EUROPÄISCHE STAATSANWALTSCHAFT: ZAHLREICHE ARTIKEL VORLÄUFIG ANGENOMMEN – RAT
Kurz vor Ende der niederländischen Ratspräsidentschaft konnte diese im Dossier zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtetem Betrug, Fortschritte erzielen: Der Rat der Justizminister legte am 10. Juni 2016 seine konzeptionelle Unterstützung zu einigen Artikeln des Verordnungsvorschlags in einer teilweisen allgemeinen Ausrichtung vorläufig fest. Die erzielte Einigung betrifft u.a. Bestimmungen zum Fallbearbeitungssystem und zum Datenschutz (Artikel 20-24 und 37-47), vereinfachte Strafverfolgungsverfahren (Vergleiche, Artikel 29), sowie Finanz- und Personalbestimmungen und allgemeine Bestimmungen. Einige Justizminister äußerten jedoch deutliche Vorbehalte, u.a. betreffend den Status der in den Mitgliedstaaten ermittelnden delegierten europäischen Staatsanwälte sowie bezüglich der Kohärenz des Fallbearbeitungssystems. Der Rat plant einen Abschluss der Verhandlungen zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft bis Ende 2016.
ALLGEMEINE AUSRICHTUNG ZUM GRENZÜBERSCHREITENDEN GÜTERRECHT ERZIELT – RAT
Der Rat der Europäischen Justiz- und Innenminister hat am 9. März 2016 seine allgemeine Ausrichtung zu den Verordnungsvorschlägen zur Präzisierung des Güterrechts für internationale Ehen (COM(2016) 106 final) und für eingetragene Partnerschaften (COM(2016) 107 final) angenommen (vgl. Pressemitteilung). Die Kommission hatte die seit Jahren diskutierten Vorschläge im März im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit vorgelegt, da es den 28 EU-Mitgliedstaaten zuvor nicht gelungen war, Einstimmigkeit zu erzielen. Bisher nehmen 18 Staaten an der verstärkten Zusammenarbeit teil, weitere Staaten kündigten ihren Beitritt an. Mit den Verordnungen wird geklärt, welches nationale Gericht dafür zuständig ist, internationalen Paaren zu helfen, ihr Vermögen zu verwalten oder im Falle von Scheidung, Trennung oder Tod aufzuteilen. Andererseits wird die Anerkennung und Vollstreckung von in einem Mitgliedstaat ergangenen vermögensrechtlichen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat erleichtert und geregelt, welches Recht anzuwenden ist, wenn in einer Sache das Recht mehrerer Länder in Betracht kommt (vgl. EiÜ 40/15). Das Plenum des Europäischen Parlaments stimmte am 7. Juni 2016 der Empfehlung des Berichterstatters Jean-Marie Cavada der Behandlung der Verordnungen im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zu.
EUROPÄISCHE AGENDA FÜR DIE KOLLABORATIVE WIRTSCHAFT – KOM
Die Kommission will die kollaborative Wirtschaft fördern. Der Begriff kollaborative Wirtschaft bezeichnet Geschäftsmodelle, bei denen Tätigkeiten durch Online-Plattformen ermöglicht werden (z.B. Airbnb und BlaBlaCar), die einen offenen Markt für die vorübergehende Nutzung von Waren oder Dienstleistungen schaffen, welche häufig von Privatpersonen (Peer-to-Peer) angeboten werden. Dazu hat sie am 2. Juni ihre Mitteilung (COM(2016) 356) „Agenda für die kollaborative Wirtschaft“ vorgelegt. Diese Agenda enthält Leitlinien für die Mitgliedsstaaten und soll zu einer ausgewogenen Entwicklung moderner Geschäftsmodelle beitragen (s. auch Pressemitteilung). Die derzeit häufig unterschiedliche Behandlung, so die Kommission, schaffe Unsicherheit für herkömmliche Unternehmen, neue Dienstleistungsanbieter und Verbraucher. Die Stärkung der kollaborativen Wirtschaft ist Teil der digitalen Binnenmarkt-Strategie der Kommission (vgl. EiÜ 19/16). Die Mitteilung enthält Leitlinien dafür, wie das bestehende EU-Recht in diesem Bereich angewandt werden sollte. Die Mitteilung soll Marktteilnehmern und Behörden Klarstellung verschaffen zu Fragen, welche Marktzugangsanforderungen auferlegt werden können, wer bei Problemen haftbar ist, wie die Nutzer durch EU-Verbraucherrecht geschützt werden können, welches Steuerrecht Anwendung findet und wann ein Arbeitsverhältnis vorliegt.
RICHTLINIE SOLL STEUERVERMEIDUNG DURCH UNTERNEHMEN STOPPEN – EP
Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 8. Juni 2016 den Bericht zum Richtlinienvorschlag COM(2016) 26 zur Bekämpfung von Praktiken zur Steuervermeidung mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts angenommen. Die Abgeordneten begrüßten das Maßnahmenpaket (vgl. EiÜ 04/16), welches Teil der Agenda der Kommission auf dem Weg zu einer faireren, einfacheren und effizienteren Unternehmensbesteuerung in der EU ist (s. auch Pressemitteilung). Ein zentrales Anliegen ist dabei, dass Unternehmen dort Steuern abführen müssen, wo ihre Gewinne erwirtschaftet werden. Zusätzlich forderten die Abgeordneten, eine strengere Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinsen (Zinsschranke) und strengere Regeln für ausländische Einkommen (s. auch Pressemitteilung).
ANNAHME ÖFFENTLICHER URKUNDEN INNERHALB DER EU ERLEICHERT – EP
Das Parlament hat am 9. Juni die Anerkennung öffentlicher Urkunden (z.B. Geburts- und Heiratsurkunden) in einem anderen EU-Land erleichtert. Dazu nahm es den in den Trilog-Verhandlungen im Dezember 2015 erzielten Kompromisstext der Verordnung zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der EU endgültig an (s. Pressemitteilungen von EP und Kommission sowie bereits EiÜ 40/15). Die Verordnung erleichtert die Anerkennung bestimmter öffentlichen Urkunden ohne Legalisation oder Apostille. Sie führt zudem mehrsprachige Formulare in allen Amtssprachen ein, welche die nationalen Dokumente begleiten und so den Übersetzungsaufwand reduzieren. Bürger können die Formulare künftig mit der mitgliedstaatlichen öffentlichen Urkunde in Belangen bzgl. Geburt, Tod, Eheschließung, Eintragung von Partnerschaften und Führungszeugnissen anfordern. Die Verordnung wird in Kürze im Amtsblatt der EU veröffentlicht und zwanzig Tage später in Kraft treten. 30 Monate danach gilt die Verordnung.
EMPFEHLUNGEN ZUM SCHUTZ ANWALTLICHER VERTRAULICHKEIT VOR STAATLICHER ÜBERWACHUNG – CCBE
Gesetzgeber und Behörden sollen besser über den Umfang des anwaltlichen Berufsgeheimnisses und seine Verankerung in den europäischen Grundrechten informiert werden. Dazu hat der Rat der europäischen Anwaltschaften CCBE hat in seiner Vollversammlung in Lyon am 20. Mai 2016 Empfehlungen zum Schutz der anwaltlichen Vertraulichkeit vor nachrichtendienstlicher Überwachung angenommen und veröffentlicht (s. Pressemitteilung). Die Empfehlungen enthalten Hinweise, wie dem Unterlaufen bzw. der Verletzung der Vertraulichkeit als Grundrecht durch staatliche Überwachungsmaßnahmen vorgebeugt werden kann. In einem ersten Teil wird die anwaltliche Vertraulichkeit definiert und ihr Platz in der Menschenrechtskonvention und in der europäischen Rechtsprechung beschrieben. Sodann werden sechs Prinzipien aufgestellt, welche bei der Anordnung von Überwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind.
UNTERZEICHNUNG DES EU-US DATENSCHUTZABKOMMENS – RAT/KOM
Anlässlich des Treffens der Innen- und Justizminister der EU und der USA am 2. Juni 2016 unterzeichneten beide Seiten das EU-US Datenschutz-Rahmenabkommens (s. Pressemitteilung). Dieses sog. „umbrella agreement“ betrifft den Austausch personenbezogener Daten zwischen Strafverfolgungsbehörden der EU und den USA zum Zweck der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen (s. EiÜ 18/16, 28/15). Das Abkommen soll einerseits die Rechte der Bürger stärken und andererseits die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden erleichtern. Es dient als Ergänzung und Rahmen des Datenschutzrechts von bestehenden und künftigen Vereinbarungen zwischen den USA und der EU oder der Mitgliedsstaaten, stellt aber nicht die Grundlage für einen Datentransfer dar. EU-Bürger das Recht haben, in den USA gegen die Speicherung und Verwendung ihrer Daten zu klagen. Die Grundlage dafür sollte der Judicial Redress Act sein, den der US-Kongress im Herbst 2015 verabschiedet hatte. Für die USA unterschrieb Justizministerin Loretta Lynch, auf EU-Seite zeichneten Justizkommissarin Věra Jourová für die Kommission sowie der niederländische Justizminister Ard van der Steur als Präsident als amtierender Präsident des Rats für Justiz und Inneres. Im weiteren Verfahren muss nun das Europäische Parlament seine Zustimmung zu dem Abkommen erteilen.
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