Europa im Überblick, 23/2022

EiÜ 23/2022

Einziehung und Beschlagnahme von Vermögenswerten – KOM

Die EU-Kommission hat am 25. Mai 2022 einen Richtlinienvorschlag (in Englisch) zur Sicherstellung und Einziehung von Straftaterträgen veröffentlicht. Hintergrund für das Tätigwerden der EU-Kommission ist, dass sich die bisherige Einziehungsrichtlinie (2014/42/EU) sowie die Rahmenbeschlüsse 2007/845/JI (über die Zusammenarbeit zwischen den Vermögensabschöpfungsstellen) und 2005/212/JI des Rates nicht als ausreichend erwiesen haben, um die Vermögensanreize krimineller Aktivitäten zu verringern und damit die organisierte Kriminalität insgesamt zu bekämpfen. Die neue Richtlinie konkretisiert insbesondere die Aufgaben der Vermögensabschöpfungsstellen, wozu auch der Informationsaustausch mit den entsprechenden Behörden anderer Mitgliedstaaten zählt, auch im Zusammenhang mit der Verhinderung, Aufdeckung und Aufklärung von Verstößen gegen EU-Sanktionen. Zu diesem Zweck werden die Vermögensabschöpfungsstellen auch in die Lage versetzt, vorläufige, sofortige Beschlagnahmen durchzuführen. Der Richtlinienvorschlag bestimmt ferner, zu welcher Art von Informationen die Vermögensabschöpfungsstellen zur Verfolgung und Identifizierung von Tatwerkzeugen, Erträgen und Vermögensgegenständen unmittelbaren Zugang erhalten sollen. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vorschlag in allen EU-Sprachen vorliegt, nimmt die EU-Kommission zu dem Vorschlag acht Wochen lang Rückmeldungen entgegen.

Neue EU-Geldwäschebehörde soll auch Anwälte beaufsichtigen – EP

Am 16. Juni 2022 haben die Berichterstatter der federführenden Ausschüsse Wirtschaft (ECON) und Inneres (LIBE) ihren Berichtsentwurf zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Errichtung einer EU-Behörde zur Geldwäsche-Bekämpfung (AMLA) vorgestellt (vgl. EiÜ 25/21). Die EU-Kommission hatte bereits vorgeschlagen, dass die AMLA auch selbst­ver­waltende Aufsichts­be­hörden – und somit auch die örtlichen Rechtsanwaltskammern – beaufsichtigen darf. Dies hatte der DAV in Stellungnahme Nr. 58/2021 scharf kritisiert (vgl. EiÜ 39/21). Jegliche direkte oder indirekte Aufsicht ist mit der funktionellen Selbstverwaltung der Anwaltschaft nicht vereinbar und gefährdet deren Unabhängigkeit. Deswegen hat sich der DAV dafür eingesetzt, dass die AMLA ausschließlich nicht-bindende Empfehlungen aussprechen und keine individuellen Entscheidungen treffen darf. Der Berichtsentwurf des EU-Parlaments sieht diesbezüglich allerdings keine Änderungen des Kommissionsvorschlags vor. Bis zum 24. Juni 2022 können die EU-Abgeordneten nun noch Änderungsanträge zum Berichtsentwurf einbringen, über die die beiden federführenden Ausschüsse im nächsten Schritt abstimmen werden.

Einheitlichere Praxis bei Grenzkontrollen – Rat

Das Verfahren zur Änderung des Schengener Grenzkodexes schreitet voran. Der Rat der EU hat im Rahmen seiner Tagung „Justiz und Inneres“ am 10. Juni 2022 seine Allgemeine Ausrichtung zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission in Bezug auf die Änderung des Schengener Grenzkodexes bekannt gegeben. Die Reform soll insbesondere dazu dienen, einheitlichere Regelungen für Kontrollen an den Binnengrenzen zu schaffen (vgl. EiÜ 3/22). Die Wiedereinführung und Verlängerung von Binnengrenzkontrollen soll demnach nur als letztes Mittel und nur dann möglich sein, wenn eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit besteht (Art. 25, 26). Außerdem soll in Fällen illegaler Migration aus Drittstaaten ein Rückführungsmechanismus im Rahmen der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit angewendet werden. Änderungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag sieht der Rat in seiner allgemeinen Ausrichtung insbesondere im Zusammenhang mit dem Verfahren bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch die Mitgliedstaaten vor. Seitens des Rats ist der Weg für Verhandlungen mit dem EU-Parlament nun frei, dieses muss seinen Standpunkt allerdings noch festlegen.

„Pegasus“-Skandal: Untersuchungsausschuss hört Experten an – EP

Am 13. und 14. Juni 2022 kam der Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments zur Aufarbeitung des Einsatzes der Spähsoftware „Pegasus“ zu einer weiteren Sitzung zusammen. Dabei wurden verschiedene Expert:innen zu den Gefahren und Möglichkeiten von Spionagesoftwares wie „Pegasus“ angehört. Unter anderem führte der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski (EDPS) aus, dass Überwachung zwar für die Sicherung der nationalen Sicherheit in bestimmten Fällen gerechtfertigt sein könne, die rechtliche Kontrolle aber unbedingt notwendig sei. Zum Schutz der Nutzer:innen von mobilen Endgeräten sei eine strengere Regulierung für die Nutzung von Spähsoftware unbedingt geboten. Es bestehe die Gefahr, dass Sicherheitslücken, die für legitime Zwecke bei der Konzeptionierung der Software mobiler Endgeräte gelassen würden, missbraucht werden. Der Untersuchungsausschuss wurde am 10. März 2022 durch einen Beschluss des EU-Parlaments eingesetzt, nachdem im Juni 2021 bekannt geworden war, dass in über 50 Ländern unter anderem auch Anwältinnen und Anwälte mittels „Pegasus“ ausgespäht worden waren (EiÜ 15/22). Der Abschlussbericht des Ausschusses wird im Frühling nächsten Jahres erwartet.

Reichweite des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO – EuGH

Das Auskunftsrecht gem. Art. 15 I lit. c DSGVO soll die Herausgabe der konkreten Kontaktdaten der Empfänger von offengelegten Daten umfassen, so Generalanwalt Giovanni Pitruzzella in seinem Schlussantrag (Rs. C-154/21). Der österreichische Oberste Gerichtshof hatte dem EuGH im März 2021 ein Vorabentscheidungsersuchen zur Reichweite des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO vorgelegt. Im Ausgangsfall hatte eine Privatperson bei der Österreichischen Post Auskunft über die Offenlegung ihrer Daten und dessen Empfänger verlangt, allerdings nur einen allgemeinen Verweis auf mögliche Empfängerkategorien als Antwort erhalten. Daraus ergab sich die Auslegungsfrage, ob dem Auskunftsrecht hierdurch Genüge getan wurde oder ob die Offenlegung konkreter Kontaktdaten gefordert werden könne. Der Generalanwalt plädiert für die Angabe von konkreten Empfängerdaten, soweit keine tatsächlichen Hindernisse vorliegen oder die Auskunftsanfrage unbegründet ist. Damit entspricht er dem Willen des Gesetzgebers, einen effektiven Schutz personenbezogener Daten zu ermöglichen. Es bleibt das Urteil des EuGH abzuwarten, der sich in vergangenen Verfahren bereits für einen effektiven Datenschutz von Privatpersonen eingesetzt hat (Vgl. EiÜ 38/21, 16/22).

Jetzt Anmelden für den EIRC 2022 in Brüssel – EIRC

In knapp zwei Wochen beginnt der Europäische Insolvenz- und Restrukturierungskongress (EIRC). Dieser wird vom 29. Juni bis zum 01. Juli 2022 im Brüsseler Europaviertel stattfinden. Der EIRC ist einer der führenden Kongresse auf dem Gebiet von Insolvenz und Restrukturierung. Der diesjährige EIRC wird insbesondere den mit Spannung erwarteten Harmonisierungsvorschlägen der EU-Kommission zum materiellen Insolvenzrecht gewidmet sein. Zur Anmeldung gelangen Sie hier.

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