Europa im Überblick, 21/2022

EiÜ 21/2022

Geldwäsche: Neue Schulungspflicht für die Anwaltschaft? – EP

Am 2. Juni 2022 haben die Berichterstatter des Wirtschafts- (ECON) und Innenausschusses (LIBE) ihren Berichtsentwurf (in Englisch) zum Vorschlag der EU-Kommission über eine sechste Geldwäsche-Richtlinie in einer gemeinsamen Sitzung vorgestellt (vgl. EiÜ 25/21; 39/21 sowie DAV-Stellungnahme Nr. 58/2021). Als große Neuerung sieht der Berichtsentwurf vor, Art. 4 Abs. 2 mit einem Zusatz zu versehen, der eine allgemeine Schulungspflicht der Anwaltschaft zu Geldwäscherisiken einführen soll. Im Wortlaut soll von Anwältinnen und Anwälte verlangt werden, dass sie ein gutes Verständnis der Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nachweisen. Diese sehr vage Formulierung gewährleistet allerdings nicht, dass die Schulungspflicht ausschließlich für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gelten würde, die nach § 2 Abs. 10 GWG Kataloggeschäfte bearbeiten. Bis zum 16. Juni 2022 können Europa-Abgeordnete nun Änderungsanträge zu dem Berichtsentwurf einreichen.

Unterstützung für die Ukraine, Sanktionen gegen Russland – Europäischer Rat

In einer außerordentlichen Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten am 30. und 31. Mai 2022 hat der Europäische Rat Schlussfolgerungen angenommen, die den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine entschieden verurteilt und der Ukraine weitere humanitäre und finanzielle Unterstützung zusagt. Um die Aufnahme von Beweismitteln und zur Ermittlung von Kriegsverbrechen zu ermöglichen, unterstützt der Europäische Rat eine Stärkung der Rolle von Eurojust (vgl. EiÜ 18/22; 17/22). Zudem wurde das sechste Paket von Sanktionen gegen Russland beschlossen, das sich sowohl auf Rohöl als auch auf Erdölerzeugnisse erstreckt.

Frauenquote auch für Aufsichtsräte in Männer-dominierten Branchen? – EP

Am 2. Juni 2022 fand eine Aussprache im Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments statt, in der erstmals über den Stand der interinstitutionellen Verhandlungen von Parlament, Rat und Kommission in Bezug auf den Richtlinienvorschlag für eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Leitungsorganen von börsennotierten Unternehmen berichtet wurde. Nach jahrelanger Ablehnung im Rat, insbesondere von Deutschland, hatten die Verhandlungen im März 2022 begonnen (vgl. EiÜ 10/22; 16/16; 41/15). Das Parlament steht einem möglichst weiten Anwendungsbereich der Richtlinie deutlich offener gegenüber als der Rat. Laut der Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) konnte sich das Parlament dahingehend durchsetzen, dass die Richtlinie nun auch für Aufsichtsräte in sogenannten Männer-dominierten Branchen gelten soll. Die Allgemeine Ausrichtung des Rats sah laut Art. 4 Abs. 6 immer dann eine Ausnahme vor, wenn in der Branche weniger als 10% der Belegschaft dem unterrepräsentierten Geschlecht angehörten.

Türkei wegen rechtswidriger U-Haft von Amnesty-Vorstand verurteilt – EGMR

In seiner Entscheidung Taner Kılıç vs Türkei (Beschwerde Nr. 208/18; in Französisch) hat der EGMR die 14-monatige Inhaftierung des Menschenrechtsverteidigers und damaligen Vorstands von Amnesty International 2017/2018 als rechtswidrig und willkürlich erklärt. Der EGMR stellte mehrere Verstöße gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit aus Art. 5 EMRK, sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK fest. Es habe keinen begründeten Verdacht gegeben, dass Kılıç tatsächlich eine Straftat begangen habe. Stattdessen stand die anfängliche Unterbringung in Untersuchungshaft im Rahmen des in direktem Zusammenhang seiner Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger. Der Einsatz für die freie und unabhängige Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei ist dem DAV seit langem ein großes Anliegen (vgl. Anwaltsblatt; DAV-Pressemitteilung 03/19; EiÜ 14/19).

Aussetzung der Dublin-Überstellung wegen Covid19 –  EuGH

Die Verwaltung eines Mitgliedstaats hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Durchführung einer Überstellungsentscheidung nach der Dublin III‑Verordnung auszusetzen und damit die sechsmonatige Überstellungsfrist zu unterbrechen, sofern dies im Zusammenhang mit gegen die Überstellungsentscheidung gerichteten gerichtlichem Schutz erfolgt. Zu dieser Position gelangte der Generalanwalt Pikamäe in seinen Schlussanträgen vom 2. Juni 2022 im Vorabentscheidungsersuchen zu den verb. Rs. C-245/21 / C-248/21. Das Motiv, einen Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedsstaat nach Ablauf der Sechsmonatsfrist zu verhindern, weil dieser während einer Gesundheitskrise Schwierigkeiten hat, Rücküberstellungen von Asylbewerbern in andere Mitgliedstaaten rechtzeitig durchzuführen, stellt für sich allein jedoch keinen rechtmäßigen Grund dar, eine Unterbrechung der Überstellungsfrist zu rechtfertigen. Der EuGH ist an die Schlussanträge des Generalanwalts nicht gebunden.

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