WEISSBUCH ZUR ZUKUNFT DER EUROPÄISCHEN UNION – KOM
Welchen Weg soll die EU mit 27 Mitgliedstaaten künftig gehen? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat dazu am 1. März 2017 ein Weißbuch zur Zukunft der EU mit 5 möglichen Szenarien veröffentlicht. Mit einem "Weiter so" würden voraussichtlich keine tiefergehenden Probleme gelöst. Eine Reduzierung der EU auf ihren Binnenmarkt hingegen würde die Zahl der Streitpunkt reduzieren, aber das Lösen gemeinsamer Probleme erschweren. Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, in denen Staatengruppen auf einzelnen Politikfeldern schneller voranschreiten als der Rest, berge das Risiko, Ungleichgewichte und Intransparenz innerhalb der EU zu verstärken. Eine Rückführung der EU auf ihre Kernkompetenzen würde die EU schneller und effizienter machen. „EU-Föderalismus“ könnte man das Szenario der umfassenden Erweiterung der Zusammenarbeit in allen Politikbereichen nennen. In den kommenden Monaten sollen thematische Diskussionspapiere diese Szenarien ergänzen, etwa zur sozialen Dimension Europas, zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, zur Zukunft der europäischen Verteidigung und zur Zukunft der EU-Finanzen. Der Europäische Rat könnte erste Schlussfolgerungen im Dezember 2017 ziehen.
AUSSCHÜSSE POSITIONIEREN SICH ZUR GELDWÄSCHERICHTLINIE – EP
Am 28. Februar 2017 haben die für den Richtlinienvorschlag zur Überarbeitung der 4. Geldwäscherichtlinie COM(2016) 450 (s. EiÜ 24/16) federführenden Ausschüsse für Wirtschaft und Währung (ECON) und Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments ihren Berichtsentwurf angenommen. Nachdem 467 Änderungsanträge (50-290; 291-467) gestellt worden waren, einigten sich die Ausschüsse im Rahmen von Kompromissänderungsanträgen auf einen finalen Text (noch nicht veröffentlicht). Entgegen der Auffassung des Rates (s. EiÜ 42/16) und des DAV (s. DAV-Stellungnahme 72/2016) stimmten die Ausschüsse dabei u.a. für eine Absenkung des Schwellenwertes zur Ermittlung von wirtschaftlichen Eigentümern auf unter 25 %. Darüber hinaus sollen Selbstverwaltungseinrichtungen Jahresberichte u.a. zur Anzahl der Meldungen an die zentralen Meldestellen sowie von Verstößen veröffentlichen. Zudem wird die Kommission aufgefordert, bis Juni 2017 einen Legislativvorschlag zur Schaffung einer zentralen europäischen Meldestelle zur Koordinierung der nationalen zentralen Meldestellen vorzulegen. Nun können die Trilogverhandlungen beginnen.
BEGRÜSSENSWERTER NEUER ANSATZ IM INSOLVENZRECHT – DAV
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich mit seiner Stellungnahme Nr. 17/2017 zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU geäußert (s.a. EiÜ 38/16). Insbesondere befürwortet werde das Konzept der Einführung von Restrukturierungsplänen für Unternehmen zur vorbeugenden Abwendung einer Insolvenz zunächst ohne gerichtliche Beteiligung. Allerdings solle dieses Verfahren auf nationale und EU-weite Konzernsachverhalte ausgeweitet werden. Die Restrukturierungspläne sollten unter der Zustimmung des Schuldners stehen und hinsichtlich der Abstimmung durch die Gläubiger eine obligatorische Mehrheit von 75 % erreichen. Zudem müsse vor Einleitung der Restrukturierungsmaßnahmen für einen Zeitraum von 6 Monaten gewährleistet sein, dass das Unternehmen operativ ertragreich wirtschafte bzw. eine positive Fortführungsprognose bestehe. Der DAV setzt sich zudem für Einsatz eines unabhängigen Restrukturierungsbeauftragten ein. Auch müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger weitestgehend beachtet werden.
RECHTSRAT ALS MASSNAHME HUMANITÄRER HILFE VERANKERN! – DAV/EP
In der Not braucht es nicht nur Obdach, Nahrung und medizinische Versorgung, sondern auch belastbare Hinweise, wie das Leben weitergehen kann. Daher macht sich der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 13/2017 dafür stark, dass individuelle und unabhängige Rechtsberatung als Standardmaßnahme der humanitären Hilfe etabliert wird und künftig flächendeckend und systematisch zur Verfügung steht, indem sie in die Verordnung Nr. 1257/96 über die humanitäre Hilfe aufgenommen wird. Bei einem Interparlamentarischen Treffen im EU-Parlament am 28. Februar 2017 über die Zukunft des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wies der Vorsitzende des CCBE Migration Law Committee, David Conlan-Smyth, auf dieses Anliegen hin. Conlan-Smyth stellte dort das gemeinsame DAV/CCBE-Projekt „European Lawyers in Lesvos“ auf einem Panel zum Thema „Rechtsberatung und Alternativen zur Haft im Asylverfahren“ vor (s. Video).
PORTABILITÄT VON ONLINE-DIENSTEN: KOMPROMISS ANGENOMMEN – EP
In seiner Sitzung am 28. Februar 2017 hat der federführende Rechtsausschuss (JURI) den Kompromisstext (bisher nur auf Englisch verfügbar) zum Verordnungsentwurf COM(2015) 627 zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt angenommen (s. dazu bereits EiÜ 6/17). Die Verordnung betrifft kostenpflichtige Online-Inhaltedienste wie Film- oder Musikabonnements, deren Nutzung und damit einhergehend auch die Nachfrage nach der grenzüberschreitenden Portabilität der Inhalte in Zukunft steigen werden. Nach der noch ausstehenden Billigung durch das Parlamentsplenum und den Rat der EU gilt die Verordnung sodann ab Anfang 2018.
KOMMT DER MULTILATERALE INVESTITIONSGERICHTSHOF? – KOM
Am 27. Februar 2017 hat die EU-Kommission ein Stakeholdermeeting über die geplante multilaterale Reform von Investitionsstreitigkeiten einschließlich der möglichen Schaffung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs veranstaltet (s. EiÜ 01/17; DAV-Stellungnahme Nr. 52/16). Die über 130 Interessenvertreter brachten unterschiedliche Bedenken und Vorschläge ein, z.B. dass lokale Rechtsmittel erschöpft sein müssen, bevor der Investitionsgerichtshof angerufen werden könne, dass die Besetzung des Investitionsgerichtshofs mit erfahrenen, dauerhaft angestellten Experten erfolgen solle, dass die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen sichergestellt werden müsse und dass trotz der Vielzahl an unterschiedlichen bilateralen Verträgen eine einheitliche Rechtsprechung erforderlich sei. Die EU-Kommission plant, im Sommer 2017 einen Bericht über die Auswertung der noch bis zum 15. März 2017 laufenden Konsultation zu veröffentlichen und bis Ende 2017 dem Rat gem. Art. 207 Abs. 3 und 218 Abs. 2 AEUV den Vorschlag für ein Verhandlungsmandat vorzulegen. Erst nach der Ermächtigung durch den Rat darf die EU-Kommission in Verhandlungen mit den anderen interessierten Staaten eintreten.
INITIATIVE ZU MINDESTSTANDARDS IM ZIVILVERFAHREN – EP
Die Debatte über die Harmonisierung des Zivilprozessrechts in der EU hat neuen Antrieb bekommen: Am 27. Februar 2017 legte Emil Radev (EVP) im Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) seinen Berichtsentwurf zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der EU vor (s. EiÜ 02/16). Aus Sicht Radevs würden solche Mindeststandards das Vertrauen zwischen den nationalen Justizsystemen steigern. In dem Berichtsentwurf wird Artikel 81 Abs. 2 AEUV als die geeignete Rechtsgrundlage hierfür angesehen und die Kommission aufgefordert, einen hierauf gestützten Richtlinienvorschlag bis zum 30. Juni 2018 vorzulegen. Dieser solle auf zivilrechtliche Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug Anwendung finden. In der Anlage des Berichtsentwurfs findet sich als Empfehlung ein ausformulierter Richtlinienvorschlag. Demnach sollen die Mitgliedstaaten u.a. einen effektiven Zugang zum Recht durch Prozesskostenhilfe und das Recht auf Wahl eines Rechtsanwaltes gewähren. Ebenfalls sichergestellt werden sollen der Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und die grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken. Die nationalen Justizsysteme sollen zudem ermöglichen, dass Ausbildungseinrichtungen, Gerichte und Rechtspraktiker ihre juristischen Aus- und Fortbildungsprogramme verstärken. Der Ausschuss stimmt voraussichtlich Ende Mai 2017 ab.
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