Europa im Überblick, 13/2024

EiÜ 13/2024

Veröffentlichung des Rahmenübereinkommens über KI – Europarat

Das Ministerkomitee des Europarates hat im März 2024 das vom KI-Ausschuss (CAI) ausgearbeitete Rahmenübereinkommen über KI, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht (s. in Englisch). Hiermit soll der Rechtsrahmen auf internationaler Ebene zu Aktivitäten im Zusammenhang mit KI-Systemen in Vereinbarkeit mit bestehenden menschenrechtlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Standards geschaffen werden. Der Anwendungsbereich erfasst sowohl Tätigkeiten staatlicher Behörden als auch privater Akteure mit KI-Systemen. Indes werden solche ausgenommen, die Angelegenheiten der nationalen Verteidigung betreffen und die mit dem Schutz von Interessen nationaler Sicherheit zusammenhängen, soweit Menschenrechtsverpflichtungen und demokratische Prozesse geachtet werden. Die Parteien des Übereinkommens sollen bei Verstößen wirksame Verfahrensgarantien wie die menschliche Aufsicht sowie verfügbare Rechtsbehelfe gewährleisten. Sie müssen Risiken- und Folgenabschätzungen vornehmen und sind zur regelmäßigen Berichterstattung über ergriffene Maßnahmen verpflichtet. Hierbei ist eine Konferenz, zusammengesetzt aus Vertreter:innen der Konventionsparteien, zuständig, welche ebenso Konsultationen, u.a. über die Umsetzung der Pflichten und den Informationsaustausch, durchführt. Zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten muss jede Partei mindestens einen wirksamen, unabhängigen Mechanismus schaffen.

Schlussfolgerungen zur Anwendung der EU-Grundrechtecharta – Rat

Der Rat der EU für Justiz und Inneres (JI-Rat) hat Anfang März Schlussfolgerungen (in Englisch), zum Jahresbericht 2023 der EU-Kommission zur Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. bereits EiÜ 42/23; 40/21) angenommen. 2023 lag der Fokus auf einem wirksamen Rechtsschutz und dem Zugang zur Justiz, die der JI-Rat als allumfassende Konzepte ansieht, einschließlich der Wahrung von Verfahrensrechten und der Möglichkeit aller, effektive Rechtsbehelfe gegen die Verletzung ihrer Rechte bei unparteiischen und unabhängigen Gerichten einzulegen. Eine Herausforderung stelle das Vertrauen der Öffentlichkeit (insb. von Minderheiten mit Diskriminierungserfahrungen) in die Justiz dar, weshalb Maßnahmen erforderlich sind, um das Vertrauen in und zwischen den Justizsystemen der Mitgliedsstaaten zu stärken. Daneben bekräftigt der JI-Rat, dass die digitale Transformation der Justizsysteme und der Einsatz von KI positive Ergebnisse bringen könne, aber auch erhebliche und spezifische Risiken für die Grundrechte der Beteiligten. Auch müssten die Interessen von Personen, die aufgrund von einer Beeinträchtigung, unzureichender digitaler Kenntnisse oder anderer fehlender Ressourcen Schwierigkeiten mit digitaler Infrastruktur haben, hinreichend berücksichtigt werden. Ferner müssten unangemessene finanzielle Hindernisse beim Zugang zum Recht beseitigt werden.

Europäischer Gerichtshof immer gefragter – EuGH

Der EuGH hat am 22. März 2024 Statistiken zur Rechtsprechungsaktivität im Jahr 2023 veröffentlicht (vgl. PM). Thematisiert wurde sowohl die Entwicklung der Rechtsprechungstätigkeit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), als auch bei dem Gericht der Europäischen Union (EuG) hinsichtlich neu eingegangener, erledigter und anhängiger Rechtssachen. Im Jahr 2023 wurde mit insgesamt 2092 Fällen das erste Mal die Schwelle von 2000 neu eingegangenen Rechtsstreitigkeiten erreicht. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass in der Statistik 404 im Wesentlichen identische Rechtssachen berücksichtigt wurden, die bereits im Oktober 2023 beim Gericht anhängig gemacht wurden. Sofern diese Rechtssachen nicht einbezogen werden, liegt die Zahl der neuen Rechtssachen auf einem vergleichbaren Niveau wie in den Vorjahren. In den letzten fünf Jahren konnte ein Anstieg eingegangener Sachen pro Jahr um 15% verzeichnet werden. Die Zahl der Vorabent­schei­dungs­sachen fiel etwas geringer als im Vorjahr aus: insgesamt wurde 518 Mal von mitglied­staat­lichen Gerichten vorgelegt, wobei die meisten Vorlagen aus Deutschland (94), Bulgarien (51) und Polen (48) kamen. Mit einer Anzahl von 1687 lagen die erledigten Rechtssachen der beiden Gerichte im Jahr 2023 knapp über den durchschnittlichen Werten der letzten Jahre. Die Zahl der anhängigen Rechtssachen blieb dagegen konstant, sofern die 404 beim Gericht anhängig gemachten identischen Rechtssachen unberücksichtigt bleiben. Die durchschnittliche Verfah­rensdauer betrug beim EuGH 16,1 Monate und beim Gericht erster Instanz 18,2 Monate.

Europäische Betriebsräte stärken – EP

Der Ausschuss des EU-Parlaments für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) verlangt eine wirksamere Durchsetzung und Funktionsweise für Europäische Betriebsräte (EBR). Dies sieht der am 3. April 2024 durch den Ausschuss angenommene Berichtsentwurf zur Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung  Europäischer Betriebsräte (EBR) vor, vgl. PM. Die EU-Kommission hatte dazu am 24. Januar 2024 einen Vorschlag (auf Englisch) vorgelegt (vgl. EiÜ 4/23, 3/24), nachdem das EU-Parlament im Februar 2023 einen Initiativbericht verabschiedet hatte (vgl. EiÜ 14/23). Ziel der Richtlinienreform ist, den sozialen Dialog in der EU zu verbessern, indem die Rolle, die Kapazität und die Funktionsweise der Europäischen Betriebsräte gestärkt werden. Der Bericht des Ausschusses sieht unter anderem eine Verschärfung der Anhörungsvorschriften sowie den vereinfachten Zugang zu Gerichten im Fall der Nichteinhaltung vor. Zudem enthält der Berichtentwurf eine bestimmtere Definition des Begriffs „länderübergreifender Angelegenheiten“ und schärfere Sanktionsbestimmungen. Finanzielle Sanktionen und ein möglicher Ausschluss von Ansprüchen auf öffentliche Leistung, Beihilfe und Subventionen sind für einen Zeitraum von drei Jahren vorgesehen. Ob der Berichtentwurf noch durch das Plenum des EU-Parlaments vor Ende der Legislaturperiode angenommen wird oder Gegenstand von Abstimmungen des neu gewählten EU-Parlaments nach den EU-Wahlen im Juni 2024 wird, ist unklar.

Resolution zur Förderung von sicherer KI – UN

Am 21. März 2024 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) eine Resolution zur Förderung sicherer und vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz (KI) für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet (auf Englisch). Der von den USA eingebrachte Resolutionsentwurf wurde von über 120 Mitgliedstaaten der UN unterstützt und gilt für KI-Systeme im nicht-militärischen Bereich. Im Wesentlichen sollen Menschenrechte bei der Konzeption, Entwicklung, dem Einsatz und der Nutzung von KI hinreichend geschützt werden. Mitgliedsstaaten sind angehalten, den Betrieb von KI-Systemen einzustellen, die nicht im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards betrieben werden können. Ferner wird das Potential der Nutzung von KI-Systemen zur Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung anerkannt. Die UN appelliert darüber hinaus an ihre Mitgliedstaaten regulatorische Maßnahmen zu schaffen, um eine vertrauenswürdige Nutzung von KI zu gewährleisten. Als Beispiel wird die kürzlich beschlossene KI-Verordnung der EU genannt (s. EiÜ 10/24). Schließlich sollen Entwicklungsländer bei der Verbesserung ihrer digitalen Kompetenz unterstützt werden, um technologische Ungleichheiten zwischen Ländern zu begegnen. Die Resolution der Generalversammlung dient lediglich als politische Empfehlung und ist als solche völkerrechtlich nicht bindend.

Grenzbehörden müssen Asylverfahren sicherstellen – EGMR

Am 4. April 2024 bestätigte der EGMR in seinem Urteil gegen Polen (Nr. 54029/17), dass Grenzbehörden eines Vertragsstaates bei Einreiseverweigerung den Zugang zu einem fairen Asylverfahren überprüfen müssen. Die vier Kläger aus Tadschikistan versuchten zwischen Dezember 2016 und Februar 2017 wiederholt erfolglos über die ukrainische Grenze nach Polen einzureisen, um wegen drohender politischer Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat, Anträge auf internationalen Schutz zu stellen. Der EGMR stellte durch die Einreiseverweigerung einen Verstoß gegen Artikel 3 EMRK fest, da die Grenzschutzbehörden die Einreise verweigerten. Die polnischen Behörden waren verpflichtet den Klägern den Aufenthalt auf polnischem Hoheitsgebiet bis zur Überprüfung ihrer Anträge zu gestatten. Findet keine Prüfung des Asylantrags statt, müssen die Einreisebehörden prüfen, ob die Asylsuchenden im Rückführungsstaat Zugang zu einem angemessenen Asylverfahren erhalten und weder dort noch in ihrem Herkunftsstaat eine unangemessene Behandlung nach Artikel 3 EMRK oder die sofortige Abschiebung in ihr Heimatland drohe. Zudem liege ein Verstoß gegen das Verbot der Kollektivausweisung (Artikel 4 Protokoll Nr. 4 zur EMRK) wegen fehlender Berücksichtigung der individuellen Situation jedes Asylsuchenden vor. Schließlich mangele es an einem wirksamen Rechtsbehelf wegen fehlender aufschiebenden Wirkung (Verletzung von Artikel 13 EMRK).

Europa im Überblick abonnieren

Verpassen Sie keine wichtigen rechtlichen Entwicklungen in Europa! Abonnieren Sie unseren E-Mail-Newsletter „Europa im Überblick“ und bleiben Sie stets informiert über die neuesten EU-Gesetzgebungen, Rechtsprechungen und deren Auswirkungen auf Ihre Praxis.

Kommentare

0 Kommentare zum Artikel
Bitte rechnen Sie 3 plus 6.