Europa im Überblick, 25/19

EiÜ 25/19

DAV-Delegation in Ankara: Unterstützung der türkischen Anwaltschaft

Noch immer sind in der Türkei mehr als 350 Anwältinnen und Anwälte in Haft. Ein faires Strafverfahren ist nicht gewährleistet. Eine DAV-Delegation unter der DAV-Präsidentin Edith Kindermann warb in Ankara für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Mit der Reise unterstützt der DAV die türkische Anwaltschaft im Kampf für einen unabhängigen und freien Anwaltsberuf. Mehr dazu in der DAV-Pressemitteilung und ein ausführlicher Bericht der Delegationsreise im Anwaltsblatt.

EU ist auf No-Deal Brexit vorbereitet – KOM

Die EU-Kommission sieht keinen Bedarf, die geplanten Notfall-Maßnahmen für den Fall eines No-Deal Brexit zu überarbeiten. Das ergibt sich aus der fünften Mitteilung zur Vorbereitung auf den Brexit, die die Kommission am 12. Juni 2019 veröffentlichte. Darin ruft die Kommission das Vereinigte Königreich auf, im Fall eines No-Deal-Brexit, den Schutz der Rechte der Bürger, die Erfüllung der eingegangenen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der EU und die Wahrung des Friedens in Irland zu gewährleisten. Sollte keine Einigung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geschlossen werden, wäre das gesamte Primär- und Sekundärrecht der EU für die Briten vom 31. Oktober 2019 an nicht mehr anwendbar. Zur Vorbereitung eines solchen Szenarios hat die Kommission umfassende Gespräche mit den Mitgliedstaaten geführt und den Umgang mit Aufenthaltsrechten, Sozialversicherungsansprüchen, Medizinprodukten, Zöllen, Verkehr, Fischereitätigkeiten und Finanzdienstleistungen als die größte Herausforderung identifiziert. Zur Vorbereitung auf den Brexit sind 18 Legislativvorschläge vom Parlament angenommen und 63 Rechtsakte ohne Gesetzgebungscharakter sowie 16 Notfallmaßnahmen von der Kommission erlassen worden. Nichtsdestotrotz vertritt die Kommission weiterhin die Auffassung, dass ein geordneter Austritt des Vereinigten Königreichs die beste Lösung darstelle.

Generalanwalt: Ruhestandsregelungen für Richter in Polen unionsrechtswidrig – EuGH

Polen verstößt mit der Absenkung des Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten und dem möglichen Einwirken des Justizministers gegen Unionsrecht. Diese Auffassung vertritt Generalanwalt Tanchev in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-192/18. In Polen wurde 2017 ein Gesetz erlassen, wonach das zuvor bei einheitlich 67 Jahren vorgesehene Ruhestandsalter u.a. für Richter an den ordentlichen Gerichten auf 60 Jahre für Frauen bzw. 65 Jahre für Männer abgesenkt wurde. Darüber hinaus wurde dem Justizminister die Befugnis eingeräumt, die aktive Dienstzeit von Richtern an den ordentlichen Gerichten über die neuen Ruhestandsalter hinaus zu verlängern. In der Einführung eines unterschiedlichen Ruhestandsalters für Männer und Frauen sieht der Generalanwalt eine Verletzung des Art. 157 AEUV in Verbindung mit Art. 5 der Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Zudem stelle der Schutz von Richtern vor Absetzung eine der für die richterliche Unabhängigkeit wesentlichen Garantien dar. Nach Ansicht des Generalanwalts muss die Senkung des Ruhestandsalters von Richtern an sich durch Schutzmaßnahmen flankiert werden, um zu gewährleisten, dass ein Richter nicht de facto abgesetzt werde. Dies sowie die vorgesehene Befugnisübertragung zur Verlängerung der Amtszeit der Richter durch den Justizminister stehen nicht im Einklang mit dem objektiven Element der Unparteilichkeit und dem Prinzip des wirksamen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 1 EUV.

Keine Verletzung von Art. 6 EMRK durch Deutschland – EGMR

Ein Gerichtsverfahren, das sich über achteinhalb Jahre und vier Instanzen hinzieht, ist im Einzelfall noch angemessen. Der EGMR stellte am 20. Juni 2019 im Urteil in der Rs. Chiarello gegen Deutschland (Beschwerdenr. 497/17) keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren fest. Der Beschwerdeführer arbeitete als Gefängniswärter und wehrte sich auf allen Instanzen jahrelang gegen eine Verurteilung wegen Bestechung. In seiner Beschwerde an den EGMR berief er sich auf sein Recht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Das Gericht stellte fest, dass eine Einzelfallabwägung notwendig sei und sich die lange Verfahrensdauer durch die Anzahl der Mitverteidiger und eine gründliche Beweisaufnahme erkläre. Diese Verzögerungen seien weder auf den Beschwerdeführer noch auf die Staatsanwaltschaft zurückzuführen. Der Beschwerdeführer sei während der Zeit des Verfahrens außerdem nicht in Gewahrsam genommen worden. Eine zweijährige Phase der Inaktivität wurde von dem zuständigen Landgericht zwar anerkannt, sei allerdings durch ein um 3 Monate vermindertes Strafmaß angemessen kompensiert worden.

EU und USA bestätigen justizielle Zusammenarbeit KOM

Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten wollen bei justiziellen und innenpolitischen Themen weiterhin eng zusammenarbeiten. Das bestätigten die jeweiligen Minister und Kommissare in ihrer Stellungnahme zum Abschluss des gemeinsamen Ministertreffens der EU und USA, das am 19. Juni 2019 in Bukarest stattfand. Sicherheit im Internet und der Kampf gegen Terror wurden als die entscheidenden Themen hervorgehoben. Die Vertreter unterrichteten sich über aktuelle Entwicklungen im Umgang mit Migration und planten das weitere Vorgehen für die Herstellung von visafreien Reisen. Im Hinblick auf E-Evidence (s. EiÜ 24/19) bemühten sich die Teilnehmer, die nächsten Schritte für eine engere Zusammenarbeit zu definieren. Die EU wurde von den Kommissaren Věra Jourová, Julian King und Dimitris Avramopoulos, den rumänischen Ministern Ana Birchall Carmen Daniela Dan und den finnischen Ministerinnen Maria Ohisalo und Anna-Maja Henriksson vertreten. Aus den USA reiste u.a. Justizminister William Barr an. Das nächste Treffen wird in der zweiten Jahreshälfte in Washington stattfinden.

Haftpflichtversicherung: Parkender PKW gilt als Beförderungsmittel – EuGH

Unter den Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103/EG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist auch ein abgestelltes Fahrzeug zu subsumieren. Dies urteilte der EuGH in der Rs. C-100/18. Im Ausgangssachverhalt beschädigte ein brennendes Fahrzeug das Gebäude, indem es abgestellt war. Die Gebäudeversicherung deckte den Schaden und begehrte Ersatz von der Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese lehnte die Ansprüche jedoch ab, da es sich nicht um ein „Ereignis bei der Fahrzeugverwendung“ handle. Der EuGH und der Generalanwalt legen den Begriff der Verwendung eines Fahrzeugs jedoch weit aus und berufen sich zum einen auf die autonome Auslegung des Richtlinienwortlauts und zum anderen auf die Funktion des Fahrzeugs als Beförderungsmittel. Das Parken eines Fahrzeugs in einer Privatgarage ist eine der Funktion als Beförderungsmittel entsprechende Verwendung, sodass hieraus resultierende Schäden umfasst sind. Die Richtlinie beschränkt weder den Umfang der Pflichtversicherung noch den gewährten Schutz auf die Fälle einer Verwendung der Fahrzeuge in einem bestimmten Gelände oder auf bestimmten Straßen. Die Unfallursache spielt bei der Beurteilung in weiterer Folge keine Rolle, da es sich bereits um ein Fahrzeug im Sinne der Richtlinie handelt.

Europa im Überblick abonnieren

Verpassen Sie keine wichtigen rechtlichen Entwicklungen in Europa! Abonnieren Sie unseren E-Mail-Newsletter „Europa im Überblick“ und bleiben Sie stets informiert über die neuesten EU-Gesetzgebungen, Rechtsprechungen und deren Auswirkungen auf Ihre Praxis.

Kommentare

0 Kommentare zum Artikel
Was ist die Summe aus 2 und 3?