Europa im Überblick, 03/16

PLENUM NIMMT KOMPROMISS ZUR UNSCHULDSVERMUTUNG IM STRAFVERFAHREN AN – EP

Das Plenum des EU-Parlaments hat 20. Januar 2016 den Ende Oktober erzielten Kompromisstext zur Richtlinie zur Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung im Strafverfahren am 20. Januar 2016 gebilligt (vgl. bereits EiÜ 36/15). Aus DAV-Sicht stärkt der Kompromiss die Unschuldsvermutung, weil die zunächst vorgesehenen Möglichkeiten für Schuldvermutungen und die Möglichkeit, Beweise unter Verstoß gegen das Recht zu schweigen zu gewinnen, nun gänzlich gestrichen wurden (vgl. bereits DAV-Pressemitteilung 10/15 zum dahingehenden Bericht des EU-Parlaments). Nun muss noch der Rat den Kompromiss billigen, bevor die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung der Richtlinie haben.

VORSCHLAG FÜR STRAFREGISTERINFORMATIONSAUSTAUSCH FÜR DRITTSTAATSANGEHÖRIGE – KOM

Der Austausch von Strafregistereinträgen von Nicht-EU-Bürgern über das Europäische Strafregisterinformationssystem ECRIS soll verbessert werden. Deshalb hat die EU-Kommission am 19. Januar 2016 einen Richtlinienvorschlag (bisher nur auf englisch verfügbar) zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI und zur Ersetzung des Ratsbeschlusses 2009/316/JI vorgelegt, wie bereits im Mai vergangenen Jahres in der Europäischen Sicherheitsagenda angekündigt worden war (s. auch EiÜ 1/16). Mit ECRIS können nationale Justizbehörden Informationen über Vorstrafen in anderen Mitgliedstaaten in einem Mitgliedstaat zentral abfragen. Der Mitgliedstaat der Nationalität eines Verurteilten ist dabei jeweils zentraler Speicherort bzgl. aller Strafregistereinträge in der EU. Werden Strafregistereinträge von Nicht-EU-Bürgern, d.h. Drittstaatsangehörigen, im ECRIS erfasst, müssen Mitgliedstaaten aktuell jedoch jeden einzelnen Mitgliedstaat um Auskunft ersuchen. Künftig sollen die Identitätsdaten von verurteilten Drittstaatsangehörigen codiert allen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden, so dass diese mit nur einer Abfrage etwa nach Name, Geburtsdatum oder auch Fingerabdrücken die Information erhalten, ob (ja/nein) Strafregisterinformationen in anderen Mitgliedstaaten vorliegen und falls ja, in welchen. Jetzt müssen sich EU-Parlament und Rat mit dem Richtlinienvorschlag befassen.

KONSULTATION ZU LEITLINIEN ZUR BERICHTERSTATTUNG ZU NICHT-FINANZIELLEN INFORMATIONEN – KOM

Die Europäische Kommission hat am 15. Januar 2016 eine öffentliche Konsultation zu unverbindlichen Leitlinien zur Methode der Berichterstattung über nicht-finanzielle Informationen eröffnet. Ziel dieser Konsultation ist es, die Kommission bei der Vorbereitung von unverbindlichen Leitlinien gemäß Artikel 2 der Richtlinie 2014/95/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen zu unterstützen. Die Konsultationsteilnehmer sollen sich unter anderem dazu äußern, welche offenzulegenden nicht-finanziellen Informationen in den Leitlinien adressiert werden sollten. Frist für Rückmeldungen zur Konsultation ist der 15. April 2016.

ÖFFENTLICHE KONSULTATION ZUR SCHLEUSUNG VON MIGRANTEN – KOM

Die EU-Kommission hat zum Thema Schleusung von Flüchtlingen eine öffentliche Konsultation eingeleitet, die noch bis zum 6. April 2016 läuft. Der Onlinefragebogen ist hier abrufbar. Ziel der Konsultation ist die Evaluierung des bisher zur Schleusung von Migranten bestehenden Rechtsrahmens: Richtlinie 2002/90/EG zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt  und Rahmenbeschluss 2002/946/JI betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt. Die Reform dieser Gesetzgebung wurde sowohl in der europäischen Migrationsagenda als auch im EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (beide vom Mai 2015) als Priorität definiert. In der Konsultation geht es u.a. um die Definition der Ermöglichung der unerlaubten Einreise, des Transits und des Aufenthalts. Außerdem geht es um den Ausschluss von Strafen bei humanitärer Hilfe für Flüchtlinge in Not, um Strafrahmen und die Möglichkeit der Einziehung bzw. des Einfrierens des Vermögens von Schleusern.

ENTSCHLIEßUNG DES EU-PARLAMENTS ZUM DIGITALEN BINNENMARKT – EP

Das EU-Parlament hat am 19. Januar 2016 die Entschließung „Auf dem Weg zu einer Akte zum digitalen Binnenmarkt“ mit breiter Mehrheit verabschiedet. Das EU-Parlament ist damit den Berichterstatterinnen der federführenden Ausschüsse für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) und für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO), Evelyne Gebhardt (S&D) und Kaja Kallas (ALDE) gefolgt. Am 9. Dezember 2015 hatte die Europäische Kommission im Rahmen der Strategie für den Digitalen Binnenmarkt unter anderem zwei Richtlinienvorschläge zu vertragsrechtlichen Vorschriften für den Onlinehandel unterbreitet (vgl. EiÜ 17/15, 41/15). Berichterstatterin Evelyne Gebhardt kritisierte hierzu unter anderem, dass für Einkäufe online und offline unterschiedliches Recht anwendbar sein solle. Auch der DAV hatte in seiner Stellungnahme im Rahmen der den Richtlinienvorschlägen vorhergehenden öffentlichen Konsultation einen kohärenten Rechtsrahmen für den Offline- und Online-Handel mit Waren und digitalen Inhalten gefordert (DAV-Stn. 44/2015). Der ebenfalls im Dezember veröffentliche Vorschlag zur grenzüberschreitenden Portabilität von Onlineinhalten (s. EiÜ 41/15) wurde im Rahmen der Aussprache im Plenum des Europäischen Parlaments grundsätzlich begrüßt.

VERWEIGERUNG VON ZUGANG ZU BESTIMMTEN INTERNETSEITEN IN HAFT VERLETZT MEINUNGSFREIHEIT – EGMR

Der EGMR hat in seinem Urteil Kalda gg. Estland (Beschwerdenr. 17429/10) vom 19. Januar 2016 entschieden, dass die Weigerung, einem zu lebenslanger Haft verurteiltem Häftling den Zugang zu 3 Internetseiten zu gewähren, die vom Europarat und staatlich betrieben wurden und rechtliche Informationen enthielten, die Meinungsfreiheit i.S.v. Artikel 10 EMRK verletzt. Die Vertragsstaaten seien zwar nicht verpflichtet, Häftlingen Zugang zum Internet zu gewähren. Täten sie dies jedoch, bedürfe es einer Begründung, wenn Häftlingen der Zugang zu bestimmten Internetseiten verwehrt werde. Der Beschwerdeführer Kalda hatte sich darauf berufen, dass die Weigerung, ihm Zugang zu diesen Seiten zu gewähren, Nachforschungen für sein Gerichtsverfahren verhindere und so sein Recht, sich über das Internet zu informieren, verletze. Die von den zuständigen estnischen Behörden angeführte Begründung der Verweigerung des Internetzugangs mit Kosten- und Sicherheitsgründen vermag den Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Information nicht zu rechtfertigen, stellte daraufhin nun der EGMR fest.

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