Europa im Überblick, 37/2020

EiÜ 37/2020

Kommission gegen Polen – nächster Schritt – KOM

Die EU-Kommission hat am 30. Oktober 2020 mit ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme den nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde am 29. April 2020 als Reaktion auf das am 14. Februar 2020 in Kraft getretene Justizgesetz in Polen, das laut Kommission die Unabhängigkeit der Richter untergräbt und nicht mit dem Vorrang des EU-Rechts vereinbar ist, eingeleitet (vgl. EiÜ 6/20, 2/20). Aus Sicht der EU-Kommission hatte die polnische Regierung in ihrem Antwortschreiben nicht die Bedenken seitens der Kommission aus dem Aufforderungsschreiben ausgeräumt. Die polnische Regierung hat nun wiederum  zwei Monate Zeit, um die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Danach kann die EU-Kommission das Verfahren an den Gerichtshof der Europäischen Union verweisen. Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit schon mehrfach bezüglich der polnischen Justizreformen Maßnahmen ergriffen (vgl. EiÜ 39/19, 36/19, 25/19). So hatte eine einstweilige Anordnung seitens des EuGH im April 2020 unter anderem zu einer Aussetzung der Nutzung der umstrittenen Disziplinarkammern gegen Richter geführt (vgl. EiÜ 14/20, 41/19). Auch in dem Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen im Rahmen des ersten Rechtsstaatlichkeitsberichts wird zuletzt ein kritisches Bild im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz gezeichnet.

Stellungnahme zum Urheberrecht: Balanceakt bei der Umsetzung! – DAV

In der Stellungnahme Nr. 76/20 zu dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes betont der DAV, dass eine ausgewogene Umsetzung aller Interessen notwendig ist. Die Ausschüsse Geistiges Eigentum und IT-Recht des DAV haben sich im Anschluss an die Stellungnahme Nr. 50/20 nun zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes geäußert und befinden, dass es von großer Bedeutung ist, dass bei der Umsetzung der europäischen Regelungen sowohl die Urheberinteressen sowie die nationalen und europäischen Verwerterinteressen angemessen berücksichtigt werden. Zu begrüßen ist weiterhin, dass der Gesetzesentwurf im Grundsatz daran festhält, dass die Urheber und Kreativen sowie die Industrie der Rechteverwerter an der Wertschöpfung, die die Plattformen erzielen, zu beteiligen sind, gleichzeitig aber auch neben der grundsätzlichen Möglichkeit der Lizenzierung die Möglichkeit der Geltendmachung des Verbotsrechts aufrechterhalten bleibt. Ebenso müsse bei der Plattform-Regulierung sichergestellt werden, dass die beteiligten Interessen in einem neuen Kräfte-Parallelogramm aus Urhebern, Rechteverwertern und Nutzern ausgeglichen werden.

COVID-19 und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rat

Das Generalsekretariat des Rates der EU hat mit Hilfe von Eurojust (Agentur der EU für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) und dem EJN (Europäisches Justizielles Netzwerk) die Beeinträchtigungen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen durch Corona-Maßnahmen seit März 2020 zusammengefasst. Der Bericht (in Englisch) des Generalsekretariats des Rates vom 30. Oktober 2020 basiert auf den zusammengestellten Informationen aus den einzelnen Mitgliedsstaaten sowie Island und Norwegen. Die Beobachtungen konzentrieren sich u.a. auf die Ausstellung und Durchführung des Europäischen Haftbefehls, die Anträge zur Auslieferung und auf die Europäische Ermittlungsanordnung. Dabei werden keine gravierenden und lediglich vorrübergehende Schwierigkeiten in der strafrechtlichen justiziellen Zusammenarbeit vermerkt. Insbesondere nationale Reisebeschränkungen wie Grenzschließungen oder Flugverbote verlangten in einigen Mitgliedsstaaten eine aufschiebende Umsetzung unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall. Ebenso mussten teilweise bei erforderlichem physischem Kontakt Sondervorkehrungen wie etwa Maskenpflichten oder ein negatives Testergebnis vorgesehen werden. Verzögerungen ergaben sich in vielen Mitgliedsstaaten auch aufgrund der nur eingeschränkt möglichen Arbeit von Gerichten durch Telearbeit. Einige Mitgliedsstaaten konnten nur die dringendsten oder schwerwiegendsten Fälle bearbeiten und griffen auf Alternativen wie beispielsweise Videoanhörungen oder die elektronische Übermittlung von Anträgen zurück. Trotz der uneinheitlichen Einschränkungen und divergierenden Begründungen von Verzögerungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten, ist das  Ausbleiben schwerer Folgen in der Zusammenarbeit zu notieren. Der reguläre Dienst konnte in der Regel nach Lockerung der nationalen Beschränkungsmaßnahmen unproblematisch nachgeholt und wie gewohnt aufgenommen werden.

Schlussfolgerungen zur geplanten Geldwäscheregulierung – Rat

Der Rat für Wirtschaft und Finanzen hat am 4. November 2020 die Schlussfolgerungen (in Englisch) zu Geldwäschebekämpfung und Terrorismusfinanzierung angenommen (vgl. EiÜ 6/20, 4/20, 43/19). In den Schlussfolgerungen wird die Forderung der Kommission nach einer einheitlichen EU-Aufsichtsbehörde für Geldwäsche unterstützt und der Rat fordert die Kommission auf diesen Arbeiten Vorrang einzuräumen. Der Rat betont allerdings, dass die nationalen Aufsichtsbehörden einen wichtigen Beitrag zur Geldwäscheverhinderung leisten. Unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips soll sichergestellt werden, dass der Aufgabenbereich der EU-Aufsichtsbehörde für Geldwäsche tatsächlich einen Mehrwert im Vergleich zu den nationalen Aufsichtsbehörden für Geldwäsche aufweist. Zu bedenken sei, dass der Nicht-Finanzsektor aus einem breiten Spektrum von Berufen bestehe, deren Umfang, berufsrechtliche Anforderungen und Zulassungskriterien nicht harmonisiert sind. Der Rat schlägt vor, dass die Kommission die geplante EU-Aufsichtsbehörde zunächst auf ausgewählte Verpflichte mit besonders hohem Risiko beschränken sollte. Die Kommission soll Schritt für Schritt vorgehen: die Behörde soll zunächst Kreditinstitute, Zahlungsdienste, Wechselstuben, E-Geld-Institute und Anbieter virtueller Währungen überwachen. Der DAV lehnt eine einheitliche EU-Aufsichtsbehörde für die Anwaltschaft ab. Ein Legislativvorschlag zur EU-Aufsichtsbehörde soll nächstes Jahr im ersten Quartal veröffentlicht werden.

Neue Konsultation zum Umweltrecht veröffentlicht - KOM

Im Zuge des europäischen Grünen Deal hat die EU-Kommission auch die Überarbeitung der Århus-Verordnung Nr. 1367/2006 über besseren Zugang zu Gerichten im EU-Umweltrecht ins Auge gefasst. Ziel der Überarbeitung sollte dabei sein, Bürgern und nichtstaatlichen Organisationen wie Umweltverbänden, die Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen von Behörden mit Auswirkung auf die Umwelt haben, den Zugang zu einer verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Überprüfung zu erleichtern. Zu diesem Zweck hat die EU-Kommission nun am 14. Oktober 2020 eine bis zum 10. Dezember 2020 laufende öffentliche Konsultation veröffentlicht. Wie aus der Mitteilung der Kommission hervorgeht, wird durch den neuen Verordnungsvorschlag nichtstaatlichen Organisationen die Möglichkeit eingeräumt, fortan auch die Überprüfung von Verwaltungsakten mit allgemeiner Geltung zu beantragen. Gemäß dem Verordnungsvorschlag sollen demnach außerdem auch alle Verwaltungsakte, die gegen das EU-Umweltrecht verstoßen, unabhängig von ihren politischen Zielen, überprüft werden können. Des Weiteren sollen die Fristen für Anträge und Antworten verlängert werden, um die verfahrenstechnische Qualität der verwaltungsbehördlichen Überprüfung zu verbessern.

Vorschlag für angemessene Mindestlöhne in Europa – KOM

Die EU-Kommission hat einen Richtlinienvorschlag für einen angemessenen europäischen Mindestlohn veröffentlicht. Der Vorschlag möchte einen Rahmen für angemessene Mindestlöhne schaffen, der die Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten und Autonomie sowie Vertragsfreiheit der Sozialpartner im Bereich der Löhne berücksichtigen und widerspiegeln soll. Grundsätzlich gibt es in allen EU-Mitgliedsstaaten Mindestlöhne. In 21 Ländern gibt es gesetzliche Mindestlöhne und in sechs Mitgliedsstaaten (Dänemark, Italien, Zypern, Österreich, Finnland und Schweden) wird der Mindestlohn ausschließlich durch Tarifverträge geschützt. Die Kommission sieht jedoch in den meisten Mitgliedsstaaten eine unzulängliche Angemessenheit und/oder Lücken beim Mindestlohnschutz. Unter anderem sollen Mitgliedsstaaten, in denen die durchschnittliche Tarifbindung unter 70 Prozent liegt, einen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung festlegen. Der Vorschlag zielt weder auf eine EU-weite Harmonisierung der Mindestlöhne noch auf die Schaffung eines einheitlichen Mechanismus zur Festlegung von Mindestlöhnen in den Mitgliedsstaaten ab. Der Mindestlohnschutz wird weiterhin entweder durch Tarifverträge oder durch Rechtsvorschriften unter uneingeschränkter Achtung der nationalen Zuständigkeiten, der nationalen Traditionen und der Tarifautonomie der Sozialpartner gewährt. Der Vorschlag der EU-Kommission wird nun dem EU-Parlament und dem Rat zur Zustimmung vorgelegt und das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet.

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