Europa im Überblick, 11/16

KEINE VERANTWORTLICHKEIT FÜR URHEBERRECHTSVERLETZUNGEN BEI ÖFFENTLICHEM WLAN? – EUGH

Steht der EU ein Urteil bevor, das zu mehr freiem WLAN führt? In seinen Schlussanträgen vom 16. März 2016 im Fall Tobias McFadden gg. Sony Music (Rs. C-484/14) geht Generalanwalt Szpunar davon aus, dass gemäß Artikel 12 Abs. 1 der Richtlinie 200/31/EG („E-Commerce-Richtlinie“) eine Person, die als Nebentätigkeit ein lokales WLAN-Netz betreibt, das öffentlich und unentgeltlich verfügbar ist, nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich ist. Trotz dieser Haftungsbeschränkung sei es aber nach Artikel 12 Abs. 2, 15 Abs. 1 der Richtlinie unter anderem möglich, eine gerichtliche Anordnung zu erlassen, die es dem Adressaten freistelle, welche konkreten Maßnahmen er ergreife, um es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über den in Rede stehenden Internetanschluss die Rechte an einem geschützten Werk zu verletzen. Einer Anordnung, welcher der Adressat nur nachkommen könne, indem er den Internetanschluss stilllege, mit einem Passwortschutz versehe oder sämtliche über diesen Anschluss laufende Kommunikation dahin untersuche, ob ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk erneut rechtswidrig übermittelt werde, stehe der Richtlinie jedoch entgegen. Die Auferlegung der Pflicht, den Zugang zum WLAN-Netz zu sichern, um Urheberrechte zu schützen, würde dem Erfordernis zuwiderlaufen, zwischen dem Recht des geistigen Eigentums und der unternehmerischen Freiheit der betroffenen Dienstanbieter ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen. Darüber hinaus würde eine solche Maßnahme durch die Beschränkung des Zugangs auf rechtmäßige Kommunikation das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einschränken.

RICHTLINIE TERRORISMUSBEKÄMPFUNG: HOHLMEIER LEGT BERICHTSENTWURF VOR – EP

EU-Parlamentarierin Monika Hohlmeier (EVP) hat am 17. März 2016 ihren Berichtsentwurf zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Terrorismusbekämpfung im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments vorgestellt. Gegenüber dem Vorschlag der Kommission und der Position des Rates setzt Hohlmeier dabei den Fokus verstärkt auf den Opferschutz und den Ausbau von Maßnahmen zur Strafermittlung (s. EiÜ 10/16 und 40/15). So sollen Opfer von Terrorismus hinreichend staatlichen Schutz vor Vergeltungs- und Einschüchterungsversuche beziehen können. Strafverfolgungsbehörden sollen im Kontext von digitalen Medien, der zunehmenden Verflechtung von Kriminalität und Terrorismus und der räuberischen Ausbeutung von Kulturgütern in Kriegsgebieten weitergehende Befugnisse erhalten, wobei ein ständiger behördlicher Austausch zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet sein soll. Gemäß dem Berichtsentwurf soll zudem Artikel 9 der Richtlinie, der das Reisen zu terroristischen Zwecken unter Strafe stellt, weiter präzisiert werden (s. zur Kritik an dem Artikel EiÜ 10/16). Kritisiert wurde in der Ausschusssitzung, dass bisher keine Folgenabschätzung hinsichtlich möglicher Einschränkungen von Grundfreiheiten durchgeführt worden sei. Änderungsanträge können bis zum 7. April 2016 eingereicht werden.

EUROPÄISCHE STAATSANWALTSCHAFT: VERHANDLUNGSENDE IN SICHT? – RAT

Zweieinhalb Jahre verhandeln die Justizminister der EU-Staaten bereits über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft, die (zunächst nur) bei Betrugsstraftaten zulasten der finanziellen Interessen der EU ermitteln soll. Die Verhandlungen schreiten derzeit zügig voran und könnten noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Dies wurde bei einer öffentlichen Diskussion der Justizminister am 11. März 2016 deutlich (s. Video). Derzeit werden die Vorschriften zur Finanzierung der Europäischen Staatsanwaltschaft diskutiert. Vorläufig abgeschlossen sind bereits die Kapitel I-V der Verordnung zur Errichtung der Behörde und damit insbesondere die Struktur und die Verfahrensgarantien der Europäischen Staatsanwaltschaft (vgl. zusammenfassendes Sachstandsdokument des Rates vom 22. Dezember 2015). Sobald die Verhandlungen der Justizminister abgeschlossen sind, wird die überarbeitete Verordnung dem Europäischen Parlament vorgelegt, das wegen des hier einschlägigen Zustimmungsverfahrens nur zustimmen oder ablehnen kann. Frühestens 2018 wird die erste europäische Ermittlungsbehörde dann ihre Tätigkeit aufnehmen.

DUBLIN III: URTEIL ZUR AUSWEISUNG IN SICHERE DRITTSTAATEN – EUGH

Art. 3 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung Nr. 604/2013 gestattet es den EU-Mitgliedstaaten, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen, unabhängig davon, ob es sich um den für die Bearbeitung des Antrags zuständigen Mitgliedstaat oder einen anderen Mitgliedstaat handelt. Dies urteilte der EuGH am 17. März 2016 im Fall PPU - Mirza (Rs. C-695/15, bislang nur auf FR verfügbar). Das Vorabentscheidungsersuchen kam aus Ungarn. Die dortigen Behörden hatten einen pakistanischen Asylsuchenden nach Serbien zurückverweisen wollen. Der Mann war im August 2015 rechtswidrig aus Serbien nach Ungarn eingereist und hatte dort einen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Während das Verfahren lief, verließ er den ihm von den ungarischen Behörden zugewiesenen Aufenthaltsort, was als stillschweigende Rücknahme des Asylgesuchs gewertet wurde. In der Folge wurde der Pakistaner in der Tschechischen Republik aufgegriffen, als er versuchte, nach Österreich zu gelangen. Ungarn nahm den Mann daraufhin wieder auf, wo dieser einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Diesen wiesen die Behörden als unzulässig zurück, da Serbien für den Antragsteller ein sicherer Drittstaat sei. Der Mitgliedstaat dürfe eine Person auch in einen sicheren Drittstaat zurückweisen, so der EuGH, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens seine Zuständigkeit nach dieser Verordnung für die Bearbeitung des Antrags bejaht hat.

VEREINBARUNG ÜBER BESSERE RECHTSETZUNG ANGENOMMEN – RAT

Kommission, Rat und EU-Parlament werden schon bald besser bei der Rechtssetzung zusammenarbeiten. Der Rat für allgemeine Angelegenheiten hat am 15. März 2016 die Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung offiziell angenommen, deren Text bereits im Dezember 2015 vereinbart worden war (vgl. bereits EiÜ 42/15, Pressemitteilung des Rates). Inhalt der Vereinbarung ist u.a. eine jährliche Diskussion und stärkere Abstimmung zwischen den drei Organen zum jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission. So sollen gemeinsame gesetzgeberische Prioritäten für das Folgejahr festgelegt werden. Folgenabschätzungen bei neuen Initiativen werden, unter Berücksichtigung der Auswirkungen neuer Rechtsvorschriften auf die Wettbewerbsfähigkeit (insbesondere für KMU), verstärkt. Die Organe werden eine jährliche Bewertung bestehender EU-Gesetze mit Blick auf Vereinfachung, Vermeidung von Überregulierung und Verringerung des Verwaltungsaufwands vornehmen. Eine gemeinsame Datenbank über den Fortschritt der Gesetzgebungsvorgänge soll eingerichtet werden, um die Transparenz der Arbeit der Organe zu verbessern und der Öffentlichkeit eine leichtere Verfolgung des Gesetzgebungsverfahrens zu ermöglichen. Die Vereinbarung ist nun von den Präsidenten der drei Organe zu unterzeichnen. Sie wird im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt am selben Tag in Kraft.

EIÜ-BEZUG – HINWEISE

Zum Bezug der EiÜ genügt eine Nachricht an bruessel@eu.anwaltverein.de unter Angabe des örtlichen Anwaltvereins. Die EiÜ ist auch abrufbar unter: http://www.anwaltverein.de/leistungen/europa-im-ueberblick. Für einen französischen oder spanischen Überblick über anwaltsrelevante EU-Themen („Europe en bref“ bzw. „Europa en breve“) wenden Sie sich bitte an unsere Kollegen von der Délégation des Barreaux de France unter dbf@dbfbruxelles.eu bzw. vom Consejo General de la Abogacía Española unter bruselas@abogacia.es. Der Newsletter des Rats der europäischen Anwaltschaften CCBE kann hier abonniert werden: http://www.ccbe.eu/index.php?id=9&L=0. Sie finden uns auch auf Twitter: GermanBarAssociation @DAVbxl.

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