SUP-RICHTLINIENVORSCHLAG: SCHEITERN IM RECHTSAUSSCHUSS DROHT– EP
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) hat am 28. Januar 2016 ein zweites Arbeitsdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (COM2012 (214), „SUP-Richtlinie“) diskutiert (Vgl. EiÜ 23/15). Unter anderem schlägt Berichterstatter Luis de Grandes Pascual (EVP) darin eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf kleine und Kleinstunternehmen und eine neue Regelung zur Sitzeinheit der SUP vor. Die Debatte im Rechtsausschuss machte nun deutlich, dass eine Zurückweisung des Vorschlags trotz des fraktionsübergreifenden Lobs für die Arbeit des Berichterstatters immer wahrscheinlicher wird. Die Mehrheit der Abgeordneten zeigte sich sehr kritisch, beispielsweise im Hinblick auf die im Vorschlag vorgesehene verpflichtende Online-Registrierung. Einzig Abgeordnete der EVP-Fraktion signalisierten noch Unterstützung für die vorgeschlagene Richtlinie. Berichterstatter de Grandes Pascual kündigte an, dass nun bald eine Entscheidung gefällt werden müsse, ob der Vorschlag zurückgewiesen oder mit der Arbeit an einem Bericht begonnen werden solle. Auch der DAV hält den Richtlinienvorschlag für verbesserungswürdig (s. DAV-Stn. 58/2014). Insbesondere ist für eine Online-Gründung ein sicherer Identitätsnachweis unentbehrlich. Der Eintragungsmitgliedsstaat muss zumindest verlangen können, dass der Gründer über die Vorlage einer Ausweiskopie hinaus eine Identitätsfeststellung durch einen Notar oder eine Behörde seines Heimatstaates beibringt.
NEUES MAßNAHMENPAKET ZUR BEKÄMPFUNG VON STEUERVERMEIDUNG – KOM
Die Europäische Kommission hat am 28. Januar 2016 ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuervermeidung auf Ebene der Unternehmen vorgestellt. Ziel sei es, eine faire Unternehmensbesteuerung wiederherzustellen und Stabilität für Unternehmen und Investoren in der EU zu schaffen. Die nun vorgelegten Maßnahmen sollen das BEPS-Projekt („Base Erosion and Profit Shifting“, BEPS) der OECD unterstützen und ergänzen. Unter anderem schlägt die Kommission eine Richtlinie mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (COM(2016) 26) und eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung (COM(2016) 25) vor. Daneben enthält das Maßnahmenpaket auch eine Mitteilung der Kommission über eine externe Strategie für effektive Besteuerung (COM(2016) 24) und eine Kommissionsempfehlung zur Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Steuerabkommen (C(2016) 271).
URTEIL ZU EU-HAFTBEFEHL: GRUNDRECHTSSCHUTZ UND VERFASSUNGSIDENTITÄT – BVERFG
Das Bundesverfassungsgericht macht Ernst mit der verfassungsrechtlichen Kontrolle von EU-Recht. Wegen eines Verstoßes gegen die Menschenwürde hat es den Vollzug eines EU-Haftbefehls unterbunden (Beschluss vom 15. Dezember 2015, 2 BvR 2735/14, vgl. Pressemitteilung). Damit darf ein amerikanischer Staatsangehöriger – auf der Grundlage eines europäischen Haftbefehls in Deutschland 2014 festgenommen – nicht nach Italien ausgeliefert werden. Der Corte di Appello in Florenz hatte den Beschwerdeführer 1992 in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Einfuhr und Besitzes von Kokain zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, nach seiner Auslieferung bestünde für ihn keine Möglichkeit eine erneute Beweisaufnahme zu erwirken. Diese Fragestellung erfordert nach Ansicht des BVerfG weitere Ermittlungen. Der europäische Haftbefehl ist nach Auffassung des Gerichts so auszulegen, dass er den von Art. 1 Abs. 1 GG geforderten Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten bei einer Auslieferung Rechnung trägt. Diese können verletzt werden, wenn bei einer Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit ergangenen Strafurteils eine strafrechtliche Reaktion auf ein sozial-ethisches Fehlverhalten ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit durchgesetzt werde. Das Schuldprinzip gehöre zur durch Art. 79 Abs. 3 GG verbürgten Verfassungsidentität, zu deren Wahrung im Einzelfall sich der Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht auch auf unionsrechtlich determinierte Hoheitsakte erstrecke, wenn dies unabdingbar geboten sei.
RECHTSAUSSCHUSS NIMMT KOMPROMISS ZUM SCHUTZ VON GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN AN – EP
Am 28. Januar 2016 hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments den im Dezember erzielten Kompromiss (bislang nur auf Englisch verfügbar, s. Pressemitteilung) zur Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung angenommen. In der Richtlinie wird festgelegt, wann Erwerb, Nutzung und Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses rechtswidrig sind. Rechtsverletzende Produkte sollen vereinfacht vom Markt entfernt werden können. Der DAV hatte sich mit seiner Stellungnahme Nr. 36/2014 eingebracht und u.a. angemahnt, die Richtlinie dürfe nicht mit dem Recht auf ein faires Verfahren kollidieren (s. auch EiÜ 20/14 und 22/15). Das Plenum des EU-Parlaments und der Rat der EU müssen nach erfolgter Übersetzung den Kompromiss noch offiziell annehmen.
BERICHTE DES PARLAMENTS ZUR ZUKUNFT DES BINNENMARKTES – EP
Gleich drei Berichte zur Ausschöpfung des Potentials des Binnenmarktes sind derzeit Gegenstand der Diskussionen im Ausschuss Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). Zum einen wurde am 25. Januar 2016 ein Initiativbericht über die Binnenmarktsteuerung innerhalb des Europäischen Semesters 2016 (Berichterstatterin Catherine Stihler, S&D) angenommen. Über das Europäische Semester wird die Wirtschafts- und Fiskalpolitik der EU-Mitgliedstaaten koordiniert. Nach dem Bericht liegen bei den freien Berufen zwischen den Mitgliedstaaten noch wesentliche Unterschiede bei der Regulierung ähnlicher reglementierter Berufe und bei Tätigkeitsvorbehalten vor. Hieraus auf eine Behinderung der Mobilität von Arbeitskräften zu schließen lehnte jedoch die Mehrheit der Ausschussmitglieder ab. Außerdem liegt dem Ausschuss der Entwurf eines Initiativberichts über nichttarifäre Handelshemmnisse im Binnenmarkt (Berichterstatter Daniel Dalton, ERK) vor. Der Entwurf befindet, die divergierende Umsetzung europäischer Rechtstexte führe zu Handelshemmnissen. Hinsichtlich des Zugangs zu reglementierten Berufen wird die gegenseitige Evaluierung der Berufszugangs- und der Berufsausübungsregulierung im Rahmen der sog. „Transparenzinitiative“ begrüßt. Die Binnenmarktstrategie (s. EiÜ 35/15) ist Gegenstand eines Entwurfs eines Initiativberichts der Berichterstatterin Lara Comi (EVP). Der Berichtsentwurf unterstützt die Ziele der Strategie, verbleibende Hindernisse abzubauen, um Arbeitsplätze zu schaffen und Wachstum und Innovation zeitnah zu fördern. Die geplante Mehrwertsteuerreform und der geplante Vorschlag zu Unternehmensinsolvenzen werden begrüßt. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, im Dienstleistungsbereich für eine effektive Durchführung der Dienstleistungsrichtlinie zu sorgen und Überregulierung zu vermeiden. Ebenfalls zur Binnenmarktstrategie führte die EVP-Fraktion am 27. Januar 2016 eine öffentliche Anhörung durch. Bürokratie, die divergierende Umsetzung und teils mangelhafte Durchsetzung von EU-Recht wurden hier als Hindernisse für den Binnenmarkt identifiziert.
BERICHT ÜBER DIE ÜBERWACHUNG DURCH NACHRICHTENDIENSTE – EU GRUNDRECHTEAGENTUR
Die Grundrechteagentur der EU (FRA) hat am 18. November 2015 einen Bericht zu den geltenden gesetzlichen Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten für Nachrichtendienste und ihren Überwachungsverfahren veröffentlicht, nachdem das Europäische Parlament die FRA in seiner Entschließung vom 12. März 2014 aufforderte, diese Studie durchzuführen. Der Bericht ist am 25. Januar 2016 im Ausschuss Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) durch den Direktor der FRA, Micheal O´Flaherty, erläutert worden. Die FRA stellt klar, dass alle EU-Mitgliedstaaten das gemeinsame Ziel des Schutzes nationaler Sicherheit verfolgten, aber kein einheitlicher Rechtsrahmen innerhalb der EU bestehe. Auch wenn die parlamentarische Kontrolle unverzichtbar sei, müsse sie durch andere Kontrollorgane, insbesondere kompetente rechtliche und technische Fachgremien ergänzt werden, so die FRA. Laut dem Bericht verfügen fünfzehn Mitgliedstaaten über Expertengremien, die sich ausschließlich der Kontrolle der Nachrichtendienste widmen. Diese können Überwachungsmaßnahmen genehmigen, Beschwerden untersuchen und Dokumente von den Nachrichtendiensten anfordern. Die FRA fordert die Stärkung nationaler Rechtsrahmen für die Überwachung. Mitgliedstaaten müssten verständliche Gesetze erlassen, wirkungsvolle Kontrollmechanismen errichten und Opfern von Verletzungen der Rechte auf Privatsphäre und Datenschutz Zugang zu Rechtsbehelfen gewähren, so die FRA.
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