Verbraucher ja, Sammelklage nein! – EuGH
Ein privater Nutzer eines Facebook-Accounts verliert die Verbrauchereigenschaft i.S.d. Verordnung EG Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen nicht schon deshalb, wenn er Bücher publiziert, Vorträge hält oder sich Ansprüche zahlreicher Verbraucher abtreten lässt, um sie gerichtlich geltend zu machen. Allerdings kann ein Verbraucher die von anderen Verbrauchern abgetretenen Ansprüche nicht am Ort des Verbrauchergerichtsstandes geltend machen. Das entschied der EuGH mit Urteil vom 25. Januar 2018 (C-498/16). Der österreichische Datenschützer Schrems hatte Facebook Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit seinem privaten Facebook-Konto und den Konten weiterer Nutzer vorgeworfen. Der EuGH entschied nun, dass sich zwar ein privates Konto zu einem beruflichen Konto entwickeln könne. Eine Auslegung des Verbraucherbegriffs, die ein aktives Engagement und Tätigwerden wie jenes Schrems ausschließe, würde aber darauf hinauslaufen, eine effektive Verteidigung der Verbraucherrechte gegenüber den gewerblichen Vertragspartnern einschließlich des Schutzes personenbezogener Daten zu verhindern. Soweit der Kläger die Rechte anderer Nutzer gegen Facebook geltend machen wolle, könne er sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand berufen. Der Verbraucherschutz im Sinne der Verordnung beziehe sich nur auf Parteien des streitgegenständlichen Verbrauchervertrags und könne nicht Ansprüche anderer Verbraucher erfassen. Damit setzte sich Schrems mit der von ihm angestrebten Möglichkeit einer Sammelklage nicht durch.
Europäische Konvention für den Beruf des Rechtsanwalts auf dem Weg – Europarat
Am 24. Januar 2018, dem Tag des bedrohten Anwalts (s. DAV-PM 5/18), hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates ein starkes Zeichen für die Anwaltschaft gesetzt und eine bindende Europäische Konvention zum Beruf des Rechtsanwalts gefordert (s. Bericht). Diese Initiative ist vor allem auf das Betreiben des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) zurückzuführen (s. EiÜ 11/17). Angesichts zunehmender Angriffe auf Anwälte in einigen Staaten des Europarates hatte sich der CCBE (s. Stellungnahme) auch mit Unterstützung des DAV seit über einem Jahr für die Erarbeitung einer Konvention eingesetzt. In der Konvention soll die Bedeutung der Anwaltschaft für die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipen und den Zugang zum Recht sowie Schutz und Reichweite der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterstrichen werden. Das Ministerkomitee des Europarats wird nun in den kommenden Monaten über die Aufnahme der Arbeiten an einer Konvention entscheiden.
Leitfaden und Informationstool zur Umsetzung der DSGVO – KOM
Welche Neuerungen bringt die am 25. Mai 2018 in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) mit sich? Zu dieser Frage veröffentlichte die EU-Kommission am 24. Januar 2018 einen Leitfaden zur Umsetzung der DSGVO. Hierin stellt sie zum einen vor, was bis zum Inkrafttreten der DSGVO von den nationalen Regierungen und Behörden und der EU-Kommission noch unternommen werden muss, um eine reibungslose Anwendung der Verordnung zu gewährleisten. Zum anderen werden in dem Leitfaden und mehreren Factsheets auch die wichtigsten Neuerungen und Änderungen im Datenschutzrecht vorgestellt. Darüber hinaus wurde ein neues Online-Tool veröffentlicht, das Bürger, Organisationen und Unternehmen sowohl über die Einhaltung als auch über die Vorteile und Chancen der neuen Regelungen informieren soll. Die EU-Kommission fordert außerdem die Mitgliedstaaten auf, ihr nationales Datenschutzrecht an die DSGVO anzugleichen. Bisher haben mit Deutschland und Österreich nur zwei Mitgliedstaaten diese Anpassungen vorgenommen.
Stärkung des Kindeswohls bei grenzüberschreitenden Verfahren befürwortet – EP
Das Plenum des EU-Parlaments hat am 18. Januar 2018 die Legislative Entschließung zum Vorschlag zur Neufassung der Brüssel IIa-Verordnung angenommen. Der Vorschlag bezweckt u.a. die zügigere Vollstreckung von Entscheidungen, z.B. durch die auch vom EU-Parlament befürwortete Abschaffung des Exequaturverfahrens (s. EiÜ 42/17). Die Parlamentarier sprechen sich auch dafür aus, dass das Kindeswohl stärker im Mittelpunkt des Verfahrens steht. Hierzu soll das Kind das Recht bekommen, seine Meinung in kindgerechter Umgebung in Abwesenheit der Verfahrensparteien oder deren rechtlicher Vertreter äußern zu können. Nachdem das EU-Parlament konsultiert wurde, muss nun der Verordnungsvorschlag gem. Art. 81 Abs. 3 AEUV einstimmig im Rat angenommen werden.
Prüfungsreichweite bei Europäischem Haftbefehl gegen Minderjährige – EuGH
Justizbehörden müssen nur die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen solche Personen ablehnen, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht das für die Strafmündigkeit erforderliche Alter haben. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 3 Nr. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 sowie dessen normativen Kontext zur Richtlinie 2016/800 über Verfahrensgarantien von Kindern in Strafverfahren. Dies entschied der EuGH in der Rs. C-367/16. Dem lag der Sachverhalt zugrunde, dass die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zwecks Übergabe eines polnischen Staatsangehörigen durch belgische Behörden an den Ausstellungsmitgliedstaat Polen aufgrund der laut belgischem Recht fehlenden Strafmündigkeit scheiterte. Der Appellationshof Brüssel hatte die Rechtssache sodann dem EuGH vorgelegt. Der EuGH legte zudem fest, dass zur Prüfung der Ablehnung der Vollstreckung nach Artikel 3 des Rahmenbeschlusses es nicht vorgesehen sei, dass die vollstreckende Justizbehörde zusätzliche Voraussetzungen – etwa eine individuelle Begutachtung des Minderjährigen –berücksichtigen kann. Dies gilt auch dann, wenn das Recht des Vollstreckungsmitgliedsstaats solche zusätzlichen Voraussetzungen vorsehe, da dies dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und der Beschleunigung der justiziellen Zusammenarbeit entgegenstehen würde.
Wiederaufnahmegesuch auch bei unerlaubter Rückkehr notwendig – EuGH
Der Zweitmitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet ein Asylsuchender trotz zuvor erfolgter Überstellung an den eigentlich zuständigen Ersteinreisemitgliedstaat wieder unerlaubt zurückkehrt, muss erneut fristgerecht ein Wiederaufnahmegesuch an den Erstmitgliedstaat stellen. Ansonsten geht die Zuständigkeit auf den Zweitmitgliedstaat über. Das entschied der EuGH in seinem Urteil vom 25. Januar 2018 (Rs. C-360/16) in Auslegung von Art. 24 der Dublin III-Verordnung. In dem Fall ging es um einen Syrer, der in Italien internationalen Schutz beantragte. Weitergereist nach Deutschland, überstellten die deutschen Behörden ihn zurück nach Italien. Noch im gleichen Monat kehrte er aber unerlaubt wieder nach Deutschland zurück. Der EuGH entschied, dass der Wortlaut von Art. 24 weder zwischen einer ersten oder zweiten Einreise noch einer ersten oder zweiten Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens unterscheide. Außerdem sei nur durch die Einhaltung der in Art. 24 geregelten Fristen das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz gewährleistet. Diese Fristen können jedoch nicht zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen, „zu dem der ersuchende Mitgliedstaat nicht über Informationen verfügte, die es ihm erlaubten, das Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten“, so die Richter.
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