EiÜ 30/2021
Produktsicherheit zukunftstauglich gestalten – IMCO
Die EU-Produktsicherheitsvorschriften sollen künftig auch an Online-Märkte angepasst sein und Cybersicherheitsrisiken sollen angegangen werden. Dies ist sind nur zwei der Ziele, die die Kommission mit ihrem am 30. Juni 2021 veröffentlichten Vorschlag für eine Produktsicherheitsverordnung COM(2021)346 verfolgt. Die neue Verordnung wird die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG ersetzen, um sich mit Herausforderungen etwa bzgl. Produkten mit neuen Technologien zu befassen. Die Verordnung wird als Sicherheitsnetz für alle Verbraucherprodukte dienen und basiert auf dem Vorsorgeprinzip. Sie verbessert überdies die Marktüberwachung gefährlicher Produkte in der EU und macht deren Rückrufe effektiver. Für nicht harmonisierte Produkte, bei denen weder Hersteller noch Händler in der Europäischen Union niedergelassen sind, wird die Anforderung eingeführt, dass eine Person in der Union für das Produkt haftbar sein muss. Die Vorschlag sieht zudem Rechtsbehelfe für Verbraucher und bestimmte Kriterien für Höchststrafen bei Verstößen vor. Am 27. September 2021 fand im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) eine erste Aussprache mit der Berichterstatterin Dita Charanzová (Renew) statt, die ihren Berichtsentwurf Mitte November 2021 vorlegen will.
Digital Services Act: Verhandlungen im Parlament schreiten fort – EP
Im zuständigen Binnenmarktausschuss (IMCO) des EU-Parlaments haben die Verhandlungen zum Digital Services Act begonnen. Die EU-Kommission hatte im Dezember 2020 einen Verordnungsvorschlag COM(2020) 825 vorgelegt (vgl. EiÜ 1/21). Nachdem der IMCO-Ausschuss im Mai 2020 einen ersten Berichtsentwurf erarbeitet hatte, wurden über 2000 Änderungsvorschläge eingebracht (s. hier unter Documentation gateway - EP). Zudem erwartet der Ausschuss noch Stellungnahmen von sechs weiteren Parlamentsausschüssen, die sich zum Verordnungsvorschlag äußern wollen, da bislang nur der Innenausschuss (LIBE) eine Stellungnahme abgegeben hat. Zur Diskussion stehen insb. Fragen der Produktsicherheit, der Regulierung bzw. des Verbotes von gezielter Werbung, der Kontrolle von Algorithmen und der Qualifikation von sog. vertrauensvollen Hinweisgebern. Hiermit sind Stellen gemeint, deren Meldungen zu angeblich illegalen Inhalten auf Plattformen von den Plattformen als vorrangig zu behandeln sind. Weiterhin werden regulatorische Erleichterungen für kleinere und mittlere Unternehmen erwogen. Dies hat auch der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 34/21 zum Digital Services Act angemahnt (vgl. EiÜ 18/21). Voraussichtlich am 8. November 2021 wird über den Bericht abgestimmt.
Parlament nähert sich Position zum Digital Markets Act – EP
Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des EU-Parlaments hat am 27. September 2021 über die mehr als 1000 Änderungsanträge (zu finden hier, hier, hier und hier) zu der Verordnung über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Digital Markets Act) beraten (vgl. EiÜ 17/21). Die Europäische Kommission hatte dazu am 15. Dezember 2020 zunächst ihren Verordnungsvorschlag COM(2020) 842 unterbreitet (vgl. EiÜ 01/21), bevor der Berichterstatter des EU-Parlaments Andreas Schwab einen Berichtsentwurf verfasste. Der Digital Markets Act soll der Kommission besondere Befugnisse gegen eine missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht durch große Internetplattformen, sog. Gatekeeper, einräumen. Diese werden als Anbieter digitaler Dienste definiert, die bestimmte Schwellenwerte bezüglich des Umsatzes und der Marktkapitalisierung erreichen. Im Wesentlichen waren sich sowohl der Berichterstatter als auch die Ausschussmitglieder über die grundsätzliche Notwendigkeit einer solchen Regulierung einig. Noch zu überwindende Differenzen traten bei der Frage von möglichen Kompetenzen nationaler Behörden neben denen der Europäischen Kommission sowie bei der Definition des Zentralbegriffs Gatekeeper zutage. Dazu und zu der problematischen Entrückung des Digital Markets Acts aus dem Kartellrecht hat der DAV bereits eine Stellungnahme abgegeben (vgl. EiÜ 18/21). Der Berichterstatter Andreas Schwab strebt eine zügige Einigung bis zu der nächsten Ausschusssitzung in der kommenden Woche an und erwartet eine Abstimmung seines Berichtsentwurfs für November 2021.
Das einheitliche Patentgericht kann endlich kommen – Bundesregierung
Die Bundesregierung hat am 27. September 2021 das Protokoll über die vorläufige Anwendung zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPÜG) ratifiziert. Damit kann das einheitliche europäische Patentsystem mit einem neu gegründeten einheitlichen Patentgericht im Jahr 2022 voraussichtlich an den Start gehen. Dieses Projekt wird vom DAV weiterhin nachdrücklich unterstützt (vgl. DAV-Stellungnahme Nr. 46/20; EiÜ 26/20). Die EU-Verordnungen Nr. 1257/2012 und Nr. 1260/2012 zur Schaffung des einheitlichen Patentsystems, an dem 25 EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, sind bereits 2013 in Kraft getreten, gelten aber ab dem Tag des Inkrafttretens des EPÜG. Hierfür ist u.a. die Ratifikation Deutschlands als einem der drei Mitgliedstaaten mit den meisten erteilten Patenten erforderlich. Auf Basis des Protokolls über die vorläufige Anwendung zum EPÜG können wichtige organisatorische Schritte im Hinblick auf das einheitliche Patentgericht, wie die Ernennung von Richtern und die Verabschiedung einer Verfahrensordnung vollzogen werden. Nachdem das BVerfG im Juni 2021 zwei Eilanträge gegen die Errichtung des Patentgerichts als unzulässig abgelehnt und damit den Weg zur Ratifizierung des EPÜG frei gemacht hatte (Az. 2 BvR 2216/20 u.a.), wird die endgültige Ratifizierung des Abkommens durch Deutschland bis Mitte 2022 erwartet.
Initiativbericht zum grenzüberschreitenden Vereinsrecht– JURI
Der Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments hat am 30. September 2021 über einen Berichtsentwurf von Sergey Lagodinsky zum grenzüberschreitenden Vereinsrecht diskutiert. Der Entwurf fordert die EU-Kommission dazu auf, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der Vereinigungen und gemeinnützigen Organisationen eine einheitliche Rechtsform auf Unionsebene ermöglicht. Der derzeitige Rechtsrahmen auf Unionsebene reiche nicht aus, um eine starke gesamteuropäische Zivilgesellschaft zu unterstützen, deren Existenz für die Demokratie notwendig sei. Daher bedürfe es einer neuen Rechtsform, nämlich die der Europäischen Vereinigung, einschließlich von Regeln für ihre Gründung und Leitung. Der Berichtsentwurf wurde in der Ausschuss-Sitzung überwiegend positiv bewertet. Einige Parlamentarier forderten, dass Aspekte wie z.B. Spenden- und Besteuerungsfragen einer tiefergehenden Begutachtung unterzogen werden müssten. Änderungsvorschläge können noch bis zum 8. Oktober 2021 eingebracht werden.
Gerichtsstand bei nachträglichem Umzug ins Ausland – EuGH
Wo muss eine Bank eine Klage gegenüber einem säumigen Verbraucher erheben, wenn dieser zwischenzeitlich seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt hat? Diese Frage des Vorabentscheidungsersuchens des BGH vom 12. Mai 2020 hat der EuGH nun mit Urteil vom 30. September 2021 (Rs. C-296/20) beantwortet. Der BGH hatte über die Revision der Commerzbank AG zu entscheiden, die den Beklagten vor dem Amtsgericht Dresden auf Zahlung von knapp 4.856,61 € in Anspruch nahm. Dieser verzog vor Klageerhebung indes aus Deutschland in die Schweiz, sodass das AG Dresden sich für unzuständig erklärte. Der Gerichtsstand ist hier nach dem Luganer Übereinkommen von 2007 (LugÜ II) zu bestimmen. Der BGH legte dem EuGH die Frage vor, ob diese Vorschriften dahingehend ausgelegt werden können, dass sie auch Konstellationen erfassen, in denen erst nachträglich ein internationaler Bezug durch den Umzug eines Verbrauchers in das Ausland hinzugetreten ist. Der BGH sowie der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinem Schlussantrag vertraten die Auffassung, dass dieser Auslandsbezug schon bei Vertragsschluss vorliegen müsse. Dem folgte der EuGH indes nicht. Die Verbraucherschutzvorschriften des LugÜ II sind demnach auch dann anzuwenden, wenn ein Auslandsbezug erst nach Vertragsschluss entstanden ist. Der BGH wird nun das Verfahren wieder aufnehmen und die Revision nach Maßgabe der Antwort des EuGH abweisen müssen.
Forderung nach Fortschritten bei Migrationsgesetzgebung – KOM
Die EU-Kommission einen Bericht über Asyl und Migration, einen EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2021-2025) und eine Mitteilung zur Anwendung der Richtlinie über Sanktionen gegen Arbeitgeber (jeweils in Englisch) vorgelegt. Diese Dokumente knüpfen an das vor einem Jahr verabschiedete Asyl- und Migrationspaket an, das u.a. aus 5 Verordnungsvorschlägen besteht (vgl. EiÜ 31/20). Der Aktionsplan einhält ein Bündel von Maßnahmen, die gegen Schleuserkriminalität gerichtet sind. Hierzu gehört bspw. der Vorschlag, das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Belarus teilweise auszusetzen. In dem Bericht zieht die Kommission eine gemischte Zwischenbilanz bzgl. der Fortschritte in der Migrations- und Asylpolitik der vergangenen anderthalb Jahre. Einerseits habe die EU zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Herausforderungen der Migration besser bewältigen zu können. Andererseits ruft sie Parlament und Rat erneut dazu auf, das Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf die Verordnungsvorschläge voranzutreiben, da sich bislang weder Parlament noch Rat auf Verhandlungspositionen hinsichtlich dieser Initiativen einigen konnten. Dass dies zeitnah geschieht, erscheint aber auch aufgrund der starken u.a. durch den DAV geäußerten Kritik an den Gesetzgebungsvorhaben unwahrscheinlich (vgl. EiÜ 26/21; DAV-Pressemitteilung Nr. 29/20 und DAV-Stellungnahme Nr. 08/21).
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