Europa im Überblick, 24/2023

EiÜ 24/2023

Europäischer Insolvenzrechtskongress 2023: Final Call – DAV

Vom 29.-30. Juni 2023 findet der europäische Insolvenz- und Restrukturierungskongress (EIRC) im Stanhope Hotel in Brüssel statt. Jetzt hier noch anmelden! Es handelt sich um einen der führenden Kongresse auf diesem Gebiet und bietet die Möglichkeit, mit Vertretern aus EU-Kommission und EU-Parlament sowie internationalen Expertinnen und Experten die neuen Gesetzesvorschläge der EU-Kommission zu diskutieren. Am Vorabend (28. Juni) gibt der DAV Belgien einen Networking-Empfang am gleichen Veranstaltungsort, zur Anmeldung hierfür gelangen Sie hier.

Spanien stellt die Prioritäten für seine Ratspräsidentschaft vor – Rat

Spanien hat die vier Prioritäten seiner Ratspräsidentschaft vorgestellt, die am 1. Juli 2023 turnusmäßig beginnt: Die erste Säule ist die Reindustrialisierung der EU, um am Ende dieses Jahrzehntes eine Vorreiterrolle in den Bereichen Erzeugung erneuerbarer Energien, fortschrittlicher Robotik u.a. einzunehmen. Die zweite Säule stellt den grünen Wandel und Anpassung an Umweltveränderungen dar. Dritte Säule ist die Stärkung sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit durch das Schließen von Steuerschlupflöchern für Großkonzerne und zugleich durch eine klare Absage an eine mögliche Austeritätspolitik. Als vierte Säule möchte Spanien die europäische Einheit mittels einer intensiveren Banken- und Kapitalmarktunion sowie einer gemeinschaftlichen Lösung in der Asyl- und Migrationsproblematik stärken.

Konkretisierung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten von Unternehmen – KOM

Die EU-Kommission hat Vorschriften vorgelegt, die die Verpflichtungen von großen und börsennotierten Unternehmen zur Berichterstattung über die Sozial- und Umweltrisiken ihrer unternehmerischen Tätigkeit konkretisiert, abrufbar hier. Die delegierte Verordnung dient als Ergänzung zur Rechnungslegungsrichtlinie, welche durch die im Dezember 2022 veröffentlichte Richtlinie 2022/2464 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) geändert wurde. Die eigentlichen thematisch unterteilten Vorgaben der Berichterstattung finden sich in den Annexen zu der delegierten Verordnung. Bis zum 7. Juli 2023 nimmt die EU-Kommission noch Rückmeldung zu dem Vorschlag entgegen.

Schutz von Plattformbeschäftigten abgeschwächt – Rat

Der Rat der Europäischen Union hat am 12. Juni 2023 seine Allgemeine Ausrichtung zum Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit (COM(2021)762, EiÜ 19/22, 05/23) angenommen. Ein Hauptaspekt des Richtlinienvorschlags ist die Etablierung einer gesetzlichen Vermutung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen einer digitalen Arbeitsplattform und einem dort Beschäftigten anhand gewisser Kriterien. Der Rat schlägt vor, die Geltung der Vermutung in Steuer-, Straf- und Sozialversicherungsverfahren in das Belieben der Mitgliedstaaten zu stellen. Der DAV hatte in seiner Stellungnahme 06/22 gefordert, dass die Kriterien tatsächlich einen Bezug zur „Kontrolle der Arbeitsleistung“ haben. In allen anderen Verfahren müssten die Mitgliedstaaten dem Rat zufolge die Möglichkeit bieten, die Vermutung zu widerlegen und sollen zu diesem Zwecke Informationen öffentlich zugänglich machen und Leitlinien für die Plattformen, Beschäftigten und nationalen Behörden schaffen. Darüber hinaus fordert der Rat mehr Einschränkungen zur Erhebung personenbezogener Daten durch die Arbeitsplattform mittels automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssysteme. Der Einsatz solcher Systeme dürfe sich außerdem nicht negativ auf die gesundheitliche und psychische Verfassung der Beschäftigten auswirken. Da der Parlamentsbericht bereits vorliegt, können nun die Trilogverhandlungen zwischen Rat, EU-Parlament und EU-kommission beginnen.

Überprüfung grenzüberschreitender Ermittlungen der EUStA – EuGH

Wenn die Europäische Staatsanwaltschaft grenzüberschreitend arbeitet, darf keine vollständige materielle Prüfung der Ermittlungsgenehmigung im unterstützenden Mitgliedstaat erfolgen. Dies befand Generalanwältin Tamara Ćapeta am 22. Juni 2023 in ihren Schlussanträgen in der Rs. C-281/22 und legte dabei Art. 31 und 32 der EUStA-Verordnung aus (vgl. bereits EiÜ 28/22). Bei dem Verfahren handelt es sich um das erste überhaupt, in dem der Gerichtshof zur Prüfung der EUStA-Verordnung angerufen wird. Im Ausgangsfall sollte eine Genehmigung für Ermittlungsmaßnahmen gerichtlich überprüft werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erteilt wurde, in dem die hauptsächlichen Ermittlungen des betrauten DEStA (Delegierter Europäischer Staatsanwalt) stattfanden. Das OLG Wien legte dem EuGH die Frage vor, wie umfangreich diese Kontrolle ausfallen solle. Die Generalanwältin ist der Ansicht, dass die gerichtliche Kontrolle sich auf die Aspekte beschränken müsse, die mit der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme und damit mit den Verfahrensregelungen zusammenhängen. Die Beurteilung des betrauten DEStA muss das Gericht des Mitgliedstaates des unterstützenden DEStA dabei stets anerkennen, unabhängig von der richterlichen Genehmigung aus dessen Mitgliedstaat.

Prüfung von Verstößen gegen Belehrungspflicht im Strafverfahren – EuGH

Ein nationalrechtliches Verbot, im Strafverfahren von Amts wegen einen Verstoß gegen Belehrungspflichten zu prüfen, ist im Hinblick auf EU-Recht nicht unzulässig. Dies geht aus dem Urteil des EuGH vom 22. Juni 2023 in Rs. C-660/21 hervor. Im konkreten Fall hatte das vorlegende französische Strafgericht über die Strafbarkeit von Verdächtigen zu entscheiden, die zur Zeit der polizeilichen Befragung sowie Festnahme noch nicht über ihre Rechte belehrt worden waren. Grundsätzlich führt die Rüge der verspäteten Belehrung als Verfahrensmangel zur Erklärung der Nichtigkeit der Maßnahmen. Allerdings hatte keine Partei dies vorgebracht und die französische Strafprozessordnung in ihrer Auslegung durch den französischen Kassationsgerichtshof versagt es den Richtern, von Amts wegen einen solchen Verstoß zu prüfen. Nach Ansicht des französischen Gerichts müsse eine Verletzung der aus dem EU-Recht erwachsenden Verteidigungsrechte berücksichtigt werden. Die Rechte aus der Richtlinie über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren stünden dem Prüfungsverbot entgegen. Der EuGH stellt klar, dass den Mitgliedstaaten infolge der offenen Unionsvorschriften nach der Verfahrensautonomie ein Regelungsspielraum zusteht. Sieht das nationale Recht die Erhebung innerhalb einer Frist vor, ist dies zulässig, wenn den Verdächtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, den Verstoß zu rügen. Hier sei der Zugang zu einem Rechtsbeistand inklusive Prozesskostenhilfe gewährleistet, die Verteidigungsrechte daher nicht durch die verbotene Prüfung von Amts wegen eingeschränkt.

Ungarisches Gesetz verstößt gegen Asylverfahrensrichtlinie – EuGH

Mit seinem Urteil vom 22. Juni 2023 stellte der EuGH fest, dass Ungarn seine aus der Asylverfahrensrichtlinie erwachsenen Pflichten verletzt hat, (Art. 6 der Richtlinie). Damit gab er der EU-Kommission Recht, die im Jahr 2021 eine Vertragsverletzungsklage erhoben hatte (vgl. PM). Anlass des Verfahrens (Rs. C-823/21) war die Einführung einer nationalen Asylrechtsregelung, wonach der Antrag auf internationalen Schutz von einem Vorverfahren abhängig gemacht wurde. Jeder Antragsteller musste dazu in einer ungarischen Botschaft außerhalb der EU eine Absichtserklärung einreichen und eine Genehmigung für die Einreise nach Ungarn einholen, die nur nach Ermessen der Behörden erteilt wurde. Die EU-Kommission sah hierin eine rechtswidrige Beschränkung des Zugangs zum Asylverfahren entgegen Art. 6 der Asylverfahrensrichtlinie in Verbindung mit Art. 18 der EU-Grundrechtecharta. Der EuGH schloss sich dieser Auffassung an, denn das Durchlaufen eines Vorverfahrens oder anderweitiger Verwaltungsformalitäten sei nicht als Voraussetzung im Unionsrecht vorgesehen. Mit dem ungarischen Gesetz werde die wirksame Wahrnehmung des Rechts, in einem Mitgliedstaat Asyl zu beantragen und während der Antragsprüfung zu verbleiben, unzulässig eingeschränkt. Der Einwand Ungarns, dies sei u.a. aus Gründen der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt, greift nicht durch.

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