Europa im Überblick, 01/16

VORSCHLÄGE DES DAV ZUM REGELUNGSUMFELD FÜR Online-Plattformen – DAV

Der DAV spricht sich in seiner Stellungnahme Nr. 63/2015 für eine Regulierung von “Online-Plattformen“ aus, bei der klare Verbraucherinformationen und Transparenz verankert werden und nach der Art der Plattform unterschieden wird. Die Stellungnahme erfolgte zur Teilnahme an einer öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zum Regelungsumfeld für Plattformen, Online-Vermittler, Daten, Cloud Computing und die partizipative Wirtschaft. Darin wendet sich der DAV gegen eine umfassende Definition des Begriffs „Online-Plattform“, da zwischen den verschiedenen Plattformtypen wie Suchmaschinen und Zahlungssystemen regulatorisch kaum Gemeinsamkeiten bestehen aber dafür eine Vielzahl relevanter Unterschiede. Transparenz sollte dahingehend hergestellt werden, dass die Funktionsweise von Plattformen deutlich wird und Verbraucher wissen, wer ihr Vertragspartner ist und welche (vermittelnde) Rolle der Plattformbetreiber einnimmt. Den Entwicklungen im Bereich der Online-Plattformen für den Rechtsmarkt sollte durch berufsrechtliche Lösungsansätze auf nationaler Ebene, in denen die Kernwerte der Anwaltschaft Geltung finden, Rechnung getragen werden.

EGMR BILLIGT NACHTRÄGLICHE SICHERUNGSVERWAHRUNG IN DEUTSCHLAND – EGMR

Der EGMR hat in seinem Urteil in der Rs. Bergmann gegen Deutschland (Beschwerdenr. 23279/14, s. auch deutsche Pressemitteilung) vom 7. Januar 2016 einstimmig festgestellt, dass eine Sicherungsverwahrung, die rückwirkend, über die zur Tatzeit und zum Zeitpunkt der Verurteilung zulässige Höchstdauer der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren hinaus verlängert worden war, die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht verletzt. Nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe war der Beschwerdeführer Bergmann in Sicherungsverwahrung untergebracht, die nach Ablauf der Höchstdauer von 10 Jahren aufgrund einer sexuellen Devianz und Persönlichkeitsstörung durch die Gerichte in regelmäßigen Abständen verlängert wurde. Seit Juni 2013 ist Herr Bergmann in einer neu errichteten Einrichtung für Sicherungsverwahrte untergebracht, in der umfassende therapeutische Behandlungen angeboten werden. Eine Verletzung von Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) lag nicht vor, weil die Sicherheitsverwahrung als Freiheitsentziehung bei psychisch Kranken gemäß Art. 5 Abs. 1e) EMRK zulässig war. Art. 7 EMRK (Nulla poena sine lege), so der EGMR, war nicht verletzt, weil die Sicherungsverwahrung nach der Neuregelung in Deutschland, wenn sie aufgrund der Notwendigkeit der Behandlung einer psychischen Störung verlängert wird, keine „Strafe“ gemäß Art. 7 Abs. 1 EMRK darstellt.

PROGRAMM DER NIEDERLÄNDISCHEN RATSPRÄSIDENTSCHAFT UND NEUES 18-MONATS-PROGRAMM – RAT

Seit dem 1. Januar 2016 haben die Niederlande die Präsidentschaft des Rates der EU übernommen. In ihrem Arbeitsprogramm benennt die neue Ratspräsidentschaft als drei Leitziele eine Union, die sich auf das Wesentliche konzentriere, die innovatives Wachstum generiere und Arbeitsplätze schaffe, und die Verbindungen mit gesellschaftlichen Akteuren eingehe. Im Bereich Justiz und Inneres werden die Themen Migration und Sicherheit in den Vordergrund gestellt. Im Hinblick auf die Europäische Migrationsagenda (S. EiÜ 20/15) sowie die im Arbeitsprogramm der Kommission angekündigten ergänzenden Vorschläge (so zum Beispiel die Neufassung des Dublin-Systems) sollen Fortschritte erzielt werden. Daneben werde die Ratspräsidentschaft im Bereich der Sicherheit unter anderem den angekündigten Vorschlag für eine Ausweitung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS, s. EiÜ 38/15) auf Bürger aus Nicht-EU-Staaten bearbeiten. Daneben hat auch die aktuelle Trio-Ratspräsidentschaft – neben den Niederlanden der zukünftige slowakische und maltesische Vorsitz – ihr Achtzehnmonatsprogramm bis zum 30. Juni 2017 vorgestellt. Unter der Überschrift „Eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ wird den Bereichen irreguläre Migrationsströme und Sicherheit auch hier hohe Priorität eingeräumt. Die drei Vorsitze erklärten daneben ihre Absicht, den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention voranzubringen.

NEUES JAHR, NEUE REGELN BEIM EUROPÄISCHEN GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE – EGMR

Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) müssen Antragsteller, ihre Anwälte und andere Vertreter seit dem 1. Januar 2016 das neue Formular für Individualbeschwerden benutzen. Um Antragssteller besser anzuleiten wurde Regel 47 der EGMR-Verfahrensordnung, die die Antragsvoraussetzungen regelt und die Einreichung eines vollständigen Beschwerdeformulars festlegt, geändert. Juristische Personen oder Organisationen, die klagen, müssen eine bestimmte Person als Vertreter benennen. Alle Vertreter müssen nun einen Nachweis über ihre Postulationsfähigkeit nach nationalem Recht beibringen. Weitere Änderungen sind hier zu finden. Darüber hinaus hat der EGMR auch neue Übersichten zu fünf Rechtsprechungsbereichen veröffentlicht. Diese umfassen neben den Themen lebenslängliche Freiheitsstrafen und Auslieferungen bei lebenslänglicher Freiheitsstrafe auch den Reputationsschutz (Urteile zu Rechtsanwälten am S. 14). Die Übersichten beinhalten Zusammenfassungen von Urteilen, Entscheidungen und Hinweise auf anhängige Fälle und werden regelmäßig aktualisiert.

INFORMATIONSAUSTAUSCH ÜBER VERURTEILUNGEN BALD AUCH FÜR DRITTSTAATSANGEHÖRIGE – EU-Grundrechteagentur

Die Grundrechteagentur der EU (FRA) hat eine Stellungnahme zu einer möglichen Überarbeitung und Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems ECRIS veröffentlicht. Die EU-Kommission plant derzeit zur Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda, den Austausch von Informationen über Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen in der EU zu verbessern, um den Terrorismus und die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Die FRA bewertet einerseits als positiv, dass ein auch die Verurteilungen Drittstaatsangehöriger in der EU umfassendes Strafregistersystem die Rechtssicherheit und den Schutz von Kindern vor Missbrauch steigert. Andererseits erfordere die Erweiterung des Systems Sicherheitsmaßnahmen, um die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtmäßigkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz ordnungsgemäß zu erfüllen und die Grundrechte zu wahren. Das System dürfe nicht dafür verwendet werden, Aufenthaltsgenehmigungen zu widerrufen oder zu verweigern, so die FRA. Der Schutz personenbezogener Daten müsse gewährleistet werden und Einzelpersonen müssten die Möglichkeit erhalten, auf ihre Daten zuzugreifen und diese evtl. zu ändern. Zudem müssten wirksame Rechtsmittel für Rechtsverletzungen zur Verfügung stehen.

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