EiÜ 12/2024
Entwurf des Verhandlungsmandats zur Zahlungsverzugsverordnung steht – EP
Das Gesetzgebungsverfahren zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr schreitet voran. Am 20. März 2024 hat der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des EU-Parlaments den Berichtsentwurf der Berichterstatterin Róża Thun und Hohenstein (Renew, Polen) unter Änderungen angenommen, vgl. auch PM. Der DAV positionierte sich in der SN Nr. 76/23 zu dem Kommissionsvorschlag im Sinne der Vertragsfreiheit und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (vgl. Art. 119 Abs. 1 AEUV) gegen festgelegte starre Zahlungsfristen: Im Konkreten sieht der Vorschlag eine geplante Verkürzung der im Geschäftsverkehr derzeit geltenden Höchstfrist für vertragliche Zahlungsziele von regelmäßig 60 Tage (vgl. § 271a Abs. 1 S. 1 BGB) auf zwingende 30 Tage vor, vgl. EiÜ 30/23. In dem in der Endfassung noch nicht verfügbaren Bericht ist zwar weiterhin eine grundsätzliche 30-tägige Zahlungsfrist vorgesehen (Art. 3 Abs. 1 VO-E). Allerdings kann bei ausdrücklicher Vereinbarung die Frist auf bis zu 60 Tage im unternehmerischen Geschäftsverkehr (Art. 3 Abs. 1a VO-E) oder gar auf bis zu 120 Tage für bestimmte Produktkategorien (Art. 3 Abs. 1b VO-E) verlängert werden. Der Berichtsentwurf soll am 22. April 2024 im Plenum angenommen werden, das Gesetzgebungsverfahren aber erst im nächsten politischen Zyklus abgeschlossen werden.
Fehlende Überprüfung vorzeitiger Amtszeitbeendigung rechtswidrig – EGMR
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich in seinem Urteil vom 26. März 2024 in der Rs. 54699/14 (in Englisch) zur vorzeitigen Entlassung aus dem Justizdienst und der fehlenden Möglichkeit einer Überprüfung durch die Gerichte geäußert. In dem konkreten Fall erkannte der EGMR auf eine Verletzung des Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK. Zugrunde liegt die Beschwerde eines ehemaligen Vizepräsidenten des türkischen Inspektionsausschusses des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte, der auf der Grundlage eines von der türkischen Nationalversammlung im Jahr 2014 zur Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erlassenen Gesetzes vorzeitig entlassen worden war. Durch Urteil des türkischen Verfassungsgerichts von 2014 wurde zwar das der Amtszeitbeendigung zugrundeliegende Gesetz für verfassungswidrig erklärt, doch mangels rückwirkender Kraft verfassungsgerichtlicher Urteile nach der türkischen Verfassung wurde der Beschwerdeführer nicht wieder in sein Amt eingesetzt. Das Verfassungsgericht erklärte sich für einen anschließend erhobenen Individualantrag des Beschwerdeführers als unzuständig. In Anlehnung an die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist der EGMR der Auffassung, dass die durch Gesetz erfolgte Amtszeitbeendigung des Beschwerdeführers mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar und daher unrechtmäßig war. Für eine ausnahmsweise zulässige Beschränkung des Rechts auf Zugang zu den Gerichten bestanden dem EGMR zufolge keine gewichtigen Gründe.
Verabschiedung des Medienfreiheitsgesetzes – Rat
Journalist:innen und Medienunternehmen sollen besser vor staatlicher Einflussnahme geschützt werden. Der Rat hat dazu am 26. März 2024 das Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) verabschiedet. Die Verordnung zielt auf den Schutz der Medienfreiheit, des Medienpluralismus und der redaktionellen Unabhängigkeit in der EU als wesentliches Element jeder freien und demokratischen Gesellschaft ab, vgl. EiÜ 03/24; 30/22; 01/22. Durch die Verordnung sollen die Eigentumsverhältnisse von Mediendienstanbietern ebenso wie staatliche Werbung transparenter werden. Außerdem enthält die Verordnung die Verpflichtung für Mitgliedstaaten, den wirksamen Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie von Medienanbietern bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu gewährleisten. Zwangsmaßnahmen zur Beschaffung von Informationen über die Quellen oder vertrauliche Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten werden ebenfalls verboten. 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU tritt die Verordnung in Kraft.
Geistiges Eigentum: Schutzmaßnahmen und bessere Durchsetzung – KOM
Die EU-Kommission hat am 19. März 2024 ihre Empfehlung über Maßnahmen zur Bekämpfung von Nachahmungen und zur Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums abgegeben. Sie sieht neben der Förderung der Zusammenarbeit und der Verfahren auch die Anpassung an Technologien vor. Alle Akteure der Wertschöpfungskette werden zum Austausch von Informationen über schutzrechtsverletzende Aktivitäten aufgefordert. Dienstleister im Bereich Verkehr, Logistik, Zahlung sowie von sozialen Medien und Domainnamen sollen den Missbrauch ihrer Dienste verhindern. Empfohlen wird etwa die Einrichtung von Meldemechanismen und Identifikationssystemen, ferner auch der Einsatz von Technologien zur Erkennung nachgeahmter Waren online. Ebenso sollen seitens der Behörden KI-Systeme zur Bekämpfung unerlaubter Waren und Online-Inhalten eingesetzt werden. Zum Schutz vor Cyberangriffen wird die Förderung bestehender Instrumente wie Schulungen nahegelegt. Hinsichtlich der Durchsetzung wird zur Förderung alternativer Streitbeilegungsverfahren ermutigt. Von den Mitgliedstaaten wird gefordert, die Gewährleistung eines angemessenen Schadenersatzes sicherzustellen und eine Neubewertung bzgl. der Sanktion vorsätzlicher Nachahmung und Piraterie durch kriminelle Vereinigungen sowie der Zulassung verdeckter Ermittlungsmethoden vorzunehmen.
Neue Vorschriften zur Bekämpfung von Umweltkriminalität – Rat
Am 26. März 2024 hat der Rat die Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt förmlich angenommen (vgl. bereits EiÜ 8/24 mit Verweis auf den vom EP am 27. Februar 2024 angenommen Text; ferner EiÜ 39/23; 11/23, 34/22), vgl. PM. Ziel ist die Verbesserung der Ermittlung und Strafverfolgung von Umweltstraftaten. Die Liste der Straftaten und Sanktionen wird durch die Umweltstrafrechtsrichtlinie länger, deren Anwendungsbereich grundsätzlich nur auf innerhalb der EU begangene Straftaten begrenzt ist. Der DAV hatte in seiner Stellungnahme Nr. 52/22 das Vorhaben kritisiert, darunter konkrete zu weit gefasste Tatbestände aber auch das Einfallstor für ein Unternehmens(umwelt)strafrecht. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie umzusetzen.
Umfang der Entschädigung bei vorzeitiger Kreditrückzahlung – EuGH
Wird ein Wohnimmobilien-Verbraucherkredit vorzeitig zurückgezahlt, kann der Kreditgeber hinsichtlich seines Entschädigungsanspruchs auch den entgangenen Gewinn fordern. Dies geht aus dem Urteil des EuGH vom 14. März 2024 hervor. Der Rs. C-536/22 lag die Vorlage des LG Ravensburg zugrunde, das über einen Antrag zweier Kreditnehmer auf Rückerstattung einer an die kreditgebende Bank gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung zu entscheiden hat und Zweifel am Anspruchsumfang des Kreditgebers (gestützt auf § 502 BGB) hegte. Vorliegend hatte die Bank ihren Schaden nach der Aktiv-Passiv-Methode des BGH berechnet, wonach der entgangene Gewinn umfasst und Zinsen berücksichtigt waren. Fraglich sei die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, das in Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge (2014/17/EU) die „angemessene und objektive Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten“ vorsieht. Der EuGH bejahte dies und stellte fest, dass der Anspruch nicht auf die tatsächlich angefallenen Kosten beschränkt sei, sondern den entgangenen Gewinn einschließe. Das gelte auch bzgl. des Verlusts der Vertragszinsen, welche für das Darlehen noch angefallen wären. Die Einzelheiten zur Berechnung seien mangels Richtlinienangaben in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt.
Nachweispflicht über ökologische Werbeaussagen - EP
Das europäische Parlament hat am 12. März im Plenum seine Position zum Richtlinienvorschlag der Kommission über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation, sog. Green Claims Directive, angenommen, PM. Danach müssen Unternehmen Werbeaussagen wie „biologisch abbaubar“ oder „umweltfreundlich“ zur Bewertung vorlegen, bevor sie verwendet werden dürfen. Verboten bleiben Angaben über Emissionsausgleichssysteme. Das Parlament verlangt zum Schutz der Verbraucher:innen eine gutachterliche Prüfung innerhalb von 30 Tagen, wobei einfache und häufige Umweltaussagen leichter und schneller überprüfbar sein sollen. Bei Verstoß drohen der Ausschluss von Beschaffungsverfahren sowie Geldstrafen von mindestens 4 % des Jahresumsatzes. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind Kleinstunternehmen. Das Gesetzgebungsverfahren wird nach den EU Wahlen im Juni 2024 wiederaufgegriffen werden.
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