NEUER PARLAMENTSPRÄSIDENT: TAJANI NACHFOLGER VON SCHULZ – EP
Das Europäische Parlament hat einen neuen Präsidenten und 14 neue Vizepräsidenten. Am 17. Januar 2017 wurde Antonio Tajani zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt (s. Pressemitteilung). Der Italiener aus der EVP-Fraktion folgt damit auf Martin Schulz (S&D-Fraktion). Tajani ist Mitglied der italienischen Partei Forza Italia und wurde bereits 1994 erstmals zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt, dessen Vizepräsident er zuletzt war. Zwischenzeitlich bekleidete er den Posten des italienischen Kommissars und war zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission. Tajani setzte sich bei der Wahl gegen fünf weitere Kandidatinnen und Kandidaten durch. Im vierten Wahlgang erreichte er schließlich in einer Stichwahl gegen Gianni Pitella (S&D-Fraktion) die absolute Mehrheit. Seine Arbeit im Parlament konzentrierte sich zuletzt auf den Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) sowie die Beziehungen zu Lateinamerika. Neu gewählt wurden auch die 14 Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. Neben Rainer Wieland (EVP) und Alexander Graf Lambsdorff (ALDE), die beide als Vizepräsidenten bestätigt wurden, wurde nun mit Evelyne Gebhardt (S&D) eine dritte deutsche Vizepräsidentin gewählt.
AUSSCHÜSSE NEHMEN RICHTLINIE ZUR BETRUGSBEKÄMPFUNG AN – EP
Berichterstatterin Ingeborg Grässle bezeichnete es als einen „historischen Durchbruch“: Bei einer gemeinsamen Ausschusssitzung nahmen der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) sowie der Haushaltsausschuss (BUDG) des Europäischen Parlaments am 12. Januar 2017 gemeinsam den im November 2016 erzielten Kompromisstext zur sogenannten „PIF“-Richtlinie zur strafrechtlichen Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug an (s. EiÜ 40/16). Erfreulicherweise sei es gelungen, den Mehrwertsteuerbetrug in den Kompromiss aufzunehmen. Die Richtlinie sei eine gute materiell-rechtliche Grundlage für die Arbeit der künftigen Europäischen Staatsanwaltschaft. Die in diesem Dossier aktuell bestehenden Verhandlungsschwierigkeiten würden hoffentlich bald überwunden, so Co-Berichterstatter Lopez-Aguilar. Nun stehen noch die offizielle Billigung durch den Rat und das Plenum des Europäischen Parlaments aus.
RECHT AUF WIRKSAME BESCHWERDE GEGEN KANZLEIDURCHSUCHUNG – EGMR
Werden in den Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei Akten über Mandanten beschlagnahmt, die im Verdacht der Steuerhinterziehung stehen, so ist die Kanzlei berechtigt, vor nationalen Gerichten selbst dagegen vorzugehen. Dies entschied die dritte Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte am 20. Dezember 2016 im Fall Lindstrand Partners Advokatbyrå AB v. Schweden (Beschwerdenr. 18700/09, nur in englischer Sprache verfügbar) unter Vorsitz des Präsidenten Luis López Guerra. Im besagten Fall ging es um die Überprüfung schwedischer Unternehmen wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung durch die Steuerbehörden. Der schwedischen Kanzlei, deren Räumlichkeiten im Zuge der Zwangsmaßnahmen durchsucht wurden, wurde die Beschwerdeberechtigung vor dem nationalen Gericht versagt. Dies stellt laut EGMR eine Verletzung des Rechts auf wirksame Beschwerde gem. Artikel 13 i.V.m. Artikel 8 EMRK dar. Eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte (Art. 8 EMRK) der Kanzlei selbst lehnte der EGMR mit der Begründung ab, dass nicht die Kanzlei als solche, sondern die verdächtigten Unternehmen von den Zwangsmaßnahmen betroffen waren.
REGELUNGSBEDARF IN DER KOLLABORATIVEN WIRTSCHAFT? – EP
In seiner Sitzung am 25. Januar 2017 wird der Ausschuss des Europäischen Parlaments für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) den Berichtsentwurf (nur in englischer Sprache verfügbar) des Berichterstatters Nicola Danti (S&D) zur „Europäischen Agenda zur kollaborativen Wirtschaft“ (COM(2016) 356 final, s. EiÜ 20/16) prüfen. Danti betont in seinem Berichtsentwurf die Erforderlichkeit eines klaren europäischen Rechtsrahmens. Aus seiner Sicht seien die bestehenden verschiedenen nationalen Regelungen nicht geeignet, den auftretenden Rechtsunsicherheiten, die mit der kollaborativen Wirtschaft einhergehen, Rechnung zu tragen. Als Problemfelder nennt er beispielsweise noch unklare Haftungsregime kollaborativer Plattformen, die Pflichtenverteilung der verschiedenen Akteure in der kollaborativen Wirtschaft und Lücken im Verbraucherschutz. Die Agenda zur kollaborativen Wirtschaft ergänzt sich mit der Mitteilung zu Online-Plattformen COM(2016) 288 (s. EiÜ 19/16). Der DAV fordert in seiner Stellungnahme Nr. 63/2015 (s. EiÜ 1/16) zum Regulierungsumfeld für Online-Plattformen klare Verbraucherinformationen im Sinne des Mandantenschutzes und ein reguliertes Umfeld im Bereich der Online-Plattformen. Die Frist für die Ausschussmitglieder zur Einreichung von Änderungsvorschlägen endet am 7. Februar 2017. Die Abstimmung über den Berichtsentwurf im Ausschuss soll voraussichtlich Ende April 2017 erfolgen.
INTERNETZUGANG FÜR STRAFGEFANGENE EINZELFALLABHÄNGIG – EGMR
Die Verweigerung eines Internetzugangs für Gefängnisinsassen kann die Informationsfreiheit verletzen. Hierfür kommt es jedoch stets auf den Einzelfall an. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 17. Januar 2017 im Fall Jankovskis/Litauen (Beschwerdenr. 21575/08). Er bestätigte damit seine Rechtsprechung, die er bereits im Januar 2016 in einem ähnlichen Fall entwickelt hatte (s. EiÜ 3/16). Beschwerdeführer war ein heute 56-jähriger litauischer Strafgefangener, der sich im Jahr 2006 wegen der Möglichkeit eines Jurastudiums an das litauische Bildungsministerium gewandt hatte. Dieses hatte ihn auf die Informationen auf der Webseite des Ministeriums verwiesen. Ein Internetzugang wurde ihm aber von der Gefängnisleitung sowie den Verwaltungsgerichten aus Sicherheitsgründen verwehrt. Der EGMR stellte fest, dass dadurch die Informationsfreiheit des Beschwerdeführers gem. Art. 10 EMRK verletzt worden sei. Die Behörden hätten zwar sein Recht auf Zugang zum Internet allgemein beurteilt, seinen Vortrag, auf eine einzelne Webseite zum Zwecke seiner Bildung zugreifen zu wollen, aber nicht ausreichend im Rahmen einer Einzelfallprüfung gewürdigt. Ein allgemeines Recht auf Internetzugang für Strafgefangene kann aus dem Urteil nicht abgeleitet werden – doch die Anforderungen an die erforderliche Einzelfallprüfung werden erneut verdeutlicht.
IN EIGENER SACHE – DAV
Zum Monatsende scheidet unsere Mitarbeiterin Valerie Zen Ruffinen aus dem DAV-Team Brüssel aus. Die gebürtige Schweizerin verlässt Brüssel in Richtung Neuseeland. Wir danken ihr herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren.
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