„EUROPA IM ÜBERBLICK“ MACHT SOMMERPAUSE – DAV
Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich die EiÜ in die Sommerpause. Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich in der ersten Septemberwoche. Wir wünschen unseren Lesern einen schönen Sommer!
GENERELLE VORRATSDATENSPEICHERUNGSPFLICHT KANN KONFORM MIT EU-RECHT SEIN – EUGH
Generalanwalt Saugmandsgaard hat am 19. Juli 2016 in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Tele2 Sverige u.a. (Rs. C‑203/15 und C-698/15) dargelegt, dass eine generelle Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten, die ein Mitgliedstaat den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste auferlegt, unter strengen Voraussetzungen mit dem Unionsrecht vereinbar sein könne. Mit dieser Verpflichtung müssten jedoch die im EuGH-Urteil „Digital Rights Ireland“ (Rs. C‑293/12 und C‑594/12) aufgestellten Mindestanforderungen an Dauer, Zugang zu Daten und Schutz und Sicherheit der Daten zwingend eingehalten werden. Das klagende Unternehmen Tele2 Sverige hatte im Ausgangsverfahren einen Bescheid der schwedischen Polizeidirektion angefochten, der es verpflichtete, die Vorratsspeicherung von Daten wieder aufzunehmen. Zuvor hatte Tele2 Sverige diese aus Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Unionsrecht eingestellt. Der Fall gibt dem EuGH erstmals die Gelegenheit zur Klarstellung, wie das Urteil „Digital Rights Ireland“ in einem nationalen Kontext auszulegen ist. Laut Generalanwalt müsse der Mitgliedstaat sicherstellen, dass die nationale Regelung kumulativ die Voraussetzungen der hier anwendbaren E-Privacy-Richtlinie 2002/58/EG als auch diese der Art. 7, 8 und 52 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta einhalten. Die Speicherpflicht müsse aus einer zugänglichen, vorhersehbaren und Willkür vermeidenden Rechtsvorschrift folgen. Nur die Bekämpfung schwerer Kriminalität könne eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung darstellen und damit die generelle Vorratsdatenspeicherung und die dadurch verursachten Grundrechtseingriffe rechtfertigen.
BERICHTSENTWURF ZUR PORTABILITÄT VON ONLINEDIENSTEN – EP
Im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) wurde kurz vor der Sommerpause der Berichtsentwurf von Berichterstatter Jean-Marie Cavada (ALDE) zum Verordnungsvorschlag COM(2015) 627 zur Portabilität von Online-Inhaltediensten vorgestellt (vgl. EiÜ 19/16, 3/16, 41/15). Die Verordnung soll EU-Staatsangehörigen die Nutzung ihrer Online-Abonnements während eines vorübergehenden Aufenthalts in anderen Mitgliedstaaten ermöglichen. In dem Berichtsentwurf wird im Unterschied zum Kommissionsvorschlag zwischen kostenpflichtigen und kostenlosen Diensten differenziert. Während die Anwendung der Verordnung auf kostenpflichtige Onlinedienste-Abonnements zwingend sein soll, sollen Anbieter kostenloser Dienste ein Opt-in-Recht in Bezug auf die Anwendung der Vorschriften auf ihre Dienste haben (Art. 3a). Der Entwurf ist wesentlich geprägt von den Bemühungen, die widerstreitenden Interessen von Abonnenten und Inhabern von Urheber- und ähnlichen Schutzrechten in Ausgleich zu bringen. Einen Diskussionsschwerpunkt bildeten die verschiedenen Möglichkeiten einer Verifizierung des Wohnsitzstaates des Nutzers, wobei der Vorschlag einer Kontrolle von IP-Adressen und die damit verbundene Speicherung von Nutzerdaten auf verfassungsrechtliche Bedenken stießen. Der Berichterstatter betonte, dass solche Überprüfungen nicht systematisch, sondern nur stichprobenartig erfolgen sollten. Die Frist zur Einreichung von Änderungsanträgen endet am 15.09.2016, die Abstimmung über den Entwurf im Ausschuss wird voraussichtlich am 13.10.2016 erfolgen.
ANHÖRUNG: VERJÄHRUNGSFRISTEN BEI VERKEHRSUNFÄLLEN HARMONISIEREN? – EP
Am 12. Juli 2016 fand im Rechtsausschuss des Europaparlaments unter Leitung des Vorsitzenden und Berichterstatters Pavel Svoboda eine Anhörung zum vor rund zehn Jahren aufgeworfenen Thema der Vereinheitlichung von Verjährungsfristen bei Verkehrsunfällen in grenzüberschreitenden Kontexten statt (s. auch Ankündigung). Nach der Rom-II-Verordnung richtet sich das anwendbare Recht nach dem Mitgliedsstaat, in welchem der Unfall stattgefunden hat. Festgestellt wurde, dass dies zu Unsicherheiten und Nachteilen für die Opfer von Verkehrsunfällen im Ausland führen kann, da sie oder ihre Anwälte aufgrund von Unkenntnis des fremden Rechts Ansprüche unter Umständen nicht rechtzeitig geltend machten. Denn die Verjährungsfristen in den 28 Mitgliedsstaaten sind nach einer vom Parlament in Auftrag gegebenen Studie sehr unterschiedlich und reichen von nur einem Jahr in Spanien bis zu zehn Jahren in Frankreich. Angehört wurden u.a. Vertreter von europäischen Angehörigenverbänden und Versicherungsunternehmen, aber auch die Lösungsansätze der Kommission wurden diskutiert. Im Wesentlichen gebe es zwei Möglichkeiten: zum einen die Harmonisierung von Verjährungsfristen und zum anderen eine Verbesserung der Informationspolitik – d.h. beispielsweise die Bereitstellung von Informationen über die unterschiedlichen Fristen in verschiedenen Sprachen. Zwar sprachen sich die Teilnehmer der Anhörung mehrheitlich für eine Vereinheitlichung der komplexen Regelungen aus, jedoch lehnten EU-Kommission und Versicherungsbranche dies ab und plädierten für eine bessere Informationspolitik.
ARBEITSDOKUMENTE ZU RICHTLINIENVORSCHLÄGEN ZUM ONLINEHANDEL DISKUTIERT – EP
Am 14.07.2016 hat im Europäischen Parlament eine gemeinsame Aussprache der federführenden Ausschüsse JURI (Recht) und IMCO (Binnenmarkt und Verbraucher) zum Arbeitsdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte (COM(2015) 634) stattgefunden. Axel Voss (EVP), JURI-Berichterstatter, sprach sich für eine möglichst weitgehende Harmonisierung aus. Auch seien die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung zu beachten. Evelyne Gebhardt (S&D), IMCO-Berichterstatterin, betonte im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Richtlinie, dass ein Verbraucher einfach feststellen können müsse, ob diese einschlägig sei. Hier müsse man auch den zeitgleich veröffentlichten Richtlinienvorschlag zum Handel mit Sachgütern im Auge behalten und würde sich zumindest auf Seiten des Europäischen Parlaments um eine parallele Behandlung der Vorschläge bemühen. In der Folge diskutierte der federführende IMCO-Ausschuss auch das Arbeitsdokument zum Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren (COM(2015) 635). Berichterstatter Pascal Arimont (EVP) lobte die parallele Behandlung der beiden Richtlinienvorschläge im Parlament und begrüßte die gemeinsamen Arbeiten zur Abgrenzung der jeweiligen Anwendungsbereiche. Der Berichterstatter kritisierte möglicherweise unterschiedliche Regelungen für Käufe online und offline und verwies in diesem Zusammenhang auf die noch ausstehenden Ergebnisse der von der Europäischen Kommission derzeit durchgeführten REFIT-Analyse zu den bereits bestehenden europarechtlichen Regelungen. Auch der DAV hatte sich in seiner Stellungnahme 13/16 kritisch zu Differenzierungen aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Online- und Fernabsatzverträge geäußert.
E-BOOK ZUM ZIVILRECHT UND ZUR JUSTIZIELLEN ZUSAMMENARBEIT VERÖFFENTLICHT – RAT
Der Rat hat ein aktualisiertes E-Book zu grundlegenden europäischen zivilrechtlichen Rechtsakten wie z.B. der Brüssel-I-Verordnungen veröffentlicht. In diesem werden daneben aber auch einzelne Themenbereiche, wie das Insolvenzrecht behandelt. Das E-Book richtet sich an Angehörige der Rechtsberufe, nationale Behörden, Jura-Studenten, aber auch an interessierte Bürger. Derzeit ist das Buch nur in englischer Sprache verfügbar, weitere Sprachfassungen werden aber folgen.
Kommentare