Europa im Überblick, 08/16

ANHÖRUNG BINNENMARKTSTRATEGIE UND BERICHT BINNENMARKTSTRATEGIE – EP

Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 25. Januar 2016 einen Initiativbericht über die Binnenmarktsteuerung innerhalb des Europäischen Semesters 2016 (Berichterstatterin Catherine Stihler, S&D) angenommen (Vgl. EiÜ 4/16). Über das Europäische Semester wird die Wirtschafts- und Fiskalpolitik der EU-Mitgliedstaaten koordiniert. Nach dem Bericht liegen bei den freien Berufen zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede bei der Regulierung reglementierter Berufe und bei Tätigkeitsvorbehalten vor. Das Parlament unterstreicht, dass eine eventuelle Initiative zu einem Dienstleistungspass nicht zur Einführung des Ursprungslandprinzips führen dürfe. Daneben hat am 23. Februar 2016 im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments (IMCO) eine öffentliche Anhörung zur Binnenmarktstrategie unter anderem im Hinblick auf den gleichnamigen Berichtsentwurf von Lara Comi (EVP) stattgefunden. Die Berichterstatterin fordert die Mitgliedstaaten darin auf, im Dienstleistungsbereich für eine wirkungsvollere Durchführung der Dienstleistungsrichtlinie zu sorgen und dabei Überregulierung zu vermeiden. Ein Vertreter der Europäischen Kommission kündigte im Rahmen der Anhörung eine Konsultation zum Dienstleistungspass für März 2016 an.

AUSSCHLUSS VON SOZIALLEISTUNGEN FÜR ZUZIEHENDE UNIONSBÜRGER – EUGH

Der Ausschluss von zuziehenden Unionsbürgern von bestimmten Sozialleistungen wie den deutschen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und ihre Kinder nach dem SGB II in den ersten drei Monaten des Aufenthalts ist mit Art. 24 der „Unionsbürgerrichtlinie“ 2004/38/EG vereinbar. Eine solche Versagung setzt keine Prüfung der persönlichen Umstände des Betreffenden voraus. Das hat der EuGH am 25. Februar 2016 in der Rs. Garcia-Nieto (C-299/14) entschieden. Dem Vorabentscheidungsverfahren lag ein Fall des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zugrunde. Dieses ist mit dem Fall einer Familie aus Spanien befasst, die zeitlich versetzt nach Deutschland gezogen ist: Ende Juni 2012 kamen ein Spanier und sein minderjähriger Sohn nach Deutschland, wo sich seine Lebenspartnerin bereits seit einigen Monaten mit der gemeinsamen Tochter aufhielt und inzwischen einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachging. Mit Beginn des Schuljahrs 2012/13 gingen die beiden Kinder in Deutschland zur Schule. Für die Monate August und September 2012 wurden dem Spanier und seinem Sohn Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung verwehrt, dass sie sich noch keine drei Monate in Deutschland aufhielten. Der EuGH folgte mit seinem Urteil den Schlussanträgen des Generalanwalts.

VERBINDLICHE MINDESTPREISE – VERFAHREN GEGEN DEUTSCHLAND – KOM

Die Europäische Kommission hat am 25. Februar 2016 die Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und drei weitere Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) verschärft (vgl. Pressemitteilung). Im Juni 2015 hatte die Kommission u.a. ein Aufforderungsschreiben an Deutschland gesandt mit der Aufforderung, verbindliche Mindestpreise bei Architekten, Ingenieuren und Steuerberatern aufzuheben (EiÜ 23/15). Nachdem Deutschland nun zugesagt habe, im Falle der Steuerberater Abhilfe vergleichbar der Regelung im RVG zu schaffen, habe die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme lediglich im Hinblick auf die Mindest- und Höchsthonorare für Architekten und Ingenieure an die Bundesrepublik gerichtet. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, hierauf zu antworten und den Forderungen nachzukommen. Geschieht dies nicht, kann die Kommission gemäß Artikel 258 Abs. 2 AEUV Klage vor dem Gerichtshof erheben. Die Kommission hat daneben ebenfalls am 25. Februar 2016 beschlossen, die Tschechische Republik beim Gerichtshof der EU zu verklagen, da diese nur tschechischen Staatsangehörigen erlaube, den Beruf des Notars zu ergreifen und auszuüben, und somit Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten ausschließe. Dies laufe den Regeln der Niederlassungsfreiheit zuwider und sei nicht mit Artikel 51 AEUV zu rechtfertigen, der mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundene Tätigkeiten betreffe (Vgl. Pressemitteilung). Nach Ansicht der Kommission unterscheide sich die Tätigkeit der tschechischen Notare nicht wesentlich von der vom Gerichtshof in anderen Vertragsverletzungsverfahren – unter anderem gegen Deutschland (Rs. C-54/08) – bereits untersuchten. Demnach müsse die Tätigkeit eines Notars unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wurde im Verfahren gegen Deutschland im Hinblick auf die damalige Rechtslage verneint.

INDEX FÜR DIE DIGITALE WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT: NOCH SPIELRAUM FÜR EU – KOM

Die Europäische Kommission hat am 24. Februar 2016 die Ergebnisse des Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) für das Jahr 2016 veröffentlicht. Diese belegen, dass die Mitgliedstaaten Fortschritte auf Gebieten wie Konnektivität und digitale Kompetenzen, aber auch bei öffentlichen Diensten gemacht haben, seitdem die Kommission im letzten Jahr die Strategie für den digitalen Binnenmarkt veröffentlicht hat. Trotz dieser Verbesserungen verlangsamte sich allerdings das Fortschrittstempo. Sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene bestehe Handlungsbedarf, um die Hemmnisse zu beseitigen, die verhindern, dass die EU-Mitgliedstaaten die digitalen Chancen voll ausnutzen. Deutschland liegt im gesamteuropäischen Vergleich auf Platz neun und ist somit im Vergleich zum Vorjahr einen Platz nach vorn gerückt. Zum ersten Mal vergleicht die Kommission die EU auch mit einigen der Staaten, die weltweit bei der Digitalisierung am weitesten fortgeschritten sind (Japan, USA und Südkorea). Im Bereich elektronischer Handel wird die Kommission im Mai ein Legislativpaket vorlegen, um diesen weiter zu steigern. In dem Paket sollen unter anderem Maßnahmen enthalten sein, die darauf abzielen, ungerechtfertigte geografische Sperren zu unterbinden, die Transparenz auf grenzüberschreitenden Paketmärkten zu erhöhen und die EU-Verbraucherschutzvorschriften auch grenzüberschreitend besser durchzusetzen.

INTERINSTITUTIONELLE VEREINBARUNG BESSERE RECHTSSETZUNG – EP

Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) des Europäischen Parlaments hat am 23. Februar 2016 einen Berichtsentwurf zu dem im Dezember 2015 zwischen EU-Kommission, Rat und EU-Parlament erzielten Kompromiss für eine neue Interinstitutionelle Vereinbarung für bessere Rechtsetzung angenommen. Diese Vereinbarung wird zu Veränderungen im Bereich der Konsultationen und Folgenabschätzungen bis hin zur Annahme, Umsetzung und Bewertung von EU-Rechtsvorschriften führen. In dem Bericht begrüßt der Ausschuss insbesondere die mehrjährige interinstitutionelle Programmplanung, die Weiterbehandlung der Gesetzgebungsinitiativen des Parlaments durch die Kommission und die Regelung von Begründungen und Konsultationen zu beabsichtigten Rücknahmen von Rechtsetzungsvorschlägen. Kritisch wird bemerkt, dass noch kein echtes Gleichgewicht zwischen den Gesetzgebern im gesamten Gesetzgebungsverfahren hergestellt sei, was den gegenseitigen Zugang zu Informationen und Sitzungen anbelange. Das Parlament warnt davor, dass der vereinbarte informelle Austausch von Standpunkten sich nicht zu einem neuen Forum intransparenter Verhandlungen entwickeln solle. Der Bericht des AFCO-Ausschusses wird nun voraussichtlich am 8. März 2016 im Plenum des Europäischen Parlaments diskutiert.

Europa im Überblick abonnieren

Verpassen Sie keine wichtigen rechtlichen Entwicklungen in Europa! Abonnieren Sie unseren E-Mail-Newsletter „Europa im Überblick“ und bleiben Sie stets informiert über die neuesten EU-Gesetzgebungen, Rechtsprechungen und deren Auswirkungen auf Ihre Praxis.

Kommentare

0 Kommentare zum Artikel
Was ist die Summe aus 2 und 4?