EiÜ 40/2021
Neue Trioratspräsidentschaft stellt Programm vor – Rat
Am 1. Januar 2022 übernimmt Frankreich den Vorsitz im Rat. Ende Dezember endet nicht nur der Vorsitz Sloweniens, sondern auch die Trioratspräsidentschaft Deutschlands, Portugals und Sloweniens (vgl. EiÜ 25/20). Die neue Trioratspräsidentschaft bestehend aus Frankreich, Tschechien und Schweden hat sich in ihrem Programm ambitionierte Ziele für die nächsten 18 Monate gesetzt. Für die Anwaltschaft ist insbesondere die geplante Vollendung zahlreicher laufender Gesetzgebungsvorhaben von Interesse (Geldwäschepaket, Gesetz über Künstliche Intelligenz, E-Evidence, Gesetze über Digitale Dienste und Digitale Märkte, Stärkung der E-Justiz, neues Migrations- und Asyl-Paket). Auch die EU-Kommission hatte dies in ihrem Arbeitsprogramm 2022 bereits in Aussicht gestellt (vgl. EiÜ 33/21).
Endspurt beim Digital Services Act und Digital Markets Act – EP
Das EU-Parlament hat am 15. Dezember 2021 im Rahmen der Plenarsitzung in Straßburg seinen Bericht zum Gesetzesvorschlag der Kommission (COM(2020) 842 final) über digitale Märkte (DMA) angenommen (vgl. EiÜ 01/21). Der DMA soll der Ausnutzung der Marktmacht durch große Internetplattformen ein Ende setzen. Der angenommene Text erhöht u.a. die Schwellenwerte für den Anwendungsbereich (vgl. EiÜ 37/21). Außerdem hat der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des EU-Parlaments am 14. Dezember 2021 seinen Berichtsentwurf zum Gesetzesvorschlag der Kommission (COM(2020) 825 final) über digitale Dienste (DSA) angenommen (siehe Pressemitteilung). Um mehr Sicherheit im digitalen Raum zu schaffen haben sich die Abgeordneten insbesondere auf strengere Verpflichtungen für große Online-Plattformen zur Entfernung illegaler Inhalte, neue Schadensersatzbestimmungen sowie Transparenzregelungen im Bereich der gezielten Werbung geeinigt. Im nächsten Schritt wird das Plenum des EU-Parlaments im Januar über den DSA-Bericht abstimmen, bevor wie beim DMA die interinstitutionellen Verhandlungen mit dem Rat beginnen können.
Jahresbericht zum Grundrechtsschutz im digitalen Zeitalter – KOM
In ihrem am 10. Dezember 2021 vorgelegten Jahresbericht (in Englisch) zur Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bietet die EU-Kommission einen umfassenden Überblick zum Grundrechtsschutz im digitalen Zeitalter. Sie geht dabei u.a. auf die Kontrolle digitaler Überwachung, die Bewältigung der Herausforderungen der Online-Moderation sowie dem Schutz der Grundrechte beim Einsatz von künstlicher Intelligenz ein. Neben der Veröffentlichung des Berichts hat die Kommission eine Kampagne gestartet, mit der sie die Grundrechtecharta stärker ins öffentliche Bewusstsein bringen möchte.
EU-Kodex zur polizeilichen Zusammenarbeit vorgelegt – KOM
Die EU-Kommission hat am 8. Dezember 2021 den sog. EU-Kodex zur verbesserten polizeilichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität veröffentlicht. (s. Pressemitteilung). Dieser besteht aus drei unterschiedlichen Gesetzgebungsvorschlägen. Eine neue Richtlinie über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten (COM(2021) 782 final) soll Polizeibeamten den gleichen Zugang zu Informationen wie Kollegen in anderen Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen gewährleisten. Ein Verordnungsvorschlag über den automatisierten Austausch für die polizeiliche Zusammenarbeit (COM(2021) 784 final) sieht u.a. eine Ergänzung des automatisierten Datenaustauschs um Gesichtsbilder von Verdächtigen und verurteilten Straftätern vor. Nationale Datenbanken sollen an einen zentralen Router angeschlossen werden. Schließlich befasst sich eine Empfehlung zur operativen polizeilichen Zusammenarbeit (COM(2021) 780 final) mit gemeinsamen Patrouillen und einer gemeinsame Liste von Straftaten, bei denen eine grenzüberschreitende Nacheile möglich ist. Die Richtlinie und die Verordnung werden im nächsten Schritt im Rat und im EP beraten. Die Empfehlung liegt dem Rat zur Erörterung vor.
Konsultation der UN zur Unabhängigkeit der Anwaltschaft – DAV/CCBE
Der DAV hat sich an einer öffentlichen Konsultation des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten, Diego García-Sayán, beteiligt. In Stellungnahme Nr. 59/21 bemängelt der DAV, dass in Deutschland Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zwar weitestgehend unabhängig seien, aber ihre unabhängige Berufsausübung durch einige neue Gesetze (insbesondere im Straf-, Datenschutz- und Sicherheitsrecht) tangiert wird. Der Dachverband der Europäischen Anwaltschaften (CCBE), der das Konsultationsverfahren federführend koordiniert hat, veröffentlichte zudem ein Positionspapier zum kommenden UN-Bericht über den Schutz von Anwältinnen und Anwälten, der in der nächsten Sitzung des UN-Menschenrechtsrats im Juni 2022 vorgestellt wird.
Europäischer Haftbefehl aus Polen wohl weiterhin gültig – EuGH
Kann ein Europäischer Haftbefehl aus Polen noch Gültigkeit beanspruchen, obwohl in Polen systematische Mängel in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz bestehen? Mit dieser Frage befasste sich Generalanwalt Rantos am 16. Dezember 2021 in seinen Schlussanträgen zu den Rs. C-562/21 PPU und C-563/21 C-563/21 PPU. Konkret liegen dem verbundenen Verfahren zwei Vorabentscheidungsersuchen (hier und hier) eines niederländischen Gerichts zugrunde, welches die Vollstreckung eines polnischen Europäischen Haftbefehls unter Berufung auf die Zweifel an der Unabhängigkeit der polnischen Justiz verweigerte. Nach Ansicht des Generalanwalts reichen jedoch Zweifel am polnischen Rechtssystem per se nicht aus. Vielmehr müsse überprüft werden, ob im konkreten Einzelfall eine tatsächliche Gefahr für die Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK des verurteilten Straftäters vorliege. Zweitens müsse der Verdächtige hinreichende Anhaltspunkte für negative Auswirkungen auf seine persönliche Situation darlegen. Das Urteil folgt in wenigen Monaten. Der EuGH ist an die Schlussanträge des Generalanwalts nicht gebunden.
Frohe Festtage – DAV
Mit dieser Ausgabe erhalten Sie die letzte EiÜ für das Jahr 2021. Die DAV-Geschäftsstelle Brüssel wünscht Ihnen allen fröhliche und besinnliche Festtage sowie einen guten Auftakt in ein neues und erfolgreiches Jahr 2022. Die nächste EiÜ erhalten Sie voraussichtlich in der zweiten Januarwoche 2022.
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