EiÜ 14/2023
Veranstaltungshinweis: „Digitalisierung des deutschen Rechtswesens“ – DAV
Die Law-made-in-Germany Arbeitsgruppe im DAV organisiert am 5. Mai 2023 in Berlin sowie online ein Seminar zur „Digitalisierung des deutschen Rechtswesens“. Mit Referentinnen und Referenten aus der Praxis, der Wissenschaft, der Verwaltung sowie Unternehmen aus In- und Ausland soll der Frage nachgegangen werden, wie die deutsche Rechtsordnung die sich aus der technischen Umwälzung ergebenen Anforderungen zeitnah erfüllen kann. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der AG IWR, der DAVIT und dem Forum Junge Anwaltschaft statt, deren Mitglieder ermäßigt an der Veranstaltung teilnehmen können. Weitere Informationen zur Veranstaltung und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.
Klappe die x-te: Chatkontrolle verletzt Grundrechte – EP
Im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments (LIBE) wurde am 14. April 2023 eine neue Folgenabschätzung (bisher unveröffentlicht) des Wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments zur geplanten Chatkontrolle-Verordnung (vgl. EiÜ 18/22) vorgestellt. Die Expertinnen und Experten stellen – wie bereits zuvor u.a. der EDSB/EDSA (vgl. EiÜ 28/22), die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, zahlreiche EU-Parlamentarier, das österreichische Parlament u.a. - fest, dass die geplante Verordnung gegen die Art. 7 und 8 GRCh verstößt und die EuGH-Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung nicht ausreichend berücksichtigt. Erst recht liege ein Verstoß dann vor, wenn Kommunikationsinhalte bei der geplanten Durchleuchtung auf sog. ‚Grooming‘ gescreent würden. Berichterstatter Xavier Zarzalejos (EVP, Spanien) wird in Kürze seinen Berichtsentwurf im EU-Parlament vorlegen. Der DAV hatte sich an der Öffentlichen Konsultation beteiligt (StN 29/21, 25/21) und seit Veröffentlichung des Vorschlags mehrfach vor einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheitsgrundrechte durch eine verdachtsunabhängige Regelung gewarnt (vgl. EiÜ 13/21, 8/21).
Geldwäschepaket: Ratsposition nicht datenschutzkonform – EDSA
Der Europäische Datenschutzausschuss ruft dazu auf, drei Vorschriften aus der allgemeinen Ausrichtung des Rates zur geplanten Geldwäscheverordnung nicht in den finalen Verordnungstext aufzunehmen. In seinem Schreiben an die EU-Kommission, das EU-Parlament und den Rat verweist der Ausschuss darauf, die Artikel 54(3a), 55(5) und 55(7) der Ratsposition enthielten Verstöße gegen die Grundrechte auf Privatsphäre und Datenschutz und seien insbesondere weder notwendig noch verhältnismäßig. Verpflichtete sowie Behörden im Rahmen von Public private partnerships erhielten demnach die Möglichkeit, Informationen über Verdachtsfälle und weitere personenbezogene Daten zu teilen. Diese Möglichkeit stehe in keinem Verhältnis zum angestrebten Zweck der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Exemplarisch wurde als negative Folge erwähnt, dass durch die vom Rat vorgeschlagenen Änderungen Einzelpersonen unverhältnismäßig benachteilt werden könnten, wie etwas durch den Ausschluss von Finanzdienstleistungen. Das Paket zur Verhinderung von Geldwäsche umfasst neben der 6. Geldwäscherichtlinie und der Geldwäscheverordnung auch die Gründung einer europäischen Geldwäscheaufsichtsbehörde (siehe hierzu bereits die DAV-Stellungnahme 58/21 sowie zuletzt EiÜ 12/23 m.w.N.). Wenn in der kommenden Woche das Plenum die Position des EU-Parlaments annimmt, können die Trilogverhandlungen beginnen.
EU-US Datenschutzrahmen: Kein gleichwertiger Datenschutz – EP
Das EU-Parlament erteilt dem neuen EU-US-Datenschutzrahmen zum Datentransfer zwischen den USA und der EU eine Absage. Am 13. April 2023 hat der Ausschuss des EU-Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) eine Entschließung angenommen, mit der das Datenschutzniveau der Vereinigten Staaten und jenes der EU als nicht im Wesentlichen äquivalent erachtet wird, vgl. Pressemitteilung. Damit rät der Ausschuss von dem Erlass eines entsprechenden Angemessenheitsbeschlusses nach Art 45 DSGVO durch die EU-Kommission ab und ruft zur Wideraufnahme der Verhandlungen mit den USA auf (vgl. auch die Stellungnahme des EU-Datenschutzausschusses). Das neue Abkommen zum Datentransfer war notwendig geworden, nachdem der EuGH die vorgehenden Angemessenheitsbeschlüsse zu den bisherigen Rechtsrahmen für ungültig erklärt hatte, vgl. Urteile „Schrems“ I und II, (bzw. EiÜ 34/22; 12/22.). Die Ablehnung wird in der Parlamentsentschließung insbesondere darauf gestützt, dass der zweite Teil des nun vorgesehenen Rechtsschutzmechanismus, das ‚Datenschutzkontrollgericht‘, den Anforderungen einer unabhängigen und unparteilichen gerichtlichen Kontrolle (Art. 47 EU-GR-Ch) nicht genügt, vgl. insoweit bereits den Entwurf (in Englisch) der angenommenen Entschließung. Der Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission kann ungeachtet der Entschließung ergehen, muss aber einer Überprüfung durch den EuGH standhalten.
Änderung der UGP-Richtlinie schreitet voran – EP
Das Gesetzgebungsverfahren zur „Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ schreitet voran. Der entsprechende Berichtsentwurf wurde am 28. März 2023 von den Mitgliedern des Ausschusses Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments mit den darin gemachten Änderungen angenommen, abrufbar hier (auf Englisch). Durch den Richtlinienvorschlag (vgl. EiÜ 36/22) sollen die UGP-Richtlinie und die Verbraucherrichtlinie insoweit geändert werden, dass Verbraucher:innen vor irreführenden Umwelt- und Nachhaltigkeitsaussagen beim Produktkauf geschützt werden. Nachhaltigkeitssiegel etwa sollen fortan nur nach Durchlaufen entsprechender Zertifizierungsverfahren bzw. behördlicher Ausstellung verwendet werden dürfen. Der Bericht des EU-Parlaments geht über den Kommissionsvorschlag noch hinaus, etwa werden darin neue Formen irreführender Geschäftspraktiken vorgeschlagen. Der DAV sieht das Bedürfnis, gegen ein sog. „Greenwashing“ vorzugehen, erkennt jedoch keine Regelungslücke, die durch die konkreten Gesetzesänderungen zu schließen sei (s. DAV SN 53/2022). Die EU-Kommission hat kürzlich auch einen Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung irreführender Umweltaussagen veröffentlicht, abrufbar bisher nur in Englisch, vgl. EiÜ 11/23). Der Ausschussbericht muss im Plenum des EU-Parlaments noch formell beschlossen werden.
Anhörung der Sozialpartner zu Europäischen Betriebsräten - KOM
Am 11. April 2023 begann die Anhörung der Europäischen Sozialpartner über eine mögliche Reform der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte. Die Dauer der Anhörung beträgt sechs Wochen und findet im Rahmen eines umfangreichen Konsultationsprozesses statt. Im Februar dieses Jahres hatte sich das EU-Parlament für eine Reform der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte mittels Entschließungsantrages an die Kommission ausgesprochen, (vgl. EiÜ 04/23). Die EU-Kommission selbst zeigt sich entschlossen, einen Reformvorschlag vorzulegen, (siehe Pressemitteilung). Der Europäische Betriebsrat soll Informations- und Anhörungsrechte von Arbeitnehmer:innen in Unternehmen forcieren, die in einem Binnengrenzen überschreitenden Umfeld agieren und eine bestimmte Größenordnung aufweisen, vgl. Art. 1 und 2 der RL 2009/38/EG. Die im Jahr 2018 durchgeführte Evaluierung der Richtlinie zeigte obgleich der hohen praktischen Relevanz der Europäischen Betriebsräte Mängel insbesondere in den Bereichen der Konsultationsprozesse sowie bei den konkreten Durchsetzungsinstrumenten auf. Diese Mängel sollen nun behoben werden, sowie die Anzahl der EBR -unter Berücksichtigung von nationalen Besonderheiten- allgemein erhöht werden.
EU-Kommission sondiert zu virtuellen Welten – KOM
Die EU-Kommission hat eine Sondierung zu einer geplanten Vision für neue virtuelle Welten (z. B. Metaversen) eingeleitet. Diese dient der Vorbereitung der für den 31. Mai geplanten nichtlegislativen „Initiative on virtual worlds“. Deren Ziel ist die Schaffung offener, interoperabler und innovativer virtueller Welten, die von der Öffentlichkeit und den Unternehmen sicher und vertrauensvoll genutzt werden können. Gestützt auf die Vorarbeiten eines „Bürgerforums“ soll die Initiative diese Vision beschreiben, Chancen und gesellschaftliche Herausforderungen ansprechen und künftige Umsetzungsmaßnahmen aufzeigen. Eine Rückmeldung im Rahmen der Sondierung zu der geplanten Initiative ist bis zum 3. Mai 2023 hier möglich.
Elternschaft transsexueller Personen – EGMR
Der EGMR hat am 4. April 2023 in mehreren Verfahren zur Elternschaft transsexueller Personen entschieden, vgl. Pressemitteilungen. Die Rechtssache 7246/20 (auf Französisch) betraf die Eintragung einer transsexuellen Frau als Mutter des Kindes in das Geburtenregister. Das Kind wurde mit ihrer männlichen Keimzelle gezeugt, weshalb das Standesamt die Eintragung verweigerte. Gem. § 11 S. 1 TSG bleibt das Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und ihrem Kind im Falle einer Geschlechtsanpassung unberührt. Deshalb sei trotz der vorherigen gerichtlichen Anerkennung der Geschlechtsumwandlung nur eine Eintragung als Vater möglich. In der zweiten Rechtssache 53568/18 und 54741/18 (auf Französisch) ging es um die Weigerung eines Amtsgerichts, einen transsexuellen Mann als Vater des von ihm geborenen Kindes einzutragen. Er war trotz Anerkennung seiner Identität als Mann und erfolgter Ablegung seines weiblichen Vornamens gem. § 5 Abs. 3 TSG mit seinem ursprünglichen Namen als Mutter eingetragen worden. In keinem der Fälle lag nach Ansicht des EGMR jedoch eine Verletzung der Rechte aus Art. 8 und 14 EMRK vor. Der vorgenommene Interessensausgleich durch die nationalen Gerichte zwischen den Rechten des Elternteils, dem Wohl des Kindes und den öffentlichen Interessen u. a. an einer vollständigen und korrekten Führung von Personenstandsregistern sei nicht zu beanstanden. Die jeweiligen Eintragungen waren rechtskonform. Unerheblich ist, ob die Geschlechtsanpassung vor oder nach der Geburt des Kindes erfolgt.
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