Europa im Überblick, 17/16

ASYLRECHT: REFORM DER DUBLIN-VERORDNUNG – KOM/EP

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem soll reformiert werden – zumindest ein bisschen. Dazu legte die Europäische Kommission am 4. Mai u.a. einen Vorschlag COM(2016) 270 zur Überarbeitung der Dublin-Verordnung Nr. 604/2013 vor. Dieser hält weiter am Prinzip der Zuständigkeit des Eintrittslandes fest und erweitert dieses lediglich um einen Umverteilungsmechanismus. Erreicht ein Mitgliedstaat über 150 Prozent der ihm nach einer bestimmten Quote, die nach Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl berechnet wird, zustehenden Flüchtlinge, so werden alle weiteren Flüchtlinge im Rahmen eines Umverteilungsmechanismus auf andere EU-Staaten verteilt. Derselbe Fairnessmechanismus sieht vor, dass Staaten, die sich an der Umsiedlung nicht beteiligen, für jeden Flüchtling einen Betrag i.H.v. 250.000 Euro an den Mitgliedstaat entrichten, welcher den Flüchtling aufnimmt. Das Plenum des EU-Parlaments hielt am 11. Mai 2016 eine Aussprache zu den Reformplänen. Dabei wurden kritische Stimmen laut, die das Festhalten am Prinzip des Ersteintrittsstaates monierten. Zudem dürfe es nicht möglich sein, sich von der Solidarität, die das Wesen der EU ausmache, freizukaufen.

KONSULTATION ZUM EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTUNGSSEKTOR – KOM

Die EU-Kommission hat am 3. Mai 2016 eine öffentliche Konsultation zum Vorschlag zur Einführung eines Dienstleistungspasses und zum Abbau regulatorischer Hindernisse in der Bau- und Unternehmensdienstleistungsbranche (z.B. Rechtsformen, Beteiligungsverhältnisse, multidisziplinäre Einschränkungen und Versicherungsanforderungen) eingeleitet (s. EiÜ 8/16). Ein entsprechendes legislatives Vorgehen hatte die EU-Kommission bereits in der Binnenmarktstrategie (s. EiÜ 35/15) für Ende des Jahres 2016 angekündigt. Der insgesamt 111 Fragen umfassende Fragebogen richtet sich sowohl an Dienstleister als auch Kunden und betrifft größtenteils zunächst die Unternehmensdienstleistungsbranchen des Rechnungswesens sowie der Architektur-und Ingenieursleistungen. Enthalten sind allerdings auch Fragen zur möglichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der geplanten legislativen Vorhaben. Die Kommission weist zudem auf eine bevorstehende Konsultation zu den reglementierten Berufen hin. Eine Beantwortung der Konsultation ist bis einschließlich 26. Juli 2016 möglich.

ÖFFENTLICHE KONSULTATION: EU-VERBRAUCHERRECHT IM FITNESS CHECK – KOM

Die EU-Kommission will das europäische Verbraucher- und Marketingrecht einem „Fitness Check“ unterziehen und hat deshalb am 12. Mai 2016 eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Die Konsultation überprüft die folgenden sechs Richtlinien (RL) auf ihre Effizienz, Kohärenz und ihren europäischen Mehrwert: Die RL über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93/13/EWR, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG, die RL über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG, die RL über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse 98/6/EG, die RL über irreführende und vergleichende Werbung 2006/114/EG sowie die RL über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen 2009/22/EG. Außerdem umfasst die Konsultation die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, die auch Gegenstand einer separaten Evaluierung ist. Eine Teilnahme an der Konsultation ist per Onlinefragebogen (bisher nur auf Englisch verfügbar) in allen Amtssprachen bis zum 2. September 2016 möglich. Die Kommission plant zudem, im Oktober 2016 einen EU-Verbraucherrechtegipfel abzuhalten.

SCHLUSSANTRÄGE: LÄNGERFRISTIGE SPEICHERUNG VON IP-ADRESSEN MÖGLICH – EUGH

Dynamische IP-Adressen stellen personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG dar – jedenfalls soweit der Internetzugangsanbieter über weitere zusätzliche Daten verfügt, die in Verbindung mit der IP-Adresse die Identifizierung des Nutzers ermöglichen. Dies befindet der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen vom 12. Mai 2016 in der Rs. C-582/14. Webseitenbetreiber könnten – etwa zur Funktionssicherung von Internetseiten gegen Cyberangriffe – ein berechtigtes Interesse haben, solche Daten zu speichern. Dieses berechtigte Interesse könne daher im Einzelfall gegen das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten des Nutzers abgewogen werden. Eine nationale Vorschrift, vorliegend § 15 Telemediengesetz, die eine solche Speicherung verbiete, würde daher nach Ansicht des Generalanwalts gegen europäisches Recht verstoßen. Dem Vorabentscheidungsverfahren liegt die Klage des deutschen Staatsbürgers Patrick Breyer, Abgeordneter der Piraten, gegen die BRD zugrunde, es zu unterlassen, die IP-Adresse des zugreifenden Hostsystems zu speichern oder durch Dritte speichern zu lassen. Breyer befürchtet, der Staat könne Nutzerprofile erstellen. Der EuGH folgt den Schlussanträgen in den meisten Fällen.

PLENUM NIMMT BERICHT ZUM AUTOMATISCHEN iNFORMATIONSAUSTAUSCH VON STEUERBEHÖRDEN AN – EP

Das Europäische Parlament hat in seiner Abstimmung am 12. Mai 2016 den Bericht zur Änderung des Vorschlags der Richtlinienänderung bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung (COM(2016) 25) von Berichterstatter Dariuz Rosati (EVP) angenommen (s. zur Abstimmung im Ausschuss EiÜ 16/16). Nach Vorstellung des Parlaments soll die EU-Kommission in den Informationsaustauch so eingebunden werden, dass sie anhand der vorgesehenen länderspezifischen Berichte die Einhaltung der EU-Beihilfevorschriften überwacht. Daneben ist unter anderem vorgesehen, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Jahresbericht zur jährlichen Bewertung der Wirksamkeit des automatischen Informationsaustauschs durch die Mitgliedstaaten sowie zu den konkreten Ergebnissen vorlegt. Im Rat wurde der Richtlinienentwurf bereits im März diesen Jahres angenommen (s. EiÜ10/2016). Das Europäische Parlament wurde in diesem Gesetzgebungsverfahren nach Artikel 113, 115 AEUV angehört.

AUFRUF ZUR TEILNAHME AM „RULE OF LAW INDEX 2016“ – WJP

Das World Justice Project (WJP) ruft zum sechsten Mal dazu auf, sich am „Rule of Law Index 2016“ zu beteiligen. Im Rahmen dieser unabhängigen Studie werden jährlich in etwa 100 Ländern weltweit Haushalte und Experten zu ihrer Wahrnehmung der nationalen Rechtsstaatlichkeit befragt. Speziell in Deutschland dienen die Ergebnisse als Anhaltspunkte für die „Law Made in Germany“-Initiative von Bundesnotarkammer, Bundesrechtsanwaltskammer, Deutschem Anwaltverein, Deutschem Industrie- und Handelskammertag, Deutschem Notarverein und Deutschem Richterbund, welche die Vorteile des deutschen Rechts insbesondere für wirtschaftliche Transaktionen vorstellt. Rechtsanwälte, die bei der Studie mitmachen möchten, können sich hier für die Teilnahme registrieren. Im letzten Bericht zum Rule of Law Index 2015 rangierte Deutschland insgesamt auf Platz 8 (s. EiÜ 21/15).

GERICHTSHOF DER EUROPÄISCHEN UNION STARTET MOBILE APP – EUGH

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dieser Woche seine App CVRIA für Smartphones und

Tablets gestartet. Die App ist in 23 Sprachen verfügbar und in vier Rubriken unterteilt: Die Kategorie „Rechtsprechung“ bietet Zugang zu den jüngsten Urteilen, Beschlüssen und Schlussanträgen. Unter „Pressemitteilungen“ können die letzten zehn Pressemitteilungen angezeigt werden. Schließlich gibt der „Gerichtskalender“ einen Überblick über die in den nächsten fünf Wochen angesetzten Termine für mündliche Verhandlungen, für die Stellung von Schlussanträgen und für Urteilsverkündungen. Im Feld „Suche“ kann in der gesamten Rechtsprechung der Unionsgerichte anhand der Rechtssachennummer, der Namen der Parteien und des Datums sowie im Rahmen einer Volltextsuche gesucht werden. Die App ist gratis auf „Google Play“ und im „App Store“ verfügbar.

VERBESSERTER ZUGANG ZU URTEILEN DURCH ECLI-SUCHMASCHINE – KOM

Die EU-Kommission hat am 11. Mai 2016 als neue Funktion des Europäischen Justizportals die Suchmaschine "European Case Law Identifier (ECLI)" eingeführt. Sie dient als Rechtsprechungsidentifikator (s. EiÜ 38/14) und ermöglicht es, Rechtsprechung, die von nationalen und internationalen Gerichten veröffentlicht wird, leichter zu finden. Zurzeit bietet die Suchmaschine einen Zugriff auf fast 4 Millionen Urteile des EuGH, des Europäischen Patentamtes sowie auf Urteile aus den Mitgliedstaaten Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Slowenien, Deutschland, der Tschechischen Republik und Finnland.

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