EiÜ 2/2020
Veranstaltungshinweis: Tag des bedrohten Anwalts – DAV
Seit nunmehr drei Jahren richtet der DAV gemeinsam mit Amnesty International am Tag des bedrohten Anwalts, dem 24. Januar 2020, den Blick auf Kolleginnen und Kollegen, deren Arbeit durch Drohungen, Verfolgung, Haft oder sogar Folter erschwert, beziehungsweise verhindert wird. Am kommenden Freitag, den 24. Januar 2020 wollen wir im Robert-Havemann-Saal, Haus der Demokratie und Menschenrechte, um 10 Uhr in einer Podiumsdiskussion die Situation in der Türkei und im Iran diskutieren. Wir freuen uns sehr, dass zu diesem Anlass Emma Sinclair-Webb nach Berlin reist. Als Türkei-Direktorin bei Human Rights Watch hat sie den Bericht "Lawyers on Trial - Abuse Prosecution and Erosion of Fair Trial Rights in Turkey" mitverfasst, einen umfassenden Lagebericht zur aktuellen Situation der türkischen Anwaltschaft. Zur Situation im Iran berichtet Mousa Khalifelo, Mitglied im Centre for Supporters of Human Rights und Mitarbeiter im Abdorrahman Boroumand Center for Human Rights in Iran und bei Iranwire. Moderiert wird die Diskussion vom DAV-Menschenrechtsausschussvorsitzenden Stefan von Raumer. Die Veranstaltung ist kostenlos, wir bitten um Anmeldung.
Generalanwalt: Vorratsdatenspeicherung soll eng begrenzt bleiben – EuGH
Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Manuel Campos Sánchez-Bordona hat sich am 15. Januar 2020 dafür ausgesprochen, die vom EuGH 2016 aufgestellten strengen Vorgaben an die Rechtmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung beizubehalten (C-623/17, C-511 und 512/18 und C-520/18). Zweieinhalb Jahre nach dem Urteil in den verbundenen Rechtssachen Tele2 Sverige u.a. (Rs. C‑203/15 und C-698/15, s. Bericht im Anwaltsblatt) steht der EuGH damit vor einer Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung. Den Anträgen lagen Vorlagen aus England, Frankreich und Belgien zugrunde, welche die Speicherpflichten von elektronischen Kommunikationsbetreibern zugunsten von Geheimdiensten betrafen. Der Generalanwalt hält Ausnahmen vom Verbot für möglich, wonach nationale Vorschriften die Speicherung bestimmter Datenkategorien vorsehen könnten, die zur Kriminalitätsbekämpfung unerlässlich sind. Hierzu dürfe nur ein zeitlich begrenzter Zugang für Behörden eröffnet werden. Betroffene müssten informiert werden. Eine Differenzierung bei der Speicherung nach geografischem Gebiet oder einer bestimmten Personengruppe sei nicht praktikabel. Folgt der EuGH in seiner Entscheidung dem Generalanwalt, so dürfte damit auch feststehen, dass die derzeit ausgesetzte allgemeine deutsche Speicherpflicht nach wie vor unionsrechtswidrig ist. Mehr Details zu diesem Fall finden Sie im Anwaltsblatt.
Polen und Ungarn am Scheideweg der Rechtsstaatlichkeit – EP/DAV
Das Plenum des EU-Parlaments hat in einer am 16. Januar 2020 mit 446 Stimmen bei 178 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen angenommenen Entschließung festgestellt, dass Berichte und Erklärungen der Kommission, der UNO, der OSZE und des Europarates darauf hinweisen, dass sich die Lage der Rechtsstaatlichkeit sowohl in Polen als auch in Ungarn seit der Einleitung der Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV verschlechtert hat. Das EU-Parlament fordert die Kommission ferner auf, die verfügbaren Instrumente, insbesondere beschleunigte Vertragsverletzungsverfahren und Anträge auf einstweilige Maßnahmen beim Gerichtshof, in vollem Umfang zu nutzen, um der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Polen und Ungarn zu begegnen. Zuvor hatte die EU-Kommission am 14. Januar 2020 den EuGH um eine einstweilige Verfügung zur Aussetzung der Tätigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs in Polen gebeten. Das Ersuchen erfolgt im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Polen wegen der neuen Disziplinarreglung für polnische Richter und im Anschluss an die EuGH-Entscheidung vom 5. November 2019 in der Rs. C-192/18 (s. EiÜ 39/19). Der DAV hat zudem als Beobachter an einer Anhörung am 14. Januar 2020 im polnischen Senat anlässlich der jüngsten Gesetzesvorschläge für Disziplinarmaßnahmen gegen Richter in Polen teilgenommen.
Generalanwalt: Ungarisches NGO-Gesetz unverhältnismäßig – EuGH
Die von Ungarn für die Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft aus dem Ausland auferlegten Beschränkungen sind mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Diese Ansicht vertritt der Generalanwalt Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen vom 14. Januar 2020 (Rs. C-78/18, Pressemitteilung). Ein 2017 in Ungarn erlassenes Gesetz verpflichtet Nichtregierungsorganisationen, die Zuwendungen in Höhe von mindestens 1.500 Euro jährlich aus dem Ausland erhalten, sich als „aus dem Ausland unterstützte Organisation“ registrieren zu lassen. Diese Information wird sodann auf einer öffentlich und kostenlos zugänglichen Plattform bereitgestellt. Die Pflicht stelle eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) sowie einen ungerechtfertigten Eingriff in den Schutz des Privatlebens und personenbezogener Daten (zulasten des Zuwenders) dar und verstößt gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit (zulasten der NGO) (Art. 8, 12 GRCh). Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung könnte im vorliegenden Fall die Regelung nicht rechtfertigen, da das Regelwerk der EU insoweit einen ausreichenden Schutz gewährleiste. Schließlich sei die Regelung auch unverhältnismäßig, da der Schwellenwert der jährlichen Zuwendung zu niedrig sei, da Zuwendungen aus anderen EU-Staaten genauso behandelt würden wie solche, die von außerhalb der Union kämen und die Nichterfüllung der Pflicht zur Auflösung der gegen sie verstoßenden Organisation führen könne.
Kommission kündigt erste Maßnahmen für ein soziales Europa an – KOM
Die EU-Kommission hat am 14. Januar 2020 in ihrer Mitteilung für ein soziales Europa die ersten Schritte angekündigt, wie Herausforderungen durch Klimawandel, Digitalisierung und demografischen Wandel zu bewältigen sind, und stellt zentrale Maßnahmen für eine zukünftige europäische Sozialpolitik vor. Eine der Initiativen der Kommission ist ein gerechter Mindestlohn für Beschäftigte in der EU. Die Sozialpartner werden aufgerufen, sich in einer Konsultation darüber auszutauschen, ob Unternehmen und Gewerkschaften ein Vorgehen auf EU-Ebene hinsichtlich gerechter Mindestlöhne für erforderlich halten, und falls ja, ob sie Verhandlungen untereinander vorziehen. Weitere Vorhaben sind u.a. der Erlass einer neuen Europäischen Gleichstellungsstrategie 2020-2024 und die Einführung verbindlicher Maßnahmen für mehr Lohntransparenz sowie Beteiligungsmöglichkeiten für Beschäftigte an Unternehmen und eine an sozialen Kriterien orientierte öffentliche Auftragsvergabe.
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