Europa im Überblick, 15/16

ARTIKEL 29-DATENSCHUTZGRUPPE: STELLUNGNAHME ZUM PRIVACY SHIELD – KOM

Die Artikel 29-Datenschutz-Gruppe aus Vertretern der europäischen Datenschutzbehörden hat am 13. April 2016 ihre Stellungnahme zum Entwurf des EU-US Privacy Shield, dem Nachfolger von Safe-Harbor, veröffentlicht (s. Pressemitteilung). Zwar seien erhebliche Fortschritte gegenüber Safe Harbor erzielt worden, das Privacy Shield sei aber z.T. schwer verständlich oder sogar widersprüchlich und dem Datenschutzrecht der Bürger werde noch nicht ausreichend Rechnung getragen, so die Datenschützer. Es fehlten Zusagen, dass das Privacy Shield auch für Daten von EU-Bürgern gelte, die US-Firmen an Empfänger in Drittländern übertragen. Dieser Weg dürfe nicht benutzt werden, um die Datenschutzregeln der EU zu umgehen. Sie fordern außerdem eine Vereinfachung des Beschwerdeverfahrens. In Bezug auf Datenzugriffe von US-Behörden bedauert die Arbeitsgruppe, dass eine massive und willkürliche Sammlung von persönlichen Daten aus der EU nicht auszuschließen sei. Die Datenschützer verweisen auf die anstehende EuGH-Entscheidung in der Rs. Tele 2 Sverige (C-203/15 und C-698/15) zur Vorratsdatenspeicherung und das Gutachten des EuGH zum EU-Kanada-PNR-Abkommen (A-1/15). Schließlich sei der für Beschwerden zuständige Ombudsmann nicht unabhängig genug.

MITTEILUNGEN DER KOMMISSION ZUR DIGITALISIERUNG DER INDUSTRIE – KOM

Die Industrie der EU-Staaten soll schneller und effizienter digitalisiert werden. Hierzu hat die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt  eine Mitteilung „Digitising European Industry“ vorgelegt. Diese sieht u.a. noch 2016 die Veröffentlichung einer Initiative zum freien Datenfluss vor. In deren Rahmen sollen Pläne zur Beschränkung von ungerechtfertigten Lokalisierungsanforderungen und Fragen zum Eigentum an Daten sowie Zugriff und Wiederbenutzung von Daten thematisiert werden. Auch sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für autonome Systeme und Anwendungen bzgl. des Internets der Dinge geklärt werden, insb. Sicherheits- und Haftungsregeln. Weitere Mitteilungen sehen die Schaffung einer europäischen Cloud für Wissenschaftler und die Schaffung von Standards in den Bereichen 5G, Cloud-Computing, Internet der Dinge, Datentechnologien und Cybersicherheit vor. Zudem hat die Kommission ihren eGovernment-Aktionsplan 2016-2020 vorgelegt, im Rahmen dessen u.a. Unternehmens- und Insolvenzregister verknüpft und mit dem europäischen e-Justizportal verbunden werden sollen.

TERRORISMUSBEKÄMPFUNG: KOMMISSION WILL „ECHTE SICHERHEITSUNION“ – KOM

Die EU-Kommission will eine „effektive und echte EU-Sicherheitsunion“ auf der Grundlage der im April 2015 vorgelegten Europäischen Sicherheitsagenda errichten. Hierzu legte sie am 20. April 2016 eine Mitteilung und einen Zeitplan vor. Für die Sicherheit seien zwar in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich; ohne ein Konzept auf EU-Ebene könnten länderübergreifende Bedrohungen wie der Terrorismus jedoch nicht effizient angegangen werden. Die Mitteilung zählt Fortschritte im Rahmen der Europäischen Sicherheitsagenda auf, ermittelt noch bestehende Lücken und nennt die zur Schließung erforderlichen Maßnahmen. Sie greift u.a. die Forderungen der Innenminister auf, den Richtlinienvorschlag zur Terrorismusbekämpfung und die Richtlinie zur Ausdehnung des Strafregisterinformationssystems ECRIS auf Drittstaatsangehörige zügig zu verabschieden. Auch der Aktionsplan zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, nach dem noch in diesem Quartal ein Überarbeitungsvorschlag zur noch nicht umgesetzten 4. Geldwäscherichtlinie veröffentlicht werden wird, soll schnell umgesetzt werden. Ende 2016 will die Kommission Vorschläge zur Vereinheitlichung der Geldwäschestraftatbestände und –sanktionen, zu unerlaubten Bargeldbewegungen und zur gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsbeschlüssen bzgl. Vermögenswerten aus Straftaten vorstellen.

ALTERSDISKRIMINIERUNG UND Das VERHÄLTNIS VON NATIONALEM UND EU-RECHT – EUGH

Der EuGH hat das Verhältnis von Unions- und mitgliedstaatlichem Recht klargestellt und sich zu der Pflicht der nationalen Gerichte zur Berücksichtigung der unionsrechtlichen Rechtsprechung geäußert. Das Gericht befand am 19. April 2016 in der Rs. C-441/14, dass das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, geregelt in Art. 21 Grundrechtecharta und speziell ausgestaltet durch die Richtlinie 2000/78 für die Bereiche Beruf und Beschäftigung, auch in einem Rechtsstreit zwischen Privaten einer nationalen Regelung entgegenstehe, die es einer ganzen Gruppe von Arbeitnehmern untersage, eine Entlassungsabfindung zu erhalten, wenn sie eine Altersrente bezögen. Der EuGH betonte erneut, dass die nationalen Gerichte verpflichtet seien, entsprechende Normen innerhalb der vom EuGH aufgestellten Schranken unionsrechtskonform auszulegen. Gegebenenfalls müsse eine gefestigte nationale Rechtsprechung geändert werden. Sollte eine unionsrechtskonforme Auslegung dennoch nicht möglich sein, da sie contra legem erfolge, bliebe die gegen das Unionsrecht verstoßende Norm unangewendet. Dem stehe nicht der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen: Die nationalen Richter seien verpflichtet, die Auslegung unionsrechtlicher Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen (Rs. C-499/08) auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der früheren Entscheidung entstanden seien.

RICHTLINIE ZU VERFAHRENSGARANTIEN FÜR IM STRAFVERFAHREN BESCHULDIGTE KINDER ANGENOMMEN – RAT

Jugendliche haben schon bald EU-weit einheitliche Mindestrechte, wenn sie in einem Strafverfahren beschuldigt oder angeklagt sind. Der Rat der Justiz- und Innenminister hat am 21. April 2016 den Kompromisstext zur Richtlinie über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder, d.h. Jugendliche unter 18 Jahren, bestätigt (s. PM). Nach der Richtlinie müssen Jugendliche während des gesamten Verfahrens mit wenigen Ausnahmen durch einen Anwalt begleitet sein und – wo erforderlich – ein Recht auf Prozesskostenhilfe haben. Dies hatte der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 49/2014 gefordert (s. auch EiÜ 10/16, 42/15, 5/15, 33/14). Nun steht die Veröffentlichung im Amtsblatt bevor, mit der die zweijährige Umsetzungsfrist zu laufen beginnt.

RICHTLINIE ZUR FLUGGASTDATENSPEICHERUNG: ANNAHME DURCH INNENMINISTER – RAT

Nachdem in der vergangenen Woche das Plenum des EU-Parlaments den Kompromisstext zur Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Zwecken der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität angenommen hatte, hat am 21. April 2016 der Justiz- und Innenministerrat den Kompromiss gebilligt (s. auch EiÜ 14/16, 42/15, 26/15). Nach der Richtlinie sollen Fluggastdaten sechs Monate unmaskiert und danach viereinhalb Jahre ohne direkten Personenbezug aufbewahrt werden. Neben interkontinentalen wollen die EU-Staaten freiwillig auch innereuropäische Strecken bei der Umsetzung erfassen. Die zweijährige Umsetzungsfrist beginnt mit der in Kürze zu erwartenden Veröffentlichung im Amtsblatt.

AUFNAHME DES DAV-BELGIEN IN DEN DEUTSCHEN ANWALTVEREIN - DAV

Am Montag, 18. April 2016, ist der neu gegründete „Deutsche Anwaltverein in Belgien“ (DAV Belgien) mit Sitz in Eupen in den DAV aufgenommen worden. Damit versammeln sich jetzt unter dem Dach des DAV 258 örtliche Anwaltvereine, darunter 14 Auslandsvereine. Der Verein hat sich u. a. zum Ziel gesetzt, den Gedankenaustausch zwischen Juristen beider Länder zu pflegen und das Verständnis für die jeweiligen Rechtsordnungen zu fördern. Die erste Veranstaltung wird noch in diesem Jahr stattfinden. Präsident des DAV Belgien ist Rechtsanwalt Michael Jürgen Werner (Brüssel). Dem Vorstand gehören außerdem Vizepräsident Rechtsanwalt Dr. Yorick Ruland (Köln) sowie die Rechtsanwälte Ingrid Jodocy, Laura Sproten, David Diris und Christoph Kocks (alle aus Brüssel) an. Wenn Sie Interesse an einer Mitgliedschaft haben, wenden Sie sich per Email an info@dav-belgien.de.

EU-VERGABRECHT: NEUE REGELN IN KRAFT – KOM

Am 18. April 2016 sind nach zweijähriger Umsetzungsfrist die neuen EU-Regeln zur öffentlichen Auftragsvergabe in Kraft getreten. Das Richtlinienpaket umfasst neben einer Neufassung der Vergaberichtlinie 2014/24/EU auch eine Neufassung der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU und eine neue Richtlinie 2014/23/EU über die Vergabe von Konzessionen. Entsprechend der Forderungen des DAV sind anwaltliche Dienstleistungen nur in begrenztem Maße von dem Paket umfasst (s. Stn 7/2012). In Deutschland sind die Richtlinien durch die Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts umgesetzt worden, die am 14. April im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist.

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