EiÜ 07/2023
Einheitliches Patentgericht tritt in Kraft – Bundesregierung
Als 17. Mitgliedsstaat hat Deutschland am 17. Februar 2023 die Urkunde zur Ratifizierung des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPÜG) hinterlegt, vgl. Pressemitteilung. Damit kann das einheitliche Patentsystem in Kraft treten, vgl. EiÜ 30/21. Der DAV befürwortet diese Entwicklung nachdrücklich (vgl. DAV-SN 46/20; EiÜ 26/20). Teil des Einheitlichen Patentsystems ist das Einheitliche Patentgericht, das Verletzungen und Rechtsgültigkeitsfragen in Bezug auf neue Einheitspatente sowie klassische europäische Patente behandeln wird. Patentverletzungen in mehreren Mitgliedsstaaten werden zentral vor dem Einheitlichen Patentgericht einzuklagen sein. Somit müssen grenzüberschreitende Rechtsstreite nicht mehr parallel vor mehreren nationalen Gerichten geführt werden. Das neue Patentsystem soll einen einfacheren und transparenteren Patentschutz ermöglichen, sowie eine Kostensenkung bewirken. Außerdem soll es die Rechtssicherheit fördern und die Wettbewerbsfähigkeit von vor allem kleineren Unternehmen stärken, die ihr geistiges Eigentum umfassender und wirksamer schützen können. Das Einheitliche Patentgericht wird am 1. Juni 2023 seine Tätigkeit aufnehmen.
Klagen gegen Rechtsberatungsverbot (8. Sanktionspaket) – EuGH
Am 20. Februar 2023 wurden die Klagen der niederländisch-sprachigen Brüsseler Anwaltskammer sowie der Pariser Anwaltskammer gegen das im 8. Sanktionspaket enthaltene Rechtsberatungsverbot veröffentlicht (2023/C 63/79, 2023/C 63/80). Das 8. Sanktionspaket war am 06. Oktober 2022 erlassen worden. Die Sanktionen gegen Russland sehen damit u. a. vor, dass die rechtliche Beratung der russischen Regierung sowie in Russland niedergelassener juristischer Personen verboten ist. Mit den Klagen verfolgen die Kammern u. a. das Ziel, das in den Verordnungen (EU) 2022/1904 und (EU) 2022/2472 geregelte Verbot zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen für nichtig erklären zu lassen. Die Klagen gründen zum Einen darauf, dass die getroffenen Regelungen gegen die Begründungspflicht aus Art. 296 AEUV verstießen. Zum Anderen werden Verstöße sowohl gegen das Berufsgeheimnis des Rechtsanwalts aus Art. 7 GRCh als auch gegen das Recht, sich von einem Anwalt „beraten“ zu lassen aus Art. 47 Abs. 2 GRCh gerügt. Es werde weder der Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten geachtet noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Zudem wird gerügt, dass die Regelung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstieße, da weder das Rechtsberatungsverbot noch die Ausnahmetatbestände hinreichend klar gefasst seien. Auf bestehende Unklarheiten hatte auch der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 3/23 hingewiesen.
Update: Beitritt zur Istanbul-Konvention durch die EU - Rat
Am 21. Februar 2023 hat der Rat der EU das EU-Parlament um die Zustimmung zum Beitritt zur Istanbul-Konvention ersucht (vgl. PM). Das Übereinkommen des Europarates ist das erste rechtsverbindliche Instrument für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt und gilt als internationaler Mindeststandard. In der Entschließung des EU-Parlaments (siehe untenstehender Artikel) vom 15. Februar 2023 kritisierten die Abgeordneten die Verzögerung des Beitritts und riefen zugleich zur unverzüglichen Sicherstellung des Beitritts zur Konvention auf. Mit den vorgelegten Ratsbeschlüssen zum Abschluss der Konvention in Bezug auf die Organe und öffentliche Verwaltung der Union einerseits, auf justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, Asyl und Zurückweisungsverbot andererseits, kommt der Rat nun dieser Forderung nach. Die Zustimmung des EU- Parlaments ist vor dem Hintergrund der angenommenen Entschließung lediglich eine Formalität. Das Übereinkommen soll auch der fortwährenden, strukturellen Diskriminierung von Frauen entgegenwirken. Dieses Ziel hat auch das laufende Gesetzgebungsverfahren zum EU-Richtlinienentwurf zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (vgl. EiÜ 09/22).
Abgeordnete fordern Rat zum Beitritt zur Istanbul-Konvention auf – EP
Der Rat der EU ist aufgefordert, unverzüglich den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sicherzustellen. Dies ist die zentrale Forderung einer Entschließung (in Englisch), die das Plenum des EU-Parlaments am 15. Februar 2023 angenommen hat. Das Übereinkommen des Europarates ist das erste rechtsverbindliche Instrument für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt und gilt als internationaler Mindeststandard. Die Unterzeichnung durch die EU erfolgte zwar bereits vor sechs Jahren, seitdem wird der Beitritt jedoch durch einige Mitgliedstaaten im Rat blockiert. Die Abgeordneten bedauern die Verzögerung und weisen in der Entschließung darauf hin, dass nach dem Gutachten 1/19 des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. Oktober 2021 die fehlende Einigung kein Hindernis darstelle. Der EuGH hat nämlich den möglichen Abschluss des Übereinkommens von Istanbul durch die Europäische Union auch ohne einstimmige Entscheidung aller Mitgliedstaaten bestätigt. Parallel zum Beitritt der EU fordert das EU-Parlament sechs Mitgliedstaaten (Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Litauen, Slowakei) zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention auf, da sie diese ebenfalls bisher lediglich unterzeichnet haben.
Stärkere demokratische Resilienz gegen verdeckte Einflussnahme – KOM
Die EU-Kommission hat am 16. Februar 2023 eine Konsultation zu einer Initiative veröffentlicht, durch die Transparenz bei verdeckter Einflussnahme durch Drittstaaten geschaffen werden soll. Die Konsultation erfolgt in Vorbereitung des „Pakets zur Verteidigung der Demokratie“, welches Präsidentin von der Leyen bereits in ihrer Rede zur Lage der Union 2022 ankündigt hatte. Hintergrund ist u.a. die Bedrohung demokratischer Prozesse in der EU durch verdeckte ausländische Einflussnahme. Ziel des Pakets ist es daher, die Widerstandsfähigkeit der EU mittels legislativer und nichtlegislativer Maßnahmen von innen zu stärken sowie das zivilgesellschaftliche Engagement zu fördern. Harmonisierte Vorschriften insbesondere zu Lobbyingaktivitäten sollen an die Stelle von fragmentierten nationalen Rechtsrahmen treten. Während der Schwerpunkt auf die Transparenz der Interessenvertretung gelegt wird, beinhaltet das Paket auch spezifische wahlbezogene Maßnahmen im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament, die im nächsten Jahr anstehen. Das Paket wird auch eine Empfehlung zu sicheren und resilienten Wahlen beinhalten. Eine Beteiligung an der öffentlichen Konsultation ist bis zum 13. April 2023 möglich, das Paket zur Verteidigung der Demokratie wird im zweiten Quartal 2023 erwartet.
Sondierung für einen „EU-Talentpool“ – KOM
Die EU-Kommission hat eine Sondierung für ein neues europaweites Tool zur Zuwanderung qualifizierter Drittstaatsangehöriger gestartet. In ihrer Aufforderung zur Stellungnahme erläutert die EU-Kommission vier verschiedene legislative und nicht-legislative Optionen, um eine legale Zuwanderung zu ermöglichen. Diese ist auch ein Bestandteil des neuen Asyl- und Migrationspakets (vgl. hierzu EiÜ 31/20, zuletzt 3/23). Neben der Beibehaltung des bisherigen Status quo werden nicht legislative Maßnahmen wie die Aktualisierung des EU-Zuwanderungsportals, Stellenbörsen oder ein begrenzter Stellenpool vorgestellt. Als legislative Maßnahmen kommen die Entwicklung eines neuen Talentpools in Betracht, der für die Mitgliedstaaten entweder freiwillig wäre und nur der Weiterleitung an nationale Stellen diene oder aber verpflichtend wäre und für alle Zwecke der Arbeitsmigration gelten würde. Zentral bei den legislativen Optionen wäre der automatische Abgleich von freien Stellen und BewerberInnen nach einem nichtdiskriminierenden System. Die EU-Kommission verspricht sich von den verschiedenen Maßnahmen eine effizientere Steuerung der Arbeitsmigration mit Blick auf den bestehenden Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung. Auch sollen durch die Initiative die Echtheit und Vergleichbarkeit von Qualifikationen überwunden werden. Die Möglichkeit zur Rückmeldung besteht bis zum 16. März 2023.
Polen: Ablehnung angeordneter vorläufiger Maßnahmen – EGMR
Polen wird den vom EGMR am 6. Dezember 2022 in drei Verfahren angeordneten vorläufigen Maßnahmen nicht nachkommen. Dies geht aus einer Mitteilung der polnischen Regierung an den Gerichtshof hervor (vgl. PM). Bei den betroffenen Fällen handelt es sich um drei Richterinnen des Warschauer Berufungsgerichts, die zunächst in der Strafkammer tätig waren. Nachdem sie sich geweigert hatten, ihre richterliche Tätigkeit zusammen mit anderen Richtern auszuüben, welche auf Empfehlung des Nationalen Justizrates (KRS) ernannt werden, wurden sie gegen ihren Willen in eine andere Abteilung des Gerichtes versetzt. Gerügt wurde vom Gerichtshof wieder einmal die mangelnde Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des KRS. Polen wurde daher vom EGMR dazu aufgefordert, bis zu der Entscheidung in der Hauptsache (Beschwerden Nr. 39471/22, 39477/22, 44068/22) die Wirksamkeit der Entscheidungen über die Versetzung auszusetzen und sicherzustellen, dass keine weiteren gerichtsinterne Versetzungen stattfinden. Unter der Berufung auf ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs vom 10. März 2022 weigert sich die polnische Regierung jedoch nun den vorläufigen Anordnungen nachzukommen. Wegen der Unvereinbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der nationalen Verfassung sei aus Sicht der polnischen Regierung die Autorität des EGMR in Fällen der Justizorganisation sowie der Aktivitäten des KRS zu hinterfragen und eine Bindungswirkung dieser vorläufigen Maßnahmen abzulehnen.
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