Europa im Überblick, 17/2022

EiÜ 17/2022

Mehr Befugnisse für Eurojust bei Kriegsverbrechen – KOM

Die EU-Kommission hat am 25. April 2022 einen Vorschlag (in Englisch) zur Änderung der Eurojust-Verordnung (EU) 2018/1727 vorgelegt. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine soll der Handlungsrahmen der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) erweitert werden. Eurojust soll selbst Beweismittel zu Kriegsverbrechen und terroristischen Handlungen sammeln und analysieren können. Bisher leistet Eurojust lediglich Koordinationsarbeit zwischen den nationalen Ermittlungsbehörden; eigene Ermittlungsarbeit ist in der Euro-Verordnung dagegen nicht vorgesehen. Der Vorschlag sieht weiterhin vor, dass ein automatisches Datenverwaltungssystem eingerichtet werden soll, das neben das bereits bestehende Fallmanagementsystem tritt. Ferner sollen die bestehenden Datenverarbeitungsbefugnisse Eurojusts um Daten aus Video- und Audioaufnahmen sowie Satellitenbildern erweitert werden. Die EU-Kommission hat den Rat und das EU-Parlament dazu angehalten, das nun startende Gesetzgebungsverfahren möglichst schnell abzuschließen, um Eurojust zeitnah die Aufnahme von Ermittlungshandlungen im Ukraine-Krieg zu ermöglichen.

Parlament befürwortet Forderungen der Konferenz zur Zukunft Europas – EP

Das EU-Parlament hat am 03. Mai 2022 über das Ergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas (vgl. hierzu EiÜ 09/21) diskutiert und einen entsprechenden Entschließungsantrag angenommen. Die Konferenz hatte in seinem Abschlussbericht 49 Forderungen an die EU-Institutionen gerichtet. Die Bürger:innen forderten eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit, insbesondere bei den Themen Verteidigung, Migration, Gesundheit und Energie. Außerdem solle das Wahlrecht in der EU grenzübergreifend gestaltet und dem EU-Parlament ein Initiativrecht gegeben werden. Um die EU schneller handlungsfähig zu machen, solle zudem das Einstimmigkeitserfordernis im Rat weitgehend abgeschafft werden. In dem Entschließungsantrag begrüßten die Parlamentarier:innen den Bericht und sprachen sich für eine möglichst umfassende Umsetzung der Forderungen der Konferenz aus. Sie forderten weiterhin eine zeitnahe Einberufung eines Konvents nach Art. 48 EUV um die erforderlichen Vertragsänderungen beschließen zu können. In der Parlamentsdebatte wurde das mit der Konferenz einhergehende Demokratieexperiment von der Mehrheit der Abgeordneten als großer Erfolg angesehen. Kritik gab es von einigen Seiten hinsichtlich der Auswahl der Bürger:innen, die nicht repräsentativ gewesen sei. Am 09. Mai 2022 findet die Abschlusszeremonie der Konferenz statt. In diesem Rahmen werden Vertreter:innen der Konferenz den Präsident:innen der EU-Institutionen ihren Abschlussbericht vorlegen.

EU-Parlament möchte unionsweiten Wahlkreis einführen– EP

Am 03. Mai 2022 hat das Plenum des EU-Parlaments einen Entschließungsantrag sowie einen Verordnungsvorschlag zur Reform des Wahlrechts in der EU beschlossen. Das EU-Parlament schlägt hierin u.a. einen einheitlichen europäischen Wahltag am 09. Mai vor. Ferner möchte es, dass das aktive Wahlrecht zum EU-Parlament auf 16 Jahre herabgesetzt wird. Zudem sollen alle Wahlberechtigten zwei Stimmen haben. Eine Stimme soll dabei auf Kandidat:innen aus einem nationalen Wahlkreis entfallen. Die andere Stimme soll für Kandat:innen aus einem unionsweiten Wahlkreis vergeben werden, aus dem insgesamt 28 MEPs gewählt werden sollen. In dem unionsweiten Wahlkreis sollen nur die europäischen Wahleinheiten (bspw. die jetzigen EVP- oder S&D-Fraktionen des EU-Parlaments) unter Berücksichtigung geographischer Kriterien Kandidat:innen benennen dürfen. Der Vorschlag sieht weiter vor, dass durch ein Reißverschluss- oder Quotensystem die Gleichstellung von Männern und Frauen erreicht werden soll, ohne dabei die Rechte von nicht-binären Personen zu beeinträchtigen. Außerdem soll eine Sperrklausel von mindestens 3,5 % für nationale Wahlkreise, die mehr als 60 Sitze umfassen (darunter fällt u.a. Deutschland), eingeführt werden. Jetzt ist der Rat an der Reihe. Damit der Verordnungsvorschlag angenommen wird, muss dieser die Verordnung einstimmig beschließen.

EU soll globale Standards für Künstliche Intelligenz setzen – EP

Das Plenum des EU-Parlaments hat am 03. Mai 2022 den Bericht zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter angenommen (vgl. hierzu EiÜ 11/22). Dieser soll einen Fahrplan für Künstliche Intelligenz bis 2030 darstellen und enthält die endgültigen Empfehlungen des Sonderausschusses zu Künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA). Berichterstatter Axel Voss (EVP) zeigte sich mit dem erarbeiteten Ergebnis zufrieden. Der Bericht werde die Digitalisierung vorantreiben und den globalen digitalen Wettbewerb verändern. Zudem werde die EU in die Lage versetzt, eine weltweite Führungsrolle zu übernehmen. Obwohl der Bericht keine legislative Wirkung hat, zeigt er doch ein aktuelles Stimmungsbild zur Künstlichen Intelligenz im EU-Parlament auf, das in den laufenden Gesetzgebungsprozess der KI-Verordnung einfließen kann (vgl. EiÜ 16/22; 37/21; 14/21 sowie DAV-Stellungnahme Nr. 57/2021). Mit der Annahme des Berichts ist das Mandat des AIDA-Sonderausschusses abgeschlossen.

Befugniserweiterung von Europol durchgewunken – EP

Das EU-Parlament hat am 4. Mai 2022 den Trilogkompromiss zur Änderung der Europol-Verordnung (EU) 2016/794 (vgl. EiÜ 10/22; 05/22) förmlich angenommen. Europol erhält durch die beschlossenen Änderungen u.a. mehr Befugnisse in Bezug auf die Verarbeitung von großen Datenmengen. Bei Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch und terroristischen Inhalten kann Europol nun außerdem personenbezogene Daten von privaten Parteien entgegennehmen. Als Gegengewicht zu den erweiterten Befugnissen wird die Position eines Grundrechtsbeauftragten geschaffen, der in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Datenschutzbeauftragten die Achtung der Grundrechte überwachen soll. Außerdem wird es Europol möglich sein, Innovations- und Forschungsprojekte zu betreiben und nationale Behörden bei der Prüfung von sicherheitsrelevanten Direktinvestitionen und der Bekämpfung von Cyberangriffen zu unterstützen. Der DAV hat das Gesetzgebungsverfahren mit Blick auf die mit der Verordnungsänderung einhergehenden erheblichen Grundrechtseinschränkungen von Anfang an kritisch begleitet (vgl. DAV Stellungnahme Nr. 31/2021). Im nächsten Schritt muss der Rat den Änderungen der Europol-Verordnung noch förmlich zustimmen, bevor diese in Kraft treten können.

Keine Verjährung von Urlaubsansprüchen bei fehlender Aufklärung? – EUGH

Gesetzliche Urlaubsansprüche können nicht verjähren, wenn Arbeitgeber:innen die Arbeitnehmer:innen nicht über die ihnen zustehenden Urlaubsansprüche aufklären. So argumentierte Generalanwalt Richard de la Tour am 05. Mai 2022 in seinen Schlussanträgen in der Rs. C-120/21 auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit war die Klägerin von dem beklagten Arbeitgeber weder dazu aufgefordert worden, den ihr zustehenden Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen worden, dass der Urlaub verfällt, wenn sie ihn nicht rechtzeitig nimmt. Auf die Klage zur Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche erhob der Beklagte hinsichtlich eines Teils der Ansprüche die Einrede der Verjährung. Nach der Auffassung des Generalanwalts verstößt die Anwendung der regulären Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 BGB auf den Urlaubsanspruch nach § 7 BUrlG jedoch gegen Art. 7 (1) der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 (2) der Grundrechtecharta, wenn der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in Bezug auf die Urlaubsnahme durch den Arbeitnehmer nicht nachgekommen ist. Dies begründet der Generalanwalt im Kern damit, dass die Rechtsprechung des EuGH zum Verfall von nichtgenommenen Urlaub (Rs. C-684/16, u.a.; vgl. EiÜ 39/18), auf den vorliegenden Fall übertragbar sei. Die Schlussanträge sind für den EuGH nicht bindend.

Keine zwingenden Informationen zur Herstellergarantie erforderlich – EuGH

Die vorvertragliche Informationspflicht eines Online-Händlers über eine Herstellergarantie wird nicht schon allein durch das bloße Bestehen einer solchen Garantie ausgelöst. Dies entschied der EuGH am 05. Mai 2022 (Rs. C-179/21) in einem durch den BGH angestrengten Vorabentscheidungsverfahren. Nach Art. 6 (1) lit. m der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU erteilt der Unternehmer dem Verbraucher vor Abschluss eines Fernabsatzvertrags „gegebenenfalls“ einen Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von gewerblichen Garantien. In Abwägung zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen entschied der EuGH, dass der Unternehmer nicht in jedem Falle verpflichtet ist, dem Verbraucher entsprechende Informationen über die Herstellergarantie zur Verfügung zu stellen. Eine solche Pflicht soll nur dann existieren, wenn der Verbraucher im Hinblick auf den Vertragsabschluss ein berechtigtes Interesse hieran hat. Ein berechtigtes Interesse liege insb. dann vor, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht, einen Hinweis auf die Garantie also etwa als Verkaufs- oder Werbeargument nutzt. Die dann notwendigen Informationen können neben Dauer und räumlichem Geltungsbereich auch Namen und Anschrift des Garantiegebers sowie mögliche Beschränkungen der Garantie umfassen.

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