Europa im Überblick, 10/17

BEGLAUBIGUNG ÖFFENTLICHER URKUNDEN NUR DURCH NOTARE - EUGH

Eine Regelung, nach der die Beglaubigung von Unterschriften auf den zur Schaffung oder Übertragung von Rechten an Liegenschaften erforderlichen Urkunden Notaren vorbehalten ist, verstößt weder gegen die Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte 77/249/EWG, noch gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV. Dies urteilte der EuGH am 9. März 2017 in der Rs. Piringer (C‑342/15) und folgte damit den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar. Im zugrundeliegenden Fall hatte das österreichische Grundbuchgericht einen Antrag auf Bewilligung einer Eintragung ins Grundbuch zurückgewiesen, da die Echtheit der Unterschrift nicht von einem Notar, sondern von einem tschechischen Rechtsanwalt beglaubigt worden war. Die Ablehnung der Anerkennung der Beglaubigung stelle zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV dar, sei jedoch gerechtfertigt. Denn in den Mitgliedstaaten, die das lateinische Notariat kennen, komme dem Grundbuch u. a. im Rahmen von Grundstückstransaktionen entscheidende Bedeutung zu, so der EuGH. Insbesondere habe jede Grundbuchseintragung konstitutive Wirkung. Die Führung des Grundbuchs stelle somit insofern einen wesentlichen Bestandteil der vorsorgenden Rechtspflege dar, als sie die ordnungsgemäße Rechtsanwendung und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen gewährleisten solle, was zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Staates gehöre.

ÖFFENTLICHE KONSULTATION ZUM SCHUTZ VON WHISTLEBLOWERN – KOM

Wie können Whistleblower wirksam geschützt werden? Das ist eine der Fragen, auf die die Europäische Kommission in der am 3. März 2017 eingeleiteten öffentlichen Konsultation Antworten sucht. Daraus will sie mögliche neue Maßnahmen ableiten, um das unterschiedliche Schutzniveau in den Mitgliedsstaaten anzugleichen (s. auch EiÜ 5/17). Die Kommission hatte u.a. bereits in der Mitteilung COM(2016) 451 (s. EiÜ 24/16) unterstrichen, dass wirksame Maßnahmen zum Schutz von Personen erforderlich sind, die Informationen über eine Gefahr oder Bedrohung für das öffentliche Interesse melden oder offenlegen und damit einen Beitrag zu einer verbesserten Aufdeckung von Betrug, Steuerhinterziehung und Steuerumgehung leisten. Auch das Europäische Parlament hatte die Kommission in einer Entschließung zu zügigem legislativen Handeln beim Schutz von Hinweisgebern aufgefordert (s. EiÜ 7/17). Der Fragebogen kann noch bis zum 29. Mai 2017 ausgefüllt werden.

ARBEITSZEITRICHTLINIE WIRD NICHT ÜBERARBEITET – KOM

Die Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) soll derzeit nicht überarbeitet werden. Stattdessen sollen im zweiten Quartal 2017 Leitlinien für die bessere Umsetzung der Richtlinie veröffentlicht werden. Dies geht aus einer Roadmap hervor, die die EU Kommission am 28. Februar 2017 veröffentlicht hat (nur auf Englisch verfügbar). Nachdem sich innerhalb der letzten Jahre umfassende Probleme bei der Anwendung der Richtlinie gezeigt hatten (s. DAV-Stn. Nr. 9/2015), führte die EU-Kommission seit 2010 eine Überprüfung der Richtlinie unter anderem mit einer öffentlichen Konsultation im Frühjahr 2015 durch (s. EiÜ 42/14). Die Leitlinien seien erforderlich, da die Richtlinie einerseits in vielerlei Hinsicht unklar sei (z.B. der persönliche Anwendungsbereich, die Definition der Arbeitszeit/Bereitschaftszeit, der Zeitpunkt der Ausgleichsruhezeiten, der bezahlte Jahresurlaub) und andererseits in den Mitgliedstaaten falsch angewendet werde. In den Leitlinien sollen die wichtigsten Urteile des EuGH zusammengefasst und weitere Informationen für die Umsetzung der Richtlinie gegeben werden. Hierdurch soll größere Rechtssicherheit für nationale Gesetzgeber bewirkt und sollen Arbeitgeber über ihre sich aus der Richtlinie ergebenden Pflichten aufgeklärt werden. Neben den Leitlinien soll ein gesonderter Bericht den Stand der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten analysieren.

FAHRPLAN ZU SUPRANTIONALEN GELDWÄSCHERISIKEN – KOM

Die Europäische Kommission hat am 28. Februar 2017 ihren Fahrplan zur supranationalen Bewertung der Risiken bei Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung für den Binnenmarkt veröffentlicht. Wie in Art. 6 der 4. Geldwäscherichtlinie 2015/849/EU angelegt, kündigt die Kommission in dem Fahrplan an, hierzu einen ersten Bericht am 26. Juni 2017 vorzulegen, ggf. gefolgt von legislativen Vorschlägen. In dem Bericht soll nicht nur die Untersuchung verschiedener Risikoszenarien vorgestellt, sondern sollen auch mögliche Maßnahmen zur Ermittlung, Steuerung und Minderung des Risikos von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorschlagen werden. Zur Identifizierung typischer Geldwäscherisiken hat die Kommission seit Februar 2016 Workshops durchgeführt, an denen für die Anwaltschaft der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) teilnahm. Als nächsten Schritt will die Kommission noch im März 2017 in einem Workshop mögliche Aktionen zur Minderung des Risikos von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung diskutieren.

KEINE VERPFLICHTUNG ZUR ERTEILUNG HUMANITÄRER VISA – EUGH

Am 7. März 2017 hat der EuGH sein Urteil in der Rs. „X und X/Belgien“ (C-638/16 PPU) zur Frage gefällt, ob die Mitgliedstaaten nach Unionsrecht zur Erteilung humanitärer Visa verpflichtet sind. Dies ist nicht der Fall, so der EuGH, und folgte somit nicht den Anträgen des Generalanwälts Mengozzi (s. EiÜ 6/17). Der Vorlage lag der Fall einer syrischen Familie zugrunde, die bei der belgischen Botschaft in Beirut Anträge auf die Erteilung von räumlich beschränkten Visa nach dem EU-Visakodex (Verordnung Nr. 810/2009) gestellt hatte, um nach Ankunft in Belgien Asylanträge stellen zu können. Das belgische Ausländeramt lehnte die Anträge ab, da der Visakodex nur Aufenthalte von höchstens 90 Tagen erfasse und die Familie beabsichtigt habe, sich länger in Belgien aufzuhalten. Die Familie klagte und das belgische Gericht legte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Visakodex sowie der Art. 4 und 18 der Grundrechte-Charta vor. Die Anträge der Familie, so der EuGH, fielen nicht in den Anwendungsbereich des EU-Visakodex, da dieser die Voraussetzungen für die Durchreise oder für geplante Aufenthalte von höchstens 90 Tagen festlege. Es stehe den Mitgliedsstaaten jedoch frei, nach nationalem Recht Einreisevisa zu vergeben. Der Unionsgesetzgeber habe bisher keinen  Rechtsakt erlassen, der die Voraussetzungen zur Erteilung von Visa oder Aufenthaltstitel für einen langfristigen Aufenthalt aus humanitären Gründen regele.

PARLAMENT BEZIEHT STELLUNG ZUR DUBLIN-IV-VERORDNUNG – EP

Am 9. März 2017 hat sich der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments mit dem Vorschlag COM(2016) 270 der Dublin-IV-Verordnung befasst. Nach dem Berichtsentwurf von Berichterstatterin Cecilia Wikström (ALDE, Schweden) sollen sich Mitgliedsstaaten insbesondere nicht, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, von ihren Aufnahmeverpflichtungen durch eine Zahlung von 250.000 Euro pro Asylsuchendem „freikaufen“ können. Wikström hält es für „nicht hinnehmbar, Menschen mit einem solchen Preisschild zu versehen“. Stattdessen schlägt sie vor, Zuweisungen im Rahmen des Europäischen Struktur- und Investitionsfonds mit der Beteiligung an der Verteilung der Geflüchteten zu verknüpfen. Ebenso soll für den Korrekturmechanismus, nach dem die Verteilung der Asylsuchenden bei Überlastung einzelner Mitgliedstaaten erfolgen soll, eine Übergangsfrist von fünf Jahren gelten, um die bisher unterschiedliche Beteiligung der Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme von Geflüchteten langsam anzugleichen.  Der Berichtsentwurf sieht auch eine Rücknahme der im Verordnungsentwurf vorgesehenen und vom DAV kritisierten Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten vor (s. DAV Stn. 67/16; EiÜ 32/16). Wikström schlägt außerdem klarere Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten vor, um der Sekundärmigration entgegenzuwirken. Diese hatte der DAV ebenfalls bereits in seiner Stellungnahme bemängelt.

RICHTLINIE ZUR TERRORISMUSPRÄVENTION ANGENOMMEN – RAT

Am 7. März 2017 hat der Rat der EU den Kompromisstext der Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung gebilligt (s. Pressemitteilung). Dieser stellt Handlungen zur Vorbereitung und Planung von Terrorangriffen EU-weit unter Strafe (s. bereits EiÜ 07/17, 40/16, 24/16, 10/16). Durch die Annahme des Rates ist das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Die Mitgliedsstaaten haben nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU 18 Monate Zeit zur Umsetzung in innerstaatliches Recht.

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