Europa im Überblick, 02/17

DIENSTLEISTUNGSPAKET VERÖFFENTLICHT – KOM

Mit einem Paket bestehend aus vier Initiativen, die auf der Binnenmarktstrategie (s. EiÜ 35/15; 22/16) vom Oktober 2015 basieren, möchte die Kommission den europäischen Dienstleistungsmarkt weiter ankurbeln (s.a. Pressemitteilung der Kommission mit weiteren Hintergrunddokumenten). Die Initiativen haben auch Auswirkungen auf die Anwaltschaft. Der Richtlinienvorschlag für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung (s.a. DAV-Stellungnahme 45/16) gibt den Mitgliedstaaten vor Erlass neuer oder der Änderung bestehender Vorschriften für freiberufliche Dienstleistungen einheitliche Prüfungskriterien vor. Zudem soll das Meldeverfahren nach der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG verbessert werden. Zur Reglementierung der freien Berufe macht die Kommission in einer Mitteilung konkrete Reformempfehlungen. Für die Anwaltschaft soll Deutschland u.a. die Reichweite von Vorbehaltstätigkeiten, Regelungen zur Rechtsformwahl, Beteiligungsverhältnissen und multidisziplinären Tätigkeiten sowie die Zugangsregeln für das Auftreten von Rechtsanwälten vor dem Bundesgerichtshof überprüfen. Der Vorschlag für eine elektronische Europäische Dienstleistungskarte (s. Richtlinie und Verordnung) zielt auf eine Verwaltungsvereinfachung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen ab und umfasst Rechtsdienstleistungen, sofern sie nicht in den Anwendungsbereich der anwaltsspezifischen Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG fallen.

FREIER DATENFLUSS IN EINER EUROPÄISCHEN DATENWIRTSCHAFT – KOM

Wem gehören Daten bzw. wer darf sie nutzen, wie gestaltet sich die Haftung beim Internet der Dinge und wo werden Daten in Zukunft gespeichert? Das sind Fragen, welche die Europäische Kommission in ihrer am 10. Januar 2017 veröffentlichten Mitteilung “Eine europäische Datenwirtschaft schaffen” stellt. Die Mitteilung wird begleitet vom detaillierten Arbeitspapier „Free flow of data and emerging issues of the European data economy“, welches die Überlegungen vertieft. Der DAV hatte sich zu den genannten Fragestellungen bereits in seiner Stellungnahme 75/2016 zur Frage des „Eigentums“ an Daten und Informationen geäußert. Parallel hat die Kommission zu diesen Themen zwei öffentliche Konsultationen gestartet, welche bis zum 26. April 2017 laufen. In der Konsultation zur europäischen Datenwirtschaft werden die Meinungen der Interessenträger zu den vorgenannten Themen zum freien Datenfluss abgefragt. Des Weiteren hat die Kommission eine Konsultation zur Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWR geöffnet. Hier wird insbesondere erfragt, ob und inwieweit die Interessenträger Anpassungsbedarf bei der Richtlinie im Hinblick auf das Internet der Dinge sehen (s. Fragebogen für Rechtsanwälte, Behörden und Forscher).

MODERNER DATENSCHUTZ FÜR ELEKTRONISCHE KOMMUNIKATION – EUGH

Die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation soll gestärkt und an neue Technologien und an die neue Datenschutz-Grundverordnung Nr. 2016/679 angepasst werden. Dazu hat die Europäische Kommission am 10. Januar 2017 ihren Vorschlag COM(2017) 10 für eine „ePrivacy-Verordnung“ vorgelegt, welche die „ePrivacy-Richtlinie“ 2002/58/EG ersetzen soll. Künftig erfassen die Datenschutzregeln auch die Dienstleistungen von sog. „Over-The-Top-Anbietern“, d.h. internetbasierten Messenger- und weiteren Kommunikationsdienstanbietern. Anbieter von Webbrowsern sollen zudem die Voreinstellungen Privatsphäre-freundlicher einstellen, wodurch u.a. das Tracking durch sog. Cookies erschwert werden soll. Der DAV hatte sich im Vorfeld des Vorschlags in der Stellungnahme 50/2016 zu staatlichen Zugriffen auf Messengerdienste im Rahmen der ePrivacy-Reform geäußert. Die Kommission stellte außerdem eine Mitteilung über einen strategischen Ansatz für die Weitergabe personenbezogener Daten auf internationaler Ebene vor. Dieser soll den gewerblichen Datenaustausch erleichtern und die Zusammenarbeit in der Strafverfolgung verbessern. Die Kommission wird sich demnach aktiv an den Gesprächen zur „Feststellung eines angemessenen Datenschutzniveaus” mit Handelspartnern in Ost- und Südost-Asien, aber auch mit interessierten Ländern in Lateinamerika und EU-Nachbarländern beteiligen.

EDSB PRÜFT RICHTLINIE ÜBER DIGITALE INHALTE – RAT

Der DAV begrüßt den Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 4. Januar 2017, die von der Kommission zunächst unterlassene Anhörung des Europäischen Datenschutzbeauftragten hinsichtlich des Richtlinienvorschlags über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte COM(2015) 634 (s. EiÜ 41/15; 10/1616/1626/16) nachzuholen. Der Vorschlag erstreckt sich auch auf Verträge, in denen der Verbraucher digitale Inhalte als Gegenleistung für die Hergabe persönlicher Daten erhält. Der Rat bestätigt mit seinem Beschluss die Bedenken des DAV, dass insbesondere bei den personenbezogenen Daten grundlegender Abstimmungsbedarf mit dem vorrangigen europäischen Datenschutzrecht (s. DAV-Stellungnahme Nr. 90/2016; EiÜ 42/16) besteht.

ROBOTIK: EMPFEHLUNGEN ZU ZIVILRECHTLICHEN REGELN – EP

Der Rechtsausschuss (JURI) des Europäischen Parlaments hat am 12. Januar 2017 einen Initiativbericht der Berichterstatterin Mady Delvaux (S&D) mit Empfehlungen an die Europäische Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik angenommen (s. Berichtsentwurf vom Mai 2016, angenommener Text bislang nicht verfügbar). Diese wird aufgerufen, Antwortansätze auf die rechtlichen Fragen zu liefern, die der technologische Fortschritt im Bereich der Robotik und künstlichen Intelligenz mit sich bringt, z.B. hinsichtlich der Haftung bei selbstfahrenden Fahrzeugen, damit verbundenen ethischen Fragen sowie langfristig hinsichtlich einer möglicherweise nötigen Schaffung einer Rechtssubjektsqualität „elektronischer Personen“. Eine Arbeitsgruppe im Parlament hatte zuvor zu Rechtsfragen in Bezug auf die Entwicklung von Robotik und künstlicher Intelligenz in einem Workshop Experten aus verschiedenen Bereichen angehört (s. EiÜ 33/16).

GRENZÜBERSCHREITENDE DEUTSCH-FRANZÖSISCHE FORTBILDUNG – DAV

Französische Rechtsanwälte sollen verstärkt im deutschen Recht und deutsche Rechtsanwälte verstärkt im französischen Recht aus- bzw. fortgebildet werden. Dazu haben der Saarländische AnwaltVerein gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes, den Avocats du Barreau de Paris und der Universität des Saarlandes einen Fortbildungskurs aufgesetzt, der durch das Centre juridique franco-allemand erstmals ab Januar 2017 durchgeführt wird. Die Weiterbildung für deutsche Rechtsanwälte im französischen Recht findet in Form von französischsprachigen Lehrveranstaltungen in Paris, in den Räumlichkeiten der École de formation du Barreau de Paris, statt. Umgekehrt findet das deutschsprachige Weiterbildungsprogramm für französische Rechtsanwälte an der Universität des Saarlandes statt. Der Kurs kann als Komplettprogramm (66h), Wahlprogramm (20h) oder Gasthörerprogramm (6h) durchgeführt werden. Teilnehmer des Komplettprogramms erhalten ein Zertifikat. Die Anmeldung erfolgt über dieses Formular.

ÜBERLANGES VERFAHREN: EU ZU GELDSTRAFE VERURTEILT – EUGH

Zum ersten Mal hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) am 10. Januar 2017 die Europäische Union verurteilt, an zwei Unternehmen Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer zu bezahlen (T‑577/14, bisher nur in französischer Sprache verfügbar, s. aber deutsche Pressemitteilung). Das Verfahren der beiden klagenden Unternehmen gegen eine von der Europäischen Kommission wegen eines Wettbewerbsverstoßes festgesetzte Geldbuße hatte im Februar 2006 begonnen und war erst im November 2013 vor dem EuGH beendet worden. Dieser hatte in seinem klageabweisenden Urteil darauf hingewiesen, dass das Verfahren in der ersten Instanz vor dem EuG fast sechs Jahre zu lange gedauert haben könnte. Eine andere Kammer des Gerichts hat auf die daraufhin eingereichte Schadensersatzklage nun die Voraussetzungen einer außervertraglichen Haftung der EU entwickelt, die es auf das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer nach Art. 47 der EU-Grundrechtecharta stützt. Nach der Berechnung des Gerichts hatte das Verfahren insgesamt 20 Monate zu lang gedauert. Der zugesprochene Schadenersatz enthält auch den Ersatz für einen immateriellen Schaden, der den beiden Unternehmen durch die Ungewissheit während des Prozesses entstanden ist. Zurzeit sind weitere vier Klagen wegen überlanger Verfahrensdauer vor dem Gericht anhängig.

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