Europa im Überblick, 27/18

Vorsicht bei weiterem Vorgehen zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte – DAV

Angesichts des hohen Werts der Meinungsfreiheit für demokratische Gesellschaften muss bei weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte behutsam vorgegangen werden. Dies fordert der DAV in seiner Stellungnahme 29/2018 zur öffentlichen Konsultation der EU-Kommission über Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit der Bekämpfung illegaler Online-Inhalte. Zwar begrüßt der DAV ausdrücklich das Vorhaben der Kommission, dabei bedarf aber es aber einer klaren Begriffsdefinition und einer Abgrenzung zwischen unerwünschten, illegalen und strafbaren Inhalten. Auch sollten zunächst technische Lösungen genutzt und Vollzugsdefizite bei existierenden Regelungen untersucht werden. Die Kommission wird nun auf Basis der Konsultation bis Ende des Jahres weitere Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte prüfen.

Österreichische Ratspräsidentschaft widmet sich verstärkt der Sicherung des Rechtsstaatsprinzips – Rat

Am 1. Juli 2018 hat Österreich die Präsidentschaft des Rates der EU übernommen. Österreich ist nun bis zum 31. Dezember 2018 der letzte Mitgliedstaat in der Trio-Ratspräsidentschaft nach Estland und Bulgarien (s. EiÜ 24/17; 01/18). Der österreichische Vorsitz wird sich vor allem auf die drei Schwerpunkte Sicherheit und Kampf gegen illegale Migration, Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung und die Stabilität in der EU-Nachbarschaft konzentrieren. Wie aus dem Arbeitsprogramm hervorgeht, möchte sich der österreichische Vorsitz im Bereich Justiz und Inneres verstärkt der umfassenden Einhaltung der drei Ebenen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts widmen. Dazu gehöre insbesondere die Sicherung des Rechtsstaatsprinzips in der EU. Im Strafrecht werde die Ratspräsidentschaft insbesondere den Vorschlag für eine Verordnung über die Europäische Herausgabeanordnung und Sicherungsanordnung für elektronische Beweismittel in Strafsachen voranbringen. Im Zivilrecht sollen die sich derzeit im Trilog befindenden Richtlinienvorschläge über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels weiter fortgeführt werden. Außerdem sollen die Arbeiten an der Überarbeitung der Brüssel IIa-Verordnung und dem Richtlinienvorschlag zu präventiven Restrukturierungsmaßnahmen zügig abgeschlossen werden.

Neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen wegen Justizreform – KOM

Als Reaktion auf die bevorstehende Umsetzung der neuen Pensionsregelungen für Richter am Obersten Gericht hat die EU-Kommission am 2. Juli 2018 ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. (s. Pressemitteilung). Das im Rahmen der umstrittenen Justizreform verabschiedete Gesetz beinhaltet eine Senkung des Pensionsalters von Richtern am obersten Gericht, was zu einer sofortigen Zwangspensionierung von 27 der 72 obersten Richter und Richterinnen führt. Die Kommission sieht darin einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 19 I EUV zur Schaffung eines wirksamen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 47 der EU-Grundrechtecharta (wirksamer Rechtsbehelf). Das Gesetz verstoße gegen die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und der Unabsetzbarkeit von Richtern. Die Kommission steht bereits seit zwei Jahren in einem politischen Dialog über Rechtsstaatlichkeit mit der polnischen Regierung. Da dieser bisher aus Sicht der Kommission keine zufriedenstellende Lösungen hervorbrachte, hat sie am 20. Dezember 2017 erstmalig ein Verfahren wegen schwerer Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 7 EUV gegen Polen eingeleitet (s. Pressemitteilung). Im Rahmen des Art.7-Verfahrens fand am 26. Juni 2018 im Rat eine Anhörung statt, in der Polen offene Bedenken der Kommission zur Reform der Pensionsregelungen nicht ausräumen konnte. Die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens ist eine Reaktion darauf.

Humanitäre Hilfe soll nicht strafbar sein – EP

Die EU-Kommission soll Leitlinien erarbeiten, um die Kriminalisierung humanitärer Hilfe zu verhindern. Das fordert das EU-Parlament in einem Entschließungsantrag vom 5. Juli 2018 (s. Pressemitteilung), der sich auf die Richtlinie zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt 2002/90/EG bezieht. Dieses Thema wurde im Vorfeld im Plenum im Rahmen einer mündlichen Anfrage zum Teil intensiv diskutiert. Judith Sargentini (Grüne), Verfasserin der Anfrage, betonte die Verpflichtungen nach internationalem Recht (etwa das UN-Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten und einschlägiges Seerecht). Artikel 1 Abs. 2 der Beihilfe-Richtlinie sehe zwar eine Möglichkeit für Mitgliedstaaten vor, von einer Kriminalisierung der Beihilfe abzusehen, wenn sie einen humanitären Zweck hat. Diese würde jedoch von den Mitgliedstaaten nicht richtig ausgelegt und bedürfe deshalb an Präzisierung. Mehrere Parlamentarier nahmen in der Diskussion auch Bezug auf das kürzlich in Ungarn verabschiedete Gesetz zur Strafbarkeit von Flüchtlingshilfe (s. hierzu die Pressemitteilung des DAV). Der Entschließungsantrag fordert die Mitgliedsstaaten auch direkt auf, die Ausnahmemöglichkeit für humanitäre Hilfe tatsächlich zu nutzen.

Ausländische rechtskräftige Strafurteile sind ohne besonderes Verfahren anzuerkennen – EuGH

Ein besonderes vorheriges Anerkennungsverfahren für die in einem anderen Mitgliedstaat ergangene rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung läuft dem Rahmenbeschluss 2008/675 zur Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren zuwider. Dies entschied der EuGH in seinem Urteil vom 5. Juli 2018 in der Rs. C-390/16. Im konkreten Fall wurde ein Ungar in Österreich verurteilt. Das ungarische Anerkennungsverfahren fordert eine Überprüfung und rechtliche Neubewertung der im Ausland rechtskräftig ergangenen Entscheidung auf Grundlage der zur Zeit der Tat geltenden Bestimmungen des ungarischen Strafgesetzbuchs. Das Urteil wurde daher in Ungarn noch einmal überprüft. Erst nach Abschluss dieses Anerkennungsverfahrens werden ausländische Verurteilungen in das ungarische Strafregister eingetragen und könnten so in einem neuen Verfahren berücksichtigt werden. Das damit befasste ungarische Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob der Rahmenbeschluss 2008/675 im Lichte von Art. 82 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dieser Praxis entgegenstehe. Der EuGH legte dar, dass mit dem Rahmenbeschluss der in Art. 82 AEUV verankerte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen in Strafsachen umgesetzt werden soll. Diesem Grundsatz würde widersprochen, wenn die Berücksichtigung einer ausländischen Entscheidung grundsätzlich von einem vorherigen Anerkennungsverfahren abhängt. Dies ergebe sich auch aus Art. 3 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses. Das im Einzelfall zulässige Versehen einer Verurteilung mit gleichwertigen Rechtswirkungen dürfe nicht mit einem solchen Anerkennungsverfahren verbunden sein.

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