Europa im Überblick, 19/18

Anträge auf Familienzusammenführung müssen auch bei Einreiseverbot bearbeitet werden – EuGH

Wenn Drittstaatsangehörige einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen, müssen die Behörden eines EU-Mitgliedsstaats diesen prüfen – selbst wenn gegen die Person bereits ein Einreiseverbot vorliegt. Dies befand der EuGH in seinem Urteil vom 8. Mai 2018 (Rs. C-82/16) in einem belgischen Vorabentscheidungsersuchen. Im vorliegenden Fall waren mehrere Drittstaatsangehörige aus Belgien ausgewiesen und mit einem Einreiseverbot beleget worden. Sie hatten daraufhin Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung auf Basis verschiedener Familienbeziehungen gestellt, die die belgischen Behörden mit Begründung des bestehenden Einreiseverbots nicht bearbeiteten. Dem EuGH zufolge steht dies nicht in Einklang mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG und den sich aus der Unionsbürgerschaft gemäß Art. 20 AEUV ergebenden Rechten. In Fällen, in denen ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Unionsbürger und dem Drittstaatsangehörigen besteht, könne die Ausweisung dazu führen, dass der Unionsbürger sich gezwungen sehe, ebenfalls das Unionsterritorium zu verlassen, was die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft beeinträchtigen würde. Allerdings bestehe ein solches Abhängigkeitsverhältnis bei Erwachsenen in der Regel nicht und auch bei Minderjährigen nur unter konkreten Bedingungen. Dies müsse aber im Einzelfall geprüft werden.  

Produkthaftungsrichtlinie auch heute noch zweckmäßig – KOM

Die Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG ist auch nach drei Jahrzehnten noch zweckmäßig, bedarf im Hinblick auf die heutigen technologischen Entwicklungen jedoch einiger Klarstellungen. Dies ergibt ein Bericht der EU-Kommission vom 7. Mai 2018 zur Wirksamkeit der Produkthaftungsrichtlinie. Diese gewährt seit 1985, dass Hersteller gegenüber Verbrauchern verschuldensunabhängig für fehlerhafte Produkte haften. Die Bewertung der EU-Kommission ergab, dass die Richtlinie insgesamt ein effizienter und fester Bestandteil des EU-Rechtsrahmens sei. Sie stelle weiterhin ein gutes Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und Innovationsförderung in der EU her. Weiteren Klärungsbedarf sieht die EU-Kommission hingegen bei der Frage, wie sich neue digitale Technologien (z.B. das Internet der Dinge oder künstliche Intelligenz) auf das Funktionieren der Richtlinie und ihr Begriffsverständnis auswirken. Beispielsweise sei es hierbei unklar, was ein Produkt von einer Dienstleistung unterscheide, in welchem Umfang Schäden erfasst werden und was überhaupt unter dem Begriff „Fehler“ zu verstehen sei. Insgesamt seien die in der Richtlinie definierten Termini heute größtenteils weniger scharf umrissen. Die EU-Kommission wird zunächst eine öffentliche Konsultation durchführen. Für Mitte 2019 plant die EU-Kommission zudem, Auslegungsleitlinien zu veröffentlichen.

Zugriff auf Kontaktdaten nicht nur bei „schweren“ Straftaten – EuGH

Ermittlungsmaßnahmen, durch die Nutzinformationsdaten der von einem bestimmten Mobiltelefon in einem begrenzten Zeitraum angerufenen Telefonnummern erlangt werden, sind nicht auf Fälle zu beschränken, in denen die betreffende Straftat als schwer anzusehen ist. Diese Ansicht vertritt Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe in seinen Schlussanträgen vom 3. Mai 2018 zu einem spanischen Vorabentscheidungsersuchen in der Rs. C-207/16. Dem zugrundeliegenden Fall nach beantragte eine spanische Polizeibehörde in Folge eines Raubes Zugang zu den Identifikationsdaten der von dem beim Raub entwendeten Mobiltelefon aus angerufenen Nutzern sowie der Nutzer der für die Anrufe verwendeten SIM-Karten für einen Zeitraum von 12 Tagen. Dies lehnte der Ermittlungsrichter mit dem Hinweis ab, dass die betreffende Straftat nicht hinreichend schwer sei, um einen solchen Eingriff zu rechtfertigen. Der Generalanwalt weist nun darauf hin, dass Straftaten, – anders als im Sinne der aus den EuGH-Urteilen „Digital Rights“ und „Tele2“ (s. EiÜ 42/16) hervorgegangenen Rechtsprechung – die die betreffende einschränkende Maßnahme rechtfertigen, gemäß Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie in der Fassung 2009/136/EG nicht zwingend als „schwer“ zu qualifizieren seien. Nur dann, wenn der erlittene Eingriff als besonders schwer anzusehen sei, müssen auch die Straftaten, die einen solchen Eingriff rechtfertigen, besonders schwer sein. Im Fall eines nicht schweren Eingriffs sei dagegen zum Grundsatz zurückzukehren, dass grundsätzlich jede Straftat geeignet ist, einen solchen Eingriff zu rechtfertigen.

Hochgeladenes Bild in Schulreferat verletzt nicht das Urheberrecht – EuGH

Das Hochladen eines Referats mit einem im Internet frei verfügbaren Bild auf einer Schulwebsite stellt keine Verletzung des Urheberrechts dar. Diese Ansicht vertritt der Generalstaatsanwalt am EuGH Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen vom 25. April 2018 in einem Vorabentscheidungsersuchen des BGH (Rs. C-161/17). Im vorliegenden Fall hatte eine Schülerin für ein Spanischreferat ein Foto der Stadt Córdoba, das sie auf einer Reisewebsite gefunden hatte, verwendet. Nach Hochladen des Referats auf der Website der Schule klagte der Fotograf des Bildes mit dem Argument, er habe nur der Reisewebsite ein Nutzungsrecht eingeräumt. Im Gegensatz zu den vorinstanzlichen Gerichten sieht der Generalanwalt in dem Hochladen aber kein „öffentliches Zugänglichmachen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtslinie 2001/29/EG, da das Foto bereits der allgemeinen Internetöffentlichkeit frei und kostenlos zugänglich gewesen sei und somit durch das Hochladen auf der Schulwebsite keiner „neuen Öffentlichkeit“ zugänglich gemacht würde. Zudem sei das Bild ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf die Website der Schule gestellt worden. 

Konsultation zur Zukunft Europas – KOM

In Anschluss an das Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Union (s. EiÜ 09/17) und die „Wind in den Segeln“ Rede von Kommissionspräsident Juncker (s. EiÜ 31/17), hat die Europäische Kommission am 9. Mai 2018 eine öffentliche Konsultation zur Zukunft Europas gestartet. In der zwölf Fragen umfassenden Umfrage können alle EU-Bürger und Bürgerinnen ihre Erwartungen an und Prioritäten für die EU-Politik der Zukunft mitteilen – u.a. auch zur weiteren Harmonisierung im Binnenmarkt sowie die Justiz betreffende Themen wie Sicherheit oder Migration.

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