des Gerichtshofs allerdings gewisse Verfahrensgarantien zum Schutz der Judikative vor willkürlichen Entscheidungen der Exekutive notwendig. Dies gilt insbesondere, wenn es wie hier um die Beendigung der Laufbahn eines Richters geht. Vorliegend fand jedoch weder eine ex ante-Kontrolle der Entlassungsbeschlüsse statt, noch existierte die Möglichkeit einer nachträglichen Rechtmäßigkeitsprüfung. Die Entscheidung stand zudem gänzlich im Ermessen des Justizministers, ohne dass er an inhaltliche oder verfahrensmäßige Bedingungen gebunden gewesen wäre. Der Gerichtshof äußerte daher Zweifel an der Vereinbarkeit des als Rechtsgrundlage dienenden Gesetzes mit den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit.
Europa im Überblick macht Sommerpause – DAV
Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich die EiÜ in die Sommerpause. Die nächste Ausgabe wird voraussichtlich in der ersten Septemberwoche 2021 erscheinen. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern einen erholsamen Sommer und bleiben Sie gesund!
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