Europa im Überblick, 25/16

LEGISLATIVVORSCHLÄGE ZU ASYLVERFAHREN, AUFNAHMEBEDINGUNGEN UND NEUANSIEDLUNG – KOM

Die EU-Kommission hat am 13. Juli 2016 den letzten Teil ihrer Vorschläge für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgelegt, darunter eine Asylverfahrensverordnung COM (2016) 467, eine Anerkennungsverordnung COM (2016) 466, eine Aufnahmebedingungsrichtlinie COM (2016) 465 sowie eine Neuansiedlungsrahmenverordnung COM (2016) 468 (jeweils nur in englischer Sprache verfügbar). Durch die Asylverfahrensverordnung soll das Verwaltungsverfahren wesentlich verkürzt und Asylbewerbern unter anderem das Recht auf einen kostenlosen Rechtsbeistand bereits im Verwaltungsverfahren zugestanden werden. Die Anerkennungsverordnung bezweckt die Vereinheitlichung der Art des zuerkannten Schutzes und der Dauer der Aufenthaltsgenehmigung sowie die Präzisierung von Sozialversicherungspflichten und –leistungen und den Voraussetzungen ihrer Gewährung. Die Richtlinie über Aufnahmebedingungen sieht unter anderem auch die Erstellung von Notfallplänen für den Fall eines unerwarteten Anstiegs der Flüchtlingszahlen vor. Außerdem sollen Asylbewerber im Rahmen des Möglichen spätestens sechs Monate nach Antragstellung Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Der Vorschlag eines EU-Neuansiedlungsrahmens soll im Wege jährlicher Neuansiedlungspläne und –programme dafür sorgen, dass Personen, die internationalen Schutz benötigen, geordnete und sichere Wege nach Europa zur Verfügung stehen.

EU-US-DATENSCHUTZSCHILD FÜR TRANSATLANTISCHEN DATENAUSTAUSCH IN KRAFT – KOM

Am 12. Juli 2016 ist das EU-US-Datenschutzschild in Kraft getreten. Hierzu hat die EU-Kommission den Angemessenheitsbeschluss (s. EiÜ 9/16) angenommen. Der Beschluss ersetzt die Safe-Harbour-Entscheidung zum transatlantischen Datenaustausch, welche der EuGH für nichtig erklärt hatte (s. EiÜ 32/15). Vor der Annahme hatten die Artikel 29-Datenschutz-Gruppe, bestehend aus Vertretern der europäischen Datenschutzbehörden, und das Europäische Parlament in den vergangenen Monaten Stellungnahmen zu dem Entwurf abgegeben (s. EiÜ 15/16). Unternehmen, die Daten transatlantisch übertragen wollen, können sich dem Schild unterwerfen und sich vom US-Handelsministerium ab dem 1. August 2016 die Konformität ihrer Datenschutzbestimmungen bescheinigen lassen. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung sollen falls möglich unternehmensintern, ansonsten im Rahmen eines kostenlosen Verfahrens zur alternativen Streitbeilegung und falls erforderlich im Rahmen eines Schiedsverfahrens beigelegt werden. Für die Gewährleistung eines effektiveren Rechtsschutzes wird eine Ombudsstelle eingeführt. Zusätzlich wird die Kommission einen Bürger-Leitfaden zur Erläuterung der Rechtsbehelfe veröffentlichen. Das Datenschutzschild soll jährlich überprüft werden. Kritische Stimmen aus dem Europäischen Parlament bemängeln, dass eine massenhafte Datenerhebung der US-Nachrichtendienste im Kampf gegen Spionage, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen oder eine Bedrohung der amerikanischen Streitkräfte weiterhin möglich sei und bezweifeln, dass das Datenschutzschild einer Überprüfung durch den EuGH standhalten werde.

KONSULTATIONSERGEBNIS: TRILOGE ZU INTRANSPARENT – ombudsfrau

Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat sind zu intransparent. Zu diesem Ergebnis kommt die Europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly in ihrer Entscheidung (nur in englischer Sprache verfügbar) zur 2015 eingeleiteten Untersuchung zur Transparenz von Trilogen. Parallel war eine öffentlichen Konsultation zur Transparenz von Trilogen durchgeführt worden (vgl. EiÜ 31/15 und 41/15). In der Entscheidung vom 14. Juli 2016 macht die Ombudsfrau eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Trilogtransparenz. Sie schlägt u.a. vor, dass die drei Institutionen die Daten der Trilogverhandlungen, Ausgangspositionen, die allgemeinen Tagesordnungen von Trilogen, abschließende Kompromisstexte und Listen der beteiligten politischen Entscheidungsträger in einer einfach zu benutzenden und einfach verständlichen gemeinsamen Datenbank öffentlich machen. Zwar seien Triloge nützlich für einen effizienten Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und würden in 85% aller Gesetzgebungsverfahren angewandt, doch gelte es, eine Balance mit dem öffentlichen Interesse an einer transparenten Gesetzgebung herzustellen. Die Ombudsfrau hat die Institutionen aufgefordert, ihr bis zum 15. Dezember 2016 die Maßnahmen mitzuteilen, die diese infolge der Entscheidung ergreifen.

VERBOT ISLAMISCHES KOPFTUCH ZU TRAGEN RECHTSWIDRIGE UNMITTELBARE DISKRIMINIERUNG – EuGH

Generalanwältin Eleanor Sharpston hat am 13. Juli 2016 in ihren Schlussanträgen im Vorabentscheidungsersuchens C-188/15 das Verbot des Tragens eines Kopftuches als rechtswidrige unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf eingestuft. Die Klägerin im Ausgangsverfahren, Frau Bougnaoui, die muslimischen Glaubens ist, trug bei der Arbeit zeitweise ein islamisches Kopftuch, welches das Gesicht nicht bedeckte. Ein Kunde der Beklagten Micropole SA beschwerte sich nach einem Einsatz in seinen Geschäftsräumen, dass einige seiner Mitarbeiter an der Kopfbedeckung der Klägerin Anstoß genommen hätten und bat darum, dass Frau Bougnaoui diese nicht mehr trage. Auf Nachfrage der Klägerin, ob die Beklagte diesem Ansinnen entsprechen werde, verneinte diese, woraufhin ihr Arbeitsverhältnis gekündigt wurde. Generalanwältin Sharpston ist der Auffassung, dass die Klägerin im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 wegen ihrer Religion oder Weltanschauung unmittelbar diskriminiert worden sei, denn diese habe wegen ihrer Religion eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Eine Softwaredesignerin, die ihre religiöse Überzeugung nicht durch das Tragen einer bestimmten Bekleidung bekannt hätte, wäre nicht entlassen worden. Der Vorlageentscheidung oder den sonstigen dem Gerichtshof vorliegenden Angaben sei auch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Kopfbedeckung in irgendeiner Weise nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Pflichten als Softwaredesignerin zu erfüllen. Die Anforderung, während des Kontakts mit Kunden kein Kopftuch zu tragen, sei daher auch keine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie gewesen, der eine Ausnahme vom Geltungsbereich der Richtlinie ermöglicht hätte.

BESTIMMTHEIT VON GERICHTSSTANDSVEREINBARUNGEN – EUGH

Eine Gerichtsstandsvereinbarung in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die als zuständige Gerichte zwischen den Parteien lediglich die Gerichte einer Stadt in einem Mitgliedsstaat bestimmt, genügt den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, sog. Brüssel I-Verordnung. Dies entschied der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens in der Rs. Höszig (C-222/15) am 7. Juli 2016. Der Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 23 Abs. 1 der Brüssel-I-Verordnung sei unionsautonom im Lichte der Vertragsfreiheit der Parteien und im Interesse der Rechtssicherheit weit auszulegen. In formeller Hinsicht müsse eine tatsächliche Willenseinigung beider Parteien vorliegen, sodass der Schutzzweck der Vorschrift, die schwächere Partei zu schützen, erfüllt sei. Eine derartige Vereinbarung kann, wie der EuGH im Einklang mit den Schlussanträgen  von Generalanwalt Maciej Szpunar vom 7. April 2016 darlegt, aus der Erfüllung der Formerfordernisse des Art. 23 Brüssel I-Verordnung hergeleitet werden. Eine Vereinbarung in den AGB genüge den formellen Anforderungen, wenn die Gerichtsstandsklausel vertraglich hinreichend deutlich niedergelegt und diese dem Vertragspartner zugegangen ist. Inhaltlich erfordere die Klausel, dass die Klausel ein bestimmtes Rechtsverhältnis betreffe und das angerufene Gericht anhand objektiver Kriterien feststellen kann, ob es zuständig ist, wobei ggf. die besonderen Umstände des Einzelfalls herangezogen werden können.

Länderspezifische Empfehlungen angenommen – rat

Nachdem der Europäische Rat am 28. Juni 2016 die länderspezifischen Empfehlungen  zu den von den Mitgliedstaaten geplanten wirtschafts-, beschäftigungs- und haushaltspolitischen Maßnahmen bereits gebilligt hatte (s. EiÜ 23/16), nahm der Rat der EU für Wirtschaft und Finanzen diese am 12. Juli 2016 förmlich an (s. Pressemitteilung). Der Rat hat damit das Europäische Semester 2016, in dem die Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten überwacht wird, abgeschlossen (s. EiÜ 9/16, 18/16).

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