Europa im Überblick, 34/2021

EiÜ 34/2021

Polen muss tägliches Rekordzwangsgeld zahlen – EuGH

Polen muss künftig ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von einer Millionen Euro zahlen. Dies entschied der EuGH in seinem Beschluss (in Englisch) vom 27. Oktober 2021 in Rs. C-204/21 R. Grund dafür ist die Weigerung Polens, die Tätigkeit der Disziplinarkammer einzustellen. Diese hatte entgegen des Urteils des EuGH vom 15. Juli in der Rechtssache C-719/19 und trotz einstweiliger Anordnung in der Rechtssache C-791/19 R ihre Tätigkeit fortgeführt (vgl. EiÜ 14/20; 25/21). Die Kammer ist nach Ansicht des Gerichtshofs nicht mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar (vgl. EiÜ 25/21). Die EU-Kommission hatte im Juli bereits ein Ultimatum an Polen gestellt. Im September verwies sie die Angelegenheit nach weiterer Untätigkeit Polens sodann an den EuGH, um die Höhe der Geldbuße zu ermitteln (vgl. EiÜ 27/21). Die Gelder werden sofort nach Erhalt des Urteils fällig. Die Zahlungsverpflichtung besteht solange fort, wie die Disziplinarkammer tätig ist.

Virtuelle Konferenz zum Digital Markets Act am 9. November 2021 – DAV

Wie bereits in der letzten EiÜ angekündigt, organisiert der Europa-Ausschuss des DAV am 9. November 2021 eine hochkarätig besetzte virtuelle Veranstaltung zum Digital Markets Act. Als Moderator konnte Hendrik Kafsack (FAZ) gewonnen werden. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Pandora Papers: Berufsgeheimnis-Leitlinien gefordert EP

Das Plenum des EU-Parlaments hat am 21. Oktober 2021 eine Entschließung mit dem Titel „Pandora Papers: Konsequenzen für die Bemühungen um die Bekämpfung von Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung“ angenommen. Es befindet darin, die Selbstverwaltung und Geldwäscheaufsicht sei u.a. bei Rechtsanwälten nicht effizient und das Berufsgeheimnis dürfe nicht zur Verdeckung illegaler Praktiken dienen. Die Kommission wird aufgefordert, Leitlinien zum anwaltlichen Berufsgeheimnis vorzulegen. Der DAV warnt nachdringlich und beständig davor, im Kampf um mehr Steuertransparenz und gegen Geldwäschepraktiken rechtsstaatliche Errungenschaften wie die durch die Selbstverwaltung gewährleistete Unabhängigkeit der Anwaltschaft und das Berufsgeheimnis in Frage zu stellen (vgl. EiÜ 36/17; EiÜ 44/17).

Europäisches Parlament stimmt für neues Europol-Mandat – EP

Das Plenum des EU-Parlaments nahm am 21. Oktober 2021 den Bericht (in Englisch) zur Europolverordnung endgültig an, wonach Europol die Befugnis verliehen werden soll, Daten mit privaten Unternehmen auszutauschen sowie Ausschreibungen in das Schengener Informationssystem (SIS) aufzunehmen (vgl. EiÜ 32/21). Der DAV hatte sich bereits zu dem ursprünglichen Verordnungsvorschlag der Kommission im Hinblick auf die Wahrung des Datenschutzes und der persönlichen Privatsphäre kritisch geäußert (vgl. Stellungnahme Nr. 31/2021). Nun können die interinstitutionellen Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission beginnen.

Rückführungsrichtlinie: Effektiver Rechtsbeistand gefordert – DAV

In der Praxis zeigt sich sehr häufig, dass von Abschiebungshaft betroffene Personen nicht in der Lage sind, sich sachdienlich und wirksam gegen die Freiheitsentziehung zu verteidigen. Der Deutsche Anwaltverein hat daher durch seinen Migrationsrechtsausschuss – in Ergänzung zur DAV-Stellungnahme 61/2018 – eine erneute Stellungnahme Nr. 55/2021 zum Vorschlag der Rückführungsrichtlinie COM (2018) 634 final abgegeben (vgl. auch EiÜ 32/18, 16/19, 25/20). In der Stellungnahme regt der DAV zur Sicherung eines rechtsstaatlichen Haftverfahrens dringend an, vor der Inhaftnahme, mindestens jedenfalls innerhalb des Zeitraums, in dem eine rechtliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung herbeizuführen ist, der betroffenen Person für diese unentgeltlichen Rechtsbeistand zu gewährleisten. Nur so kann die individuelle Situation der Person berücksichtigt werden und die Person effektiven Zugang zum Recht erhalten. Für vermögenslose Personen sollte die Gewährung eines Rechtsbeistands zudem nicht von der Erfolgsaussicht der Verteidigung abhängig gemacht werden. Artikel 13 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie sollte daher auch auf Art. 15 der Rückführungsrichtlinie für anwendbar erklärt werden mit der Maßgabe, dass Artikel 15 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU nicht anwendbar ist.

Recht auf Anhörung bei Vollstreckung europäischer Haftbefehle – EuGH

Der EuGH konkretisierte am 26. Oktober 2021 in seinem Urteil in der verbundenen Rs. C‑428/21 PPU und C‑429/21 PPU, die Maßstäbe bei der Vollstreckung europäischer Haftbefehle. Dem Urteil liegt ein Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Amsterdam zugrunde. Die vorlegenden Gerichte erkundigten sich insbesondere danach, in welchem Mitgliedstaat die übergebene Person die Möglichkeit haben muss, ihr Recht auf Anhörung auszuüben und auf welche Weise dieses Recht ausgeübt werden kann, falls die Ausübung im Vollstreckungsmitgliedstaat zu erfolgen hat. Der EuGH entschied, dass eine Person, die der ausstellenden Justizbehörde in Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls übergeben worden ist, ein Recht auf Anhörung durch die vollstreckende Justizbehörde hat, wenn letztere Behörde von der ausstellenden Justizbehörde mit einem Ersuchen um Zustimmung im Sinne des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl 2002/584 befasst wird. Die Mitgliedstaaten behalten bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2002/584 entsprechend ihrer Verfahrensautonomie die Möglichkeit, in dieser Hinsicht Vorschriften zu erlassen, die von einem Mitgliedstaat zum anderen verschieden sein können.

Einziehung auch bei prozessfremden Straftaten – EuGH

In seiner Entscheidung vom 21. Oktober 2021 stärkte der EuGH (Rs. C-845/19) die Zugriffsmöglichkeiten der Justiz auf das Vermögen von Straftätern. Der Entscheidung liegt ein Vorabentscheidungsersuchen eines bulgarischen Gerichts zugrunde. Dieses verurteilte zwei bulgarische Staatsangehörige wegen unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes, lehnte jedoch eine Einziehung des in der Wohnung der Angeklagten befindlichen Bargelds mit der Begründung ab, dass durch den konkreten Betäubungsmittelbesitz noch kein wirtschaftlicher Vorteil erlangt worden sei. Zudem trugen die Angeklagten vor, dass sie nicht Eigentümer des Geldes seien. Der EUGH entschied daraufhin, dass die EU-Richtlinie 2014/42/EU so auszulegen sei, dass die Justiz auch Vermögen von Straftätern einziehen kann, die aus anderen, nicht dem konkreten Prozess zugrundeliegenden, Straftaten stammen, sofern diese hinreichend nachweisbar sind. Den Kriminellen ist damit die Möglichkeit genommen, die Beute durch Weitergabe an Dritte zu sichern. Die vermeintlichen Eigentümer haben jedoch ein Recht auf Anhörung im Strafprozess.

In eigener Sache – DAV

Aufgrund der Gerichtsferien des EuGH und der sitzungsfreien Woche des EU-Parlaments erscheint unser nächster „Europa im Überblick“-Newsletter erst am 12. November 2021.

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