EiÜ 13/2022
Gender Pay Gap: Parlament geht ambitioniert in Verhandlungen mit Rat – EP
Der „Gender Pay Gap“ hat die nächste Hürde überschritten. Am 5. April 2022 nahm das Plenum des EU-Parlaments den Berichtsentwurf zum Richtlinienvorschlag zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen an und beschloss die Aufnahme von interinstitutionellen Verhandlungen mit dem Rat. Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission war im März 2021 vorgelegt worden (vgl. EiÜ 08/21). Nach der Vorstellung der EU-Kommission sollen Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten verpflichtet werden, die Gehälter ihrer Beschäftigten offenzulegen. Wird ein Lohngefälle zwischen Männern und Frauen von mindestens 5% ersichtlich, müssen die Arbeitgeber:innen mit den Arbeitnehmer:innenvertretern eine Lohn- und Gehaltsbewertung durchführen und einen Aktionsplan für Gleichstellung entwickeln. Das EU-Parlament ist dagegen ambitionierter und fordert ebenso wie der DAV (vgl. DAV-Stellungnahme Nr. 41/21) einen Schwellenwert von 50 Beschäftigten. Zudem soll nach dem EU-Parlament bereits eine Gehaltsdifferenz von 2,5% ausreichen, um die Pflicht zur Entgeltbewertung auszulösen, was ebenfalls der Linie des DAV entspricht. Nachdem der Rat seinen Standpunkt zum Kommissionsvorschlag bereits im Dezember 2021 vorgelegt hat (vgl. EiÜ 39/21), können die interinstitutionellen Verhandlungen zwischen Rat und EU-Parlament nun beginnen.
Geldwäsche: Massive Einschränkungen des Berufsgeheimnisses drohen – EP
Der Wirtschafts- (ECON) und der Innenausschuss (LIBE) haben sich am 31. März 2022 über den gemeinsamen Berichtsentwurf zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausgetauscht. Der DAV hatte u.a. in seiner Stellungnahme Nr. 58/21 bereits erhebliche Kritik an dem Kommissionsentwurf geübt und insbesondere die erhöhten Identifizierungs- und Transparenzregisterpflichten kritisiert (vgl. auch EiÜ 39/21). Der Berichtsentwurf des EU-Parlaments enthält aus DAV-Sicht mehrere signifikante Verschlechterungen. Er entkernt das anwaltliche Berufsgeheimnis weitgehend. Nach der Vorstellung des Berichtsentwurfs soll dieses bei der nicht-prozessbezogenen Rechtsberatung der Mandant:innen keine Anwendung finden. Außerdem verschärft der Berichtsentwurf die Sorgfaltspflichten für Anwält:innen nochmal deutlich und erschwert die Rechtsberatung damit erheblich. So soll etwa die Beteiligungsschwelle von wirtschaftlichen Eigentümern, die Identifizierungspflichten auslöst, von 25 % auf 5 % abgesenkt werden. Die Mitglieder der Ausschüsse können nun bis zum 26. April 2022 Änderungsanträge einreichen.
Data Governance Act passiert EU-Parlament mit großer Mehrheit – EP
Als Anfang einer „digitalpolitischen Zeitenwende“ bezeichnete Berichterstatterin Angelika Niebler (EVP) den sogenannten Data Governance Act (vgl. EiÜ 31/21; 40/20), der am 6. April 2022 im Plenum des EU-Parlaments mit 501 gegen 12 Stimmen bei 40 Enthaltungen verabschiedet wurde. Mit der Verordnung soll u.a. ein Anmelde- und Aufsichtsrahmen für die Erbringung von Datenvermittlungsdiensten geschaffen werden. Damit sollen vertrauenswürdige Dienste für eine gemeinsame Datennutzung sichtbar gemacht und mit einem europäischen Label versehen werden. Außerdem wird mit dem Data Governance Act die Weiterverarbeitung bestimmter Datenkategorien durch öffentliche Stellen geregelt. Hiermit bezweckt er die Förderung von Innovation durch die Schaffung eines Binnenmarktes für Daten. Im Vergleich zum ursprünglichen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission sollen nun auch Betriebsgeheimnisse, Berufsgeheimnisse und Unternehmensgeheimnisse zu den Kategorien besonders geschützter Daten gehören. Sofern sich diese Daten im Besitz öffentlicher Unternehmen befinden, unterliegt die Weiterverwendung der Daten damit speziellen Regeln (Art. 3 Abs. 1 lit. a). Nach der formellen Annahme im Rat wird die Verordnung 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten und 15 Monate später in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gelten.
Integration von Geflüchteten aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt– KOM
Die EU-Kommission hat am 05. April 2022 eine Empfehlung zur Anerkennung von Qualifikationen von aus der Ukraine geflohenen Personen abgegeben. Darin fordert sie die Mitgliedsstaaten dazu auf, bestehende Qualifikationen schnell und unkompliziert anzuerkennen. Es bestehe für Geflüchtete aus der Ukraine ein Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt nach der sog. Massenzustrom-Richtlinie, die Anfang März 2022 vom Rat aktiviert worden war (vgl. EiÜ 12/22, 08/22). Dieser bestehe zunächst für ein Jahr, könne aber danach zweimal für 6 Monate verlängert werden. Der Fokus der Empfehlung lag auf Berufen aus dem Gesundheits- und Schulwesen, es finden sich aber auch Empfehlungen zu anderen reglementierten Berufe wie Rechtsanwält:innen. Hiernach sollten im Anerkennungsverfahren nur die unerlässlichen Dokumente abgefragt werden. Auf eine Vorlage des Originals solle ggfs. verzichtet werden. Zudem sollen Qualifikationen auch durch Bestätigung der zuständigen Behörden in der Ukraine nachgewiesen werden können. Anstatt beglaubigter Übersetzungen sollte mehr auf die eTranslation-Anwendung der EU zurückgegriffen werden. Ferner solle den Geflüchteten die Integration durch Sprachkurse sowie Aus- und Fortbildungsangebote so einfach wie möglich gemacht werden.
Konkretisierung der Ausnahmen der Vorratsdatenspeicherung – EuGH
Der langen Geschichte der Vorratsdatenspeicherung wurde am 5. April 2022 ein weiteres Kapitel hinzugefügt. In der Rechtssache C-140/20 bestätigte der EuGH seine ständige Rechtsprechung, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten unionsrechtswidrig ist. In dem nun vom EuGH entschiedenen irischen Vorabentscheidungsverfahren konkretisierte der EuGH aber auch die Grenzen des grundsätzlichen Verbots der Vorratsdatenspeicherung. So sei zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit z.B. eine gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten anhand von Kategorien betroffener Personen oder mittels eines geografischen Kriteriums zulässig. Zu diesen Zwecken sei u.a. auch eine umgehende Sicherung (sog. quick freeze) der Verkehrs- und Standortdaten unionsrechtskonform. Der konkretisierte Ausnahmenkatalog wird die Debatte über nationale Regelungen oder gar eine europäische Neuregelung (vgl. EiÜ 25/21) weiter befeuern. Dabei warnt der DAV bereits seit langem vor den Gefahren der Vorratsdatenspeicherung für die Grundrechte der Betroffenen. Vor dem EuGH sind derweil noch weitere einschlägige Verfahren anhängig. U.a. muss er in den Rs. C-793/19 und C-794/19 (vgl. EiÜ 36/21, 28/21) über die Zulässigkeit der deutschen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung entscheiden.
Höchstgrenzen für Anwaltshonorare sind unionsrechtskonform – EuGH
Es verstößt grundsätzlich nicht gegen Artt. 6 (1) und 7 (1) der Klauselrichtlinie 93/13/EWG, wenn einem Verbraucher, der in einem gerichtlichen Verfahren erfolgreich die Nichtigkeit von AGB geltend gemacht hat, von der unterlegenen Partei nicht das gesamte von ihm gezahlte Anwaltshonorar erstattet wird. Das entschied der EuGH am 07. April 2022 in der Rs. C-385/20 auf Vorlage eines spanischen Gerichts. Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger im Wege einer Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen einzelne Klauseln eines Darlehensvertrags geklagt und vollumfänglich obsiegt. Nach Maßgabe des darauf folgenden Kostenfestsetzungsbeschlusses bekam der Kläger jedoch nicht alle von ihm gezahlten Anwaltskosten von der Beklagten erstattet, sondern musste teilweise selbst dafür einstehen. Der EuGH stellte nun im Kern fest, dass das Unionsrecht einem solchen Kostenfestsetzungsbeschuss nicht entgegensteht. Zwar gewährleiste die Klauselrichtlinie in Verbindung mit Effektivitätsgrundsatz, dass der in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit von AGB obsiegende Verbraucher auch die entstandenen Kosten bis zu einem Betrag erstattet bekommt, der angemessen und verhältnismäßig zu den von ihm aufgewendeten Kosten ist. Der Kläger dürfe nicht vom Einreichen einer Klage abgehalten werden. Diese Anforderungen seien im vorliegenden Fall – vorbehaltlich einer Prüfung des vorlegenden Gerichts – jedoch gewahrt.
Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitender Steuergestaltung – EuGH
Generalanwalt Rantos hat sich in seinen Schlussanträgen vom 05. April 2022 (Rs. Rs. C-694/20; in Französisch) zum Berufsgeheimnisschutz im Zusammenhang mit steuerlichen Mitteilungspflichten geäußert. Anlass ist ein Vorlageverfahren des belgischen Verfassungsgerichtshofs zu einem belgischen Dekret, das in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/822 (vgl. hierzu EiÜ 20/20, sowie DAV-Stellungnahme 42/19) erlassen worden war. Mit der Richtlinie waren für grenzüberschreitende Steuergestaltungen bestimmte Meldepflichten für Intermediäre, d.h. auch für Rechtsanwälte eingeführt worden Eine Befreiung von der Mitteilungspflicht unter Berufung auf das Berufsgeheimnis ist für einen Intermediär nur dann möglich, wenn er andere Intermediäre (sofern bestehend) über ihre Meldepflichten unterrichtet. Zugleich ist ein Intermediär nur dann von der Vorlage der Informationen befreit, wenn er nachweisen kann, dass dieselben Informationen bereits durch einen anderen –namentlich zu nennenden – Intermediär vorgelegt wurden. Laut dem Generalanwalt wird das u.a. durch Art. 7 der Grundrechtecharta geschützte Berufsgeheimnis im Hinblick auf die Verpflichtung eines Rechtsanwalts, einem anderen Intermediär dessen Meldepflichten mitzuteilen, nur dann nicht verletzt, wenn die namentliche Nennung des Rechtsanwalts seitens des anderen Intermediärs gegenüber den Steuerbehörden unterbleibt. Der EuGH ist an die Schlussanträge nicht gebunden.
Kommentare