Neue Praxis: EGMR hilft Beschwerdeführern und ihren Anwälten
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 1. Juni 2017 seine Praxis geändert und wird einige Unzulässigkeitsentscheidungen, die durch einen Einzelrichter ergehen, mit einer Begründung versehen. Hier zeigt sich das Gericht anwaltsfreundlich, indem es Rechtsanwälten und ihren Mandanten ermöglicht, die Gründe der Unzulässigkeit ihrer Beschwerde einfach nachzuvollziehen. In seiner Pressemitteilung teilte der Gerichtshof mit, er werde „in vielen Fällen“ auf die Gründe der Unzulässigkeit Bezug nehmen. Entscheidungen würden jedoch u.a. im Falle unbegründeter, fehlerhafter oder missbräuchlicher Beschwerden weiter ohne Gründe ergehen. Aufgrund hoher Fallzahlen war durch das 14. Zusatzprotokoll zur Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahr 2010 die Möglichkeit eingeführt worden, dass Beschwerden auch von Einzelrichtern für unzulässig erklärt werden können. Seither hatte der DAV sich gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) wiederholt dafür eingesetzt, dass diese Entscheidungen begründet werden sollten, u.a. im Rahmen der sog. „Brüsseler Erklärung“.
EU-Verbraucherrecht erfüllt seinen Zweck – KOM
Das EU-Verbraucherrecht ist selbst vor dem Hintergrund des immer weiter wachsenden Online-Handels zweckdienlich, sofern es wirksam in den Mitgliedstaaten um- und durchgesetzt ist. Dies folgert die Europäische Kommission aus ihren am 29. Mai 2017 veröffentlichten Ergebnissen des Fitness Checks zu den Verbraucherschutz- und Marketingbestimmungen sowie der Bewertung der Verbraucherschutz-Richtlinie 2011/83/EU (die Ergebnisse finden Sie hier; s. bereits EiÜ 27/16; 17/16). Die Kommission weist aber auch auf Verbesserungsmöglichkeiten insbesondere hinsichtlich der Durchsetzung der Regelungen, den Entschädigungsmöglichkeiten sowie der Kenntnisse des Verbraucherrechts bei Verbrauchern, Unternehmen und Angehörigen der Rechtsberufe hin. Außerdem unterstützt die EU-Kommission – wie vom DAV in seiner Stellungnahme Nr. 13/16 angeregt (s. EiÜ 10/16) – den Rat der EU und das Europäische Parlament bei der Ausweitung des Richtlinienvorschlags COM(2015) 635 zum Online-Warenhandel auf sämtliche Vertriebswege. Um zu überprüfen, welche Änderungen an bestehenden Rechtsvorschriften erforderlich sind, plant die EU-Kommission noch für dieses Jahr die Veröffentlichungen von Folgenabschätzungen und die Durchführung einer öffentlichen Konsultation.
Keine Mindeststandards für Anhörung des Kindes bei Brüssel IIa? – EP
Am 30. Mai 2017 wurde im Rechtsausschuss (JURI) des Europäischen Parlaments der Berichtsentwurf über die Neufassung COM(2016) 411 der Brüssel IIa-Verordnung von Berichterstatter Tadeusz Zwiefka (EVP) vorgestellt (s. bereits EiÜ 37/16; 23/16). Dieser begrüßt grundsätzlich den Kommissionsvorschlag. Es seien nur wenige Änderungen notwendig, um bestimmte Lücken im Vorschlag zu schließen. So müsse bei der Bündelung der zuständigen Gerichte darauf geachtet werden, dass der Zugang zu Gericht nicht verhindert werde. Außerdem sollten die Behörden ihre Erwägungen über die Anhörung des Kindes in der Entscheidung darlegen. Evelyne Gebhardt (S&D) forderte dem jeweiligen Alter des Kindes angepasste Mindeststandards bei dessen Anhörung. Der DAV, der seine Position in die Stellungnahme des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) eingebracht hat, begrüßt diese Ansicht und fordert z.B. ein Mindestalter, ab dem die Anhörung des Kindes verpflichtend ist und dass die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen verweigert werden dürfe, wenn die Mindeststandards nicht eingehalten wurden. Darüber hinaus fordert der DAV u.a. weiterhin eine Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes sowohl für Kinder als auch für Eheleute zur Schaffung von Rechtssicherheit.
Studie: Nehmen Sie am „Rule of Law Index 2017“ teil! – WJP
Das World Justice Project (WJP) ruft zum siebten Mal dazu auf, sich am „Rule of Law Index “ zu beteiligen. Weltweit werden für diese unabhängige Studie in über 100 Ländern Experten und Haushalte über ihre Wahrnehmung der nationalen Rechtsstaatlichkeit befragt. Die Fragen beziehen sich auf acht Schlüsselfaktoren: Beschränkungen durch die Regierung, Korruption, Transparenz der Regierung, Grundrechte, Sicherheit und Ordnung, Rechtsdurchsetzung sowie Zivil- und Strafjustiz. Im letzten Bericht zum Rule of Law Index 2016 rangierte Deutschland insgesamt auf Platz 6 von 113 Ländern (s. EiÜ 33/16) und verbesserte sich damit um zwei Plätze gegenüber 2015 (s. EiÜ 21/15) und um drei Plätze gegenüber 2014 und 2013 (s. EiÜ 9/14). Rechtsanwälte, die bei der Studie mitmachen möchten, können hier teilnehmen.
Zivilprozesse in der EU brauchen Mindeststandards – EP
Die Mitgliedstaaten sollen einen effektiven Zugang zum Recht durch Prozesskostenhilfe und das Recht auf Wahl eines Rechtsanwaltes im Zivilprozess gewähren. Das sind nur zwei von zahlreichen Empfehlungen zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der EU, die der Rechtsausschuss (JURI) des Europäischen Parlaments am 30. Mai 2017 im Berichtsentwurf von Emil Radev (PPE, Bulgarien) mit Änderungen (vgl. Änderungsanträge 1-58) angenommen und an die Europäische Kommission adressiert hat (s. EiÜ 02/16; EiÜ 9/17). Der in der Anlage des Berichts an die Kommission gerichtete ausformulierte Richtlinienvorschlag soll der Systematisierung bestehender zivilrechtlicher Verfahrensvorschriften der Union dienen und auf zivilrechtliche Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug Anwendung finden.
Wie als Anwalt mit der Datenschutz-Grundverordnung umgehen? – CCBE
Der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) hat am 19. Mai 2017 einen Praxisleitfaden (auf Englisch) zu den wichtigsten neuen Compliance-Maßnahmen für Anwälte in Bezug auf die Datenschutz-Grundverordnung 2016/679 (s. SN 39/16) veröffentlicht. Diese sieht eine unverzügliche Meldepflicht für Anwälte im Falle der Verletzung personenbezogener Mandantendaten an die zuständige Aufsichtsbehörde vor. Der Leitfaden erläutert, dass die Art und Folgeneinschätzung der Verletzung anzugeben und verspätete Mitteilungen zu begründen sind. Betroffene könnten die Löschung ihrer personenbezogenen Daten verlangen. Des Weiteren ist in Kanzleien ein Datenschutzbeauftragter zu ernennen und der zuständigen Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Der Datenschutzbeauftragte muss nicht zwingend juristisch vorgebildet sein und nimmt Personalschulungs- und Überwachungsaufgaben zur Einhaltung von Datenschutzbestimmungen wahr. Bei gleichzeitig zum Datenschutzbeauftragten ernannten Anwälten sollten Interessenkonflikte aufgrund übernommener Mandate verhindert werden. Vor Beginn einer Datenverarbeitung ist eine Folgenabschätzung hinsichtlich der Erheblichkeit der zu speichernden Daten durchzuführen. Darüber hinaus sind Datencontroller auf Verlangen des Betroffenen zur Herausgabe einer Kopie gespeicherter personenbezogener Daten verpflichtet. Die Verordnung gilt ab dem 25. Mai 2018.
Unternehmensbesteuerung soll fairer werden – RAT
Bei Streitigkeiten über die Auslegung von Vereinbarungen über die Beseitigung von Doppelbesteuerung soll es bald verbindliche Streitbeilegungsmechanismen mit klaren Fristen und der Verpflichtung zur Ergebniserzielung geben. Dazu hat der Rat hat am 23. Mai 2017 seine allgemeine Ausrichtung (derzeit nur auf Englisch verfügbar) hinsichtlich des Richtlinienvorschlags COM(2016) 686 über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der EU festgelegt (siehe bereits EiÜ 34/16). Wenn das Europäische Parlament seine Stellungnahme abgegeben hat, kann der Rat die Richtlinie abschließend annehmen. Darüber hinaus nahm der Rat am 29. Mai 2017 den Richtlinienvorschlag COM(2016) 687 zur Bekämpfung von Steuervermeidung bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern förmlich an. Die neuen Vorschriften unterbinden sog. „hybride Gestaltungen“ mit den Steuersystemen von Drittländern und treten am 1. Januar 2020 in Kraft (s. bereits EiÜ 8/17; 34/16). Unternehmen können künftig Steuern nicht mehr dadurch vermeiden, dass sie die zwischen verschiedenen Ländern bestehenden Unterschiede bei der steuerlichen Behandlung missbrauchen, selbst wenn hierbei auch Drittländer betroffen sind.
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