EiÜ 14-19
Große Sorge um Lage der Anwaltschaft in der Türkei – DAV/CCBE
Der Deutsche Anwaltverein betrachtet die Lage der Anwaltschaft in der Türkei weiterhin mit großer Sorge. Daher hat der DAV gemeinsam mit über 30 anderen Anwaltsorganisationen einen vom Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) initiierten Appell unterzeichnet, in dem die türkische Regierung aufgefordert wird, die Verfolgung von Anwälten einzustellen und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Anlässlich des türkischen „Tag des Rechtsanwalts“ am 5. April betont DAV-Präsidentin Edith Kindermann in der begleitenden DAV-Pressemitteilung die Rolle von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen als Garanten des Rechtsstaats. Seit Juli 2016 wurden 1546 Anwälte in der Türkei strafrechtlich verfolgt. Fast 600 Anwältinnen und Anwälte wurden verhaftet und 274 davon zu langen Haftstrafen verurteilt – die durchschnittliche Haftdauer beträgt 7 Jahre. Der DAV beobachtet diese Lage weiterhin sehr genau und fordert gemeinsam mit dem CCBE, alle Anwälte, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit inhaftiert wurden, umgehend freizulassen.
EU-Kommission bereitet neuen Rahmen für Rechtsstaat in EU vor – KOM
Die EU-Kommission möchte den Handlungsrahmen der EU zum Schutz des Rechtsstaats ausbauen und hat am 3. April 2019 eine Mitteilung zu möglichen weiteren Schritten hierzu vorlegt. Zunächst werden darin bereits existierende Instrumente rekapituliert, wie das Verfahren nach Art. 7 EUV, Vertragsverletzungsverfahren oder das Monitoring im Rahmen des Europäischen Semesters. Im Anschluss werden drei zukünftige Handlungsbereiche genannt. Dazu zählt zunächst die stärkere Förderung und Schaffung einer „Kultur“ des Rechtsstaats, wozu unter anderem eine stärke Bindung an die Zivilgesellschaft und die Instrumente des Europarats vorgeschlagen werden. Ein weiterer Handlungsbereich ist die frühzeitige Vorbeugung von Gefahren für den Rechtsstaat, wofür die EU-Kommission etwa einen verstärkten Dialog und Informationsaustausch mit den Mitgliedsstaaten und gezielte Unterstützung zum Kapazitätsaufbau anregt. Schließlich befasst sich die Mitteilung mit der Notwendigkeit einer aktiven Reaktion der EU, wenn nationale Mechanismen versagen. Hier wird unter anderem die bessere Verbreitung der Rechtsprechung des EuGH angeführt, aber auch die Einführung spezifischer Instrumente mit Rechtsstaatskonditionalität (wie den Vorschlag zur Bindung von Finanzmitteln an Rechtsstaatskriterien, s. EiÜ 3/19). Zu jedem der drei Bereiche werden eine Reihe von Fragen zur Reflektion für Rat, EU-Parlament und andere Stakeholder aufgeworfen. Die EU-Kommission wird ihre eigenen Schlussfolgerungen dazu in einer weiteren Mitteilung Ende Juni 2019 veröffentlichen.
Update: Einigung zu Koordinierung der Sozialsysteme abgelehnt – Rat
Der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) des Rats hat die am 20. März 2019 erzielte vorläufige Einigung zum Verordnungsvorschlag zur Koordinierung der Sozialsysteme (s. EiÜ 13/19) abgelehnt. Zu der Sperrminorität gegen den Vorschlag zählte u.a. auch Deutschland. Damit wird auch die erzielte Einigung zur Abschaffung der A1-Bescheinigung bei Dienstreisen zunächst hinfällig. Berichten zufolge waren die Mitgliedsstaaten unter anderem mit dem Kompromiss in Bezug auf die Zahlung von Arbeitslosengeld unzufrieden. Nun müssen erneut Trilogverhandlungen aufgenommen werden, von einer Einigung noch in der laufenden Legislaturperiode ist somit nicht mehr auszugehen.
Mehr Transparenz für Verbraucher bei Onlinekäufen – Rat/EP
Rat und EU-Parlament haben sich auf eine Modernisierung des Verbraucherschutzrechts geeinigt (s. Pressemitteilung). Dies umfasst Änderungen an gleich vier Richtlinien (93/13/EEC, 98/6/EC, 2005/29/EC und 2011/83/EU) und betrifft neben dem Verbraucherrecht auch das Wettbewerbs- und Vertragsrecht. In dem nun veröffentlichten Kompromisstext (nur in englischer Sprache verfügbar) haben Rat und EU-Parlament den Fokus noch etwas stärker auf Transparenzregeln für Online-Marktplätze gelegt. So soll in Zukunft besser darüber aufgeklärt werden, wie Preisreduzierungen zustande kommen. Insbesondere wird missverständlicher Werbung mit vermeintlichen vormaligen Preisen ein Riegel vorgeschoben. Ferner muss bei Produktbewertungen erkennbar sein, wer diese erstellt hat und ob der Urheber der Bewertung das Produkt auch tatsächlich gekauft hat. Die Manipulation von Bewertungen, z.B. durch das Löschen negativer oder die künstliche Erstellung positiver Bewertungen, soll künftig eine unlautere Geschäftspraktik darstellen. Das gleiche gilt für das Nichtkenntlichmachen bezahlter bzw. gesponserter Suchvorschläge. Auch der Weiterverkauf von Eintrittskarten, die automatisiert – etwa durch Bots – unter Umgehungen von Kaufbeschränkungen aufgekauft wurden (Problematik der sog. „Ticket-Reseller“), soll untersagt werden. Noch im April 2019 soll das Plenum des EU-Parlaments über den Einigungstext abstimmen. Anschließend bedarf es noch der förmlichen Annahme im Rat.
Auch für ausgepackte Matratze gilt Widerrufsrecht – EuGH
Ein Verbraucher verliert sein Widerrufsrecht nicht, wenn er die Schutzfolie einer Matratze entfernt. Das entschied der EuGH mit Urteil vom 27. März 2019 in der Rs. C-681/17 (s. Pressemitteilung). Gemäß Art. 16 lit. e) der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU ist das Widerrufsrecht bei versiegelten Waren ausgeschlossen, die aus gesundheitlichen oder hygienischen Gründen nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung nach Lieferung entfernt wurde. Der Bundesgerichtshof legte dem EuGH daher die Frage zur Auslegung vor, ob diese Ausnahme auch auf mit Schutzfolie verpackte Matratzen Anwendung finde. Der EuGH zog in seiner Urteilsbegründung einen Vergleich zu Kleidungsstücken: In beiden Fällen müsse mit einem direkten Kontakt mit dem menschlichen Körper gerechnet werden. Die Verkehrsfähigkeit der Waren gehe dadurch jedoch nicht verloren. So könne der Unternehmer ein Kleidungsstück ebenso wie eine Matratze durch eine reinigende Behandlung für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet machen. Die Ausnahme aus Art. 16 lit. e) setze hingegen voraus, dass die Beschaffenheit der Ware infolge der Entfernung der Versiegelung und aufgrund hygienischer Gründe endgültig verloren gehe. Dass dies für Matratzen nicht gelte, zeige sich bereits durch die Existenz eines Gebrauchtmarkts für Matratzen. Dessen ungeachtet wies der EuGH darauf hin, dass Verbraucher für jeden durch unsachgemäße Nutzung entstandenen Wertverlust einer Sache haften müssen.
Neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen – KOM
Die EU-Kommission nimmt einen weiteren Aspekt der polnischen Justizreformen ins Visier. Am 3. April 2019 hat sie ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, in Bezug auf die neu eingeführten Disziplinarregelungen für Richter, eingeleitet (s. Pressemitteilung). Nach Ansicht der EU-Kommission verstoßen die Disziplinarregeln gegen Art. 19 Abs. 1 EUV (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem unabhängigen Gericht), da Richter an ordentlichen Gerichten dadurch aufgrund des Inhalts ihrer Entscheidungen disziplinarrechtlichen Verfahren und Sanktionen unterworfen werden könnten. Die hierfür zuständige neu eingerichtete Disziplinarkammer erfülle zudem nicht die Anforderungen an ein durch Gesetz eingerichtetes Gericht. Außerdem ist die EU-Kommission der Ansicht, dass die Regeln die Ausübung des Rechts nationaler Gerichte, den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidungen zu ersuchen, beinträchtigen, da auch hierfür disziplinarrechtliche Sanktionen vorgesehen werden könnten. Gegen Polen läuft bereits das Verfahren nach Artikel 7 EUV (s. EiÜ 8/19) sowie ein Vertragsverletzungsverfahren in Bezug auf die Absenkung der Pensionsalter am Obersten Gericht, in dem zuletzt eine einstweilige Verfügung zur Aussetzung der Reform erlassen wurde (s. EiÜ 37/18). In dem neuen Verfahren hat Polen nun zwei Monate Zeit, auf das Aufforderungsschreiben der EU-Kommission zu reagieren.
Keine Entschädigung bei Schraube auf dem Rollfeld – EuGH
Die Beschädigung eines Flugzeugreifens durch eine Schraube auf der Rollbahn stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar, weshalb die Fluggesellschaft keine Entschädigung für die daraus resultierende Verspätung zu leisten hat. Das hat der EuGH mit Urteil vom 4. April 2019 in der Rs. C-501/17 in einem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Köln entschieden. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist ein Vorkommnis dann als „außergewöhnlicher Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG anzusehen, wenn es nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens ist und seiner Natur oder Ursache nach von diesem auch nicht tatsächlich beherrscht werden kann. Nach Auffassung des EuGH ist zwar das unerwartete Auftreten von Mängeln an einem Flugzeug grundsätzlich untrennbar mit dessen Betrieb verbunden. Das sei jedoch nicht der Fall, wenn die Mangelursache auf einen Fremdkörper wie z.B. Vogelschlag (vgl. Rs. C-315/15) oder aber auch eine Schraube auf dem Rollfeld zurückzuführen ist. Es sei dem beklagten Luftfahrtunternehmen auch nicht möglich gewesen, dieses Vorkommnis zu beherrschen, da die Kontrolle der Rollbahn in den organisatorischen und technischen Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers falle. Das Luftfahrtunternehmen müsse jedoch nachweisen, dass es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um eine zu große Verspätung zu vermeiden.
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