Europa im Überblick, 32/2020

EiÜ 32/2020

Europäische Staatsanwaltschaft eingeschworen – EuStA/EuGH

Generalstaatsanwältin Laura Kövesi und die übrigen 22 Europäischen Staatsanwälte, für Deutschland Andrés Ritter, haben am 28. September 2020 ihre Amtseide vor dem EuGH geschworen (vgl. Pressemitteilung). Sowohl der Präsident des EuGH, Koen Lenaerts, als auch Kövesi betonten in der feierlichen Sitzung, dass die Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) ihre Aufgabe als unabhängige europäische Institution zur Durchsetzung von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit ernst nehme. Die Staatsanwaltschaft wurde errichtet, um Straftaten zulasten des EU-Haushalts zu verfolgen. Kövesi wurde im Oktober 2019 ernannt. Nachdem auch seit Juli 2020 die übrigen Staatsanwälte feststehen, müssen nun noch die delegierten europäischen Staatsanwälte in den 22 partizipierenden Mitgliedsstaaten eingestellt werden. Die Europäische Staatsanwaltschaft soll dann schon Ende 2020 ihre Tätigkeit aufnehmen.

Nominierungen für den Sacharow-Preis bekanntgegeben – EP

Die Nominierungen für den diesjährigen Sacharow-Preis, den Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments, stehen fest. Die Fraktionen EVP, S&D und Renew Europe haben die demokratische weißrussische Opposition nominiert, spezifischer den Koordinationsrat, der diese vertritt, sowie die „mutigen Frauen und Persönlichkeiten aus Politik und Zivilgesellschaft“, die die Opposition leiten. Ähnlich hat die EKR-Fraktion Swetlana Tichanowskaja, die exilierte Oppositionskandidatin, nominiert. Die Fraktion ID hat den Erzbischof von Mosul, Najib Michael Moussa, vorgeschlagen; er rettete 2014 Christen, Syrern und Chaldäern sowie Hunderte von historischen Manuskripten vor den Islamischen Staat. Die Fraktionen Grüne/EFA und GUE/NGL haben Berta Cáceres, eine 2016 ermordete honduranische Umwelt- und Landrechtsaktivistin und eine Gruppe von Umweltaktivisten aus Guapinol (Honduras) nominiert, die immer noch wegen ihrer Beteiligung an einer friedlicher Protestaktion gegen ein Bergbauunternehmen inhaftiert sind. Außerdem hat eine Gruppe von 43 EU-Abgeordneten die Gründer der polnischen Website „Atlas of Hate“ vorgeschlagen; die Seite illustriert polnische Gemeinden, die anti-LGBTI-Resolutionen angenommen haben oder diskutieren. Am 22. Oktober 2020 verkündet die Konferenz der Präsidenten den Preisträger und am 16. Dezember 2020 wird der Preis verliehen.

Prioritäten des EU-Parlaments für den Digital Services Act – EP

Am 28. September wurde über zwei Berichte zu dem geplanten Gesetzesvorschlag über digitale Dienste im Binnenmarktausschuss (IMCO) und Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) abgestimmt. Im IMCO wurden Empfehlungen zu den Bereichen Transparenz, künstliche Intelligenz, Schaffung einer europäischen Regulierungsstelle und Bekämpfung der Verbreitung illegaler Online-Inhalte vorgelegt. Der Bericht von Alex Agius Saliba (S&D, MT), mit über 900 Änderungsanträgen, betont, dass das Prinzip „was offline illegal ist, ist auch online illegal“, sowie Verbraucherschutz und Benutzersicherheit, Leitlinien des Gesetzesvorschlags werden sollen. Im JURI wurde am 1. Oktober über den Bericht von Tiemo Wölken (S&D, DE) abgestimmt, welcher sich auf die Frage konzentriert, wie handels- und zivilrechtliche Vorschriften für online tätige Unternehmen und Plattformen angepasst werden können. Schwerpunkte des geplanten Gesetzesvorschlags müssen laut Wölken beim Schutz der Grundrechte, Maßnahmen gegen Desinformation und Fake-News und Datenschutz liegen, wie er in der Pressekonferenz mitteilte. Bis Jahresende wird die Kommission voraussichtlich ihren Vorschlag für ein Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, vgl. EiÜ 4/20; 3/20; 40/19) vorlegen.

Prioritäten des EU-Parlaments für KI-Regulierung – EP

Am 01. Oktober wurde im Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) über zwei Initiativberichte zum Thema Künstliche Intelligenz (vgl. EiÜ 8/20) abgestimmt. Der erste Bericht von Ibán García Del Blanco (S&D, Spanien) enthält Empfehlungen „zu einem Rahmen für die ethischen Aspekten von künstlicher Intelligenz, Robotik und den damit zusammenhängenden Technologien“. Wichtige Punkte dazu sind die Erstellung einer europäischen Zertifizierung der Einhaltung ethischer Grundsätze sowie einer Europäischen Agentur für KI. Zu den Haftungsfragen im Zusammenhang mit KI äußert sich der Bericht von Axel Voss (EVP, DE). Das europäische Haftungsregime sei bereits funktionsfähig, weshalb es nur kleiner Änderungen in Bezug auf KI bedürfe. Betreiber von KI-Systemen sollen für den von ihnen verursachten Schaden haftbar gemacht werden. Dabei unterscheidet Voss zwischen Hochrisiko- und allen anderen KI-Systemen. Nur die Hochrisikosysteme sollen dann unter strenge Haftungsregeln fallen.

CSR: Unternehmerische Verantwortung soll EU-Sache werden – EP

Die Einhaltung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten soll harmonisiert werden. Dies sieht der Berichtsentwurf zur Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen vor, den Lara Wolters (S&D, NL) am 28. September 2020 im Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) vorgestellt hat. Gefordert wird eine Richtlinie, die darauf abzielt, negative Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Menschenrechte, Umwelt und verantwortungsvolle Staatsführung in der gesamten Wertschöpfungskette zu verhindern. Ferner soll sichergestellt werden, dass Unternehmen für Verstöße zur Rechenschaft gezogen werden und Geschädigte ihr Recht auf Abhilfe ausüben können. Die im JURI vorgestellte Studie zur Umsetzung von sozialer Verantwortung der Unternehmen im EU-Gesellschaftsrecht (noch nicht veröffentlicht) stützt die Notwendigkeit eines solchen Regelwerks und zeigt, dass zwar vereinzelt verpflichtende Regelungen in Kraft sind, in einigen Mitgliedsstaaten jedoch hierzu überhaupt nicht reguliert wird. Eine sektorübergreifende, europaweite Richtlinie sei ferner wichtig, um verantwortungsbewusste Unternehmen im Wettbewerb nicht zu benachteiligen. Darüber hinaus ist eine Bewertung des europäischen Mehrwerts der Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen geplant.

Rechtsstaatlichkeitsbericht: gutes Zeugnis für Deutschland – KOM

Der erste jährliche Rechtsstaatlichkeitsbericht der Kommission, der am 30. September 2020 vorgestellt wurde, zeichnet insgesamt ein gutes Bild für Deutschland. Als vorbeugender Mechanismus soll der Bericht fortan den Dialog über Rechtsstaatlichkeit in der EU stärken. Anhand von vier Säulen – der Unabhängigkeit der Justiz, Korruptionsbekämpfung, Medienvielfalt und Gewaltenteilung – wurde dabei untersucht, wie es um die Demokratien in den EU-Ländern steht. Einige Länder schnitten dabei deutlich schlechter ab. So wurde Polen und Ungarn ein besorgniserregendes Zeugnis seitens der Kommission ausgestellt. Der Bericht zeigt jedoch auch, dass letztlich alle Mitgliedsstaaten Defizite aufweisen. Obwohl Deutschland in seinem Länderbericht allgemein gut abgeschnitten hat, fielen etwa das politische Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten, die zunehmende Verfahrensdauer vor deutschen Gerichten und ein fehlendes Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung von Gesetzen negativ auf – Punkte, die der DAV in Rahmen der Konsultation auch gerügt hatte. Über die jeweiligen Länderberichte soll nun auf Ratsebene gesprochen werden. Ferner wird mit dem EU Parlament über eine Verknüpfung zwischen Rechtsstaatlichkeit und finanziellen Mitteln verhandelt.

Mehr europäische Frauen in Führungspositionen gefordert – EP

EU Parlament und Kommission möchten erwirken, dass mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen repräsentiert werden. Am 21. September 2020 fand dazu eine gemeinsame Anhörung des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) und des Rechtsausschusses (JURI) statt. Bereits vor acht Jahren war der Richtlinienentwurf COM(2012) 614 zu Frauen in Aufsichtsräten veröffentlicht worden, doch der Rat blockiert die Verhandlungen seither – auch mithilfe Deutschlands. Daher wurde insbesondere an die Repräsentantin der derzeitigen Ratspräsidentschaft appelliert, die deutsche Schlüsselrolle zu nutzen, um diese Blockade noch in der Amtsperiode zu lösen. Juliane Seifert zeigte sich des Problems bewusst und erklärte, dass sie und Franziska Giffey bereits im engen Dialog mit den die Sperrminorität bildenden Mitgliedsstaaten stünden. Begünstigt werde ihre Position durch die Erfolge, die das bereits 2015 in Deutschland erlassene Gesetz zur Gleichberechtigung von Frauen an Führungspositionen erzielt habe. Sie zeigten sich optimistisch, dass Deutschlands ablehnende Position aufgebrochen werden könne und so ein verbindliches EU-Rahmenwerk in vielen Mitgliedsstaaten der Gleichstellung den Weg ebnen könne.

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