Europa im Überblick, 05/2024

EiÜ 05/2024

Vorläufige Einigung über Recht auf Reparatur – Rat/EP

Die Co-Gesetzgeber Rat und EU-Parlament haben am 02. Februar 2024 eine vorläufige Einigung zum Richtlinienvorschlag über das „Recht auf Reparatur“ erzielt (vgl. PM). Zur attraktiveren Gestaltung einer Reparatur soll die Pflicht der Hersteller eingeführt werden, technisch reparierbare Produkte innerhalb eines angemessenen Zeitraums sowie Preisrahmens zu reparieren. Dies gilt für diejenigen Produkte, für die Reparierbarkeitsanforderungen nach Unionsrecht, konkret nach der ebenfalls im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ökodesign-Verordnung , vgl. PM sowie EiÜ 40/23) vorgesehen sind. Bestandteil der Einigung ist auch, das die Bereitstellung des neu eingeführten europäischen Formulars für Reparaturinformationen gegenüber den Verbraucher:innen für die Betriebe freiwillig ist (s. EiÜ 37/23), die darin gemachten Bedingungen im Falle der Bereitstellung aber verbindlich sind. Als verbraucherfreundliche Maßnahme ist die Vereinheitlichung der nationalen Plattformen für Reparaturinformationen zu einer europäischen Online-Plattform vorgesehen. Ausdrücklich soll das Wahlrecht zwischen Reparatur und Austausch beibehalten werden, wobei im Fall der Nachbesserung eine Verlängerung der Gewährleistung um 12 Monate ab erfolgter Reparatur eintreten soll. Der DAV hatte mehr Klarheit in Bezug auf die Wahlmöglichkeit bei der Nacherfüllung gefordert (vgl. SN 28/2023; EiÜ 18/23) Die Einigung muss nun von den Gesetzgebern formell angenommen werden.

Save the Date: Webinar zur Geldwäschebekämpfung – ELF/CCBE

Am 26. Februar 2024 (9-11 Uhr) veranstaltet die European Lawyers Foundation (ELF) zusammen mit dem Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE) ein Webinar zur Geldwäschebekämpfung (vgl. Programm). Nach einer kurzen Begrüßung durch CCBE-Präsident Pierre-Dominique Schupp wird zunächst die vorläufige Einigung (vgl. EiÜ 2/24; 43/23 sowie die DAV Stellungnahme 58/21) über das EU-Geldwäschepaket vorgestellt. Im Anschluss folgen mehrere kurze Beiträge zu allgemeinen praktischen Hinweisen für Rechtsanwält:innen. Eine Registrierung zu dem kostenlosen Webinar ist noch bis zum 25. Februar 2024 über das Anmeldeformular möglich.

"Ja heißt ja“- Regelung gescheitert – EP/Rat

Zwischen dem Europäischen Parlament (s. PM) und dem Rat (s. PM) konnte am 6. Februar 2024 eine Trilogeinigung über die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erzielt werden (vgl. bereits EiÜ 21/23, 9/22). Insbesondere bedeutet diese Einigung eine zukünftige Kriminalisierung von weiblicher Genitalverstümmelung, Zwangsehen, nicht-einvernehmliche Weitergabe intimer Bilder, Cyber-Stalking, Cyber-Belästigung sowie Aufstachelung zu Hass oder Gewalt im Internet. Eine Mehrzahl von Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, blockierten den im Kommissionsentwurf und vom Parlament vorgesehenen Vergewaltigungstatbestand und begründeten dies mit fehlender Regelungskompetenz der EU. Der Vorschlag der EU-Kommission knüpfte die Strafbarkeit einer Vergewaltigung an eine fehlende Zustimmung, wodurch – anders als aktuell in Deutschland geregelt – die Regel „Ja heißt ja“ eingeführt worden wäre. Die erzielte Einigung muss nun technisch finalisiert, übersetzt und von Rat und Parlament noch angenommen werden, bevor die Umsetzungsphase startet.

Recht auf inhaltliche Prüfung: EuGH-Urteil als neuer Umstand – EuGH

Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 08. Februar 2024 mit der durch das Verwaltungsgericht Sigmaringen vorgelegten Frage befasst, inwiefern ein Urteil des Gerichtshofes einen Umstand darstellt, der eine erneute materielle Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz rechtfertigt (Rs. C-216/22). Die entsprechenden Artikel der Richtlinie über die Zuerkennung von internationalem Schutz (Art. 33 lit. d und 40 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2013/32/EU) sind nach dem EuGH dahingehend auszulegen, dass grundsätzlich jedes EuGH-Urteil unabhängig von seinem Verkündungsdatum einen neuen Umstand darstellt und zwar auch dann, wenn sich das Urteil auf die Auslegung des Unionsrechts beschränkt. Allerdings muss das Urteil erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist. Die Prüfung, ob die im jeweiligen Urteil vorgenommene Auslegung des Unionsrechts für die Beurteilung der Begründetheit maßgeblich erscheint, ist dann Sache des nationalen Gerichts. Ferner entschied der EuGH, dass die Richtlinie es erlaube, nicht aber verlange, dass die Mitgliedstaaten ihre Gerichte ermächtigen, über einen Antrag selbst zu entscheiden, wenn das Gericht zuvor eine Entscheidung für nichtig erklärt hatte, durch die ein Folgeantrag als unzulässig abgelehnt worden war.

Strafrechtsverschärfung – KOM

Die EU-Kommission hat am 6. Februar 2024 einen Vorschlag zur Aktualisierung der Richtlinie zu strafrechtlichen Vorschriften über sexuellen Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern vorgelegt. Der Vorschlag COM(2022) 209 final (s. bereits EiÜ 15/22) wurde insbesondere um die Definitionen von Straftatbeständen in Art. 2 erweitertet. So sollen zusätzlich auch Livestreams von Missbrauch, Besitz und Austausch von Anleitungen für Pädophile sowie Darstellungen in Deep Fakes oder KI-generierten Inhalten erfasst werden. Die im ersten Vorschlag enthaltene Verpflichtung für Plattformen zur Meldung und Entfernung von Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch bleibt enthalten. Klarstellend wurde von der Formulierung der „(Kinder)Pornographie“ Abstand genommen und diese durch die Begrifflichkeit des „sexuellen Missbrauchs von Kindern“ ersetzt. Straftaten gem. Art. 3-7, mithin Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch, sexueller Ausbeutung, Inhalten von sexuellem Missbrauch, Aufforderungen von Kindern zu sexuellen Handlungen, sowie Aufforderungen zum sexuellen Missbrauch, sollen nun auch ohne Strafantrag verfolgbar sein. Zudem sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Meldepflichten einzuführen, für Straftaten, die von Personen begangen werden, die im engen Kontakt mit Kindern beschäftigt sind. Über den Vorschlag müssen nun das Europäische Parlament und der Rat verhandeln.

Chatkontrolle: Verlängerung vorübergehender Regelung schreitet voran – EP

Das Plenum des EU-Parlaments hat den Bericht zum Verordnungsvorschlag zur Verlängerung der freiwilligen Chatkontrolle bis zum 3. Mai 2025 akzeptiert. Ausgangspunkt ist die Übergangsverordnung 2021/1232, die bislang lediglich bis zum 3. August 2024 die Möglichkeit für Provider vorsieht, Inhalte mithilfe einer automatisierten Analyse der privaten Kommunikationsdaten freiwillig zu durchleuchten, um den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet zu bekämpfen. Angesichts des noch laufenden – und derzeit im Rat blockierten – Verfahrens zur Ausarbeitung der Chatkontrolle-Verordnung als langfristigem Rechtsrahmen (s. EiÜ 16/23; 18/22) hatte die EU-Kommission eine verlängerte Geltungsdauer der Übergangsverordnung um zwei Jahre vorgeschlagen. Das EU-Parlament bleibt in seinem Bericht nun dahinter zurück. Der Rat fordert in seiner allgemeinen Ausrichtung eine Verlängerung um drei Jahre. Der Trilog kann sofort beginnen und soll offenbar bereits in der kommenden Woche abgeschlossen werden. Der Europäische Datenschutzbeauftragte (Stellungnahme) und der DAV (vgl. Stellungnahmen Nr. 25/2021 und 29/2021) lehnen die Verordnung aufgrund des flächendeckenden Eingriffs in die Grundrechte und Vertraulichkeit der Kommunikation mangels wirksamer Schutzmaßnahmen gegen die verdachtsunabhängige, willkürliche Online-Überwachung ab.

Mehrstimmrechtsaktien: Einigung zum Marktzugang für KMU – Rat/EP

Am 1. Februar 2024 haben der Rat der EU und das EU-Parlament eine vorläufige Einigung (der finale Text liegt noch nicht vor, vgl. aber PM) zum Vorschlag der Kommission über eine Richtlinie zur Einführung von Mehrstimmrechtsaktien erzielt (siehe bereits EiÜ 28/23 mit Hinweis auf die Maßnahmen des erleichterten Kapitalmarktzugangs). Mit der vorläufigen Einigung wird der Anwendungsbereich der Richtlinie auf mehr Märkte als nur die KMU-Wachstumsmärkte ausgedehnt. Bis zum Vorliegen des finalen Textes bleibt abzuwarten, ob darin hinreichende Schutzmaßnahmen für Anleger von Mehrstimmrechtsaktien festgelegt sind. Der DAV hatte die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch Aufhebung der Beschränkung auf ein bestimmtes Marktsegment in seiner Stellungnahme gefordert, vgl. SN 11/2023. Im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsvorschlag steht der Verordnungsvorschlag zur Erleichterung des Kapitalzugangs für KMU sowie der Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente. Im nächsten Schritt muss die vorläufige Einigung vom Rat der EU und dem Plenum des EU-Parlaments final angenommen werden.

Parteivereinbarung begründet einen internationalen Bezug – EuGH

Ein Vertrag zwischen zwei in demselben Mitgliedsstaat ansässigen Parteien, der eine Gerichtsstandsvereinbarung vorsieht, die die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedsstaats vorsieht, bedarf keiner weiteren Verbindung zu diesem anderen Mitgliedsstaat. Dies hat der EuGH in seinem Urteil vom 8. Februar 2024 (Rs. C-566/22) klargestellt, nachdem das oberste Gericht Tschechiens dem Gerichtshof diese Frage vorgelegt hatte. Im Ausgangsfall schlossen zwei Parteien (eine mit Sitz in Tschechien, die andere in der Slowakei) Darlehensverträge mit einer Gerichtsstandsvereinbarung, welche die tschechischen Gerichte für sachlich und örtlich zuständig erklärte. Jahre später trat der tschechische Darlehensgeber die Forderungen an ein Unternehmen mit Sitz in der Slowakei ab. Dieses verklagte die Darlehensnehmerin auf Rückzahlung vor einem tschechischen Gericht mit Berufung auf die Gerichtsstandsvereinbarung. Unter Heranziehung der Verordnung 1215/2012/EU (auch bekannt als Brüssel-Ia-VO bzw. EuGVVO) stellte der EuGH fest: Schon das Vorliegen einer Vereinbarung über den Gerichtsstand zugunsten der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem die Parteien ansässig sind, zeigt den grenzüberschreitenden Bezug des Ausgangsrechtsstreits. Weder der Wortlaut des Art. 25 Abs. 1 EuGVVO sehe weitere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung vor, noch ergebe sich aus dem Zusammenhang, dass es einer weiteren Verbindung zu diesem anderen Mitgliedsstaat bedürfe.

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