MEHRWERTSTEUERBETRUG SOLL EFFEKTIV BESTRAFT WERDEN – EUGH
Nach Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (sog. „PIF-Übereinkommen) sind Mitgliedstaaten verpflichtet, Mehrwertsteuerbetrug effektiv strafrechtlich zu ahnden. Zu diesem Ergebnis kommt der EuGH in der Rechtssache Tarrico (C-105/14). In dem Vorabentscheidungsverfahren hatte der EuGH über die Vereinbarkeit von italienischen strafrechtlichen Verjährungsregeln mit EU-Recht zu entscheiden. In dem Ausgangsverfahren, in dem den Angeschuldigten Mehrwertsteuerbetrug zur Last gelegt wurde, musste davon ausgegangen werden, dass die Straftaten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung verjährt sein würden. Durch die kurzen Verjährungszeiten hat Italien gegen die Pflicht der effektiven Verfolgung von Mehrwertsteuerstraftaten verstoßen – die italienischen Vorschriften bleiben deshalb unangewendet. In diesem Zusammenhang hat der EuGH die Frage geklärt, ob das PIF-Übereinkommen den Mehrwertsteuerbetrug umfasst. Nach Ansicht des EuGH seien Mittel i.S.d. Art. 1 des PIF-Übereinkommens auch Einnahmen, die durch Erhebung der Mehrwertsteuer erzielt werden. Denn der Haushalt der Union werde u.a. durch die Einnahmen finanziert, die sich aus der Anwendung eines einheitlichen Satzes auf die nach den Unionsvorschriften bestimmte einheitliche Mehrwertsteuer-Eigenmittelbemessungsgrundlage ergeben. Es bestehe daher ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Erhebung dieser Einnahmen und den finanziellen Interessen der EU. Dies könnte die ins Stocken geratenen Verhandlungen zum Vorschlag einer Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtetem Betrug wieder ins Rollen bringen. Eine im Rat mehrheitlich gewünschte Ausklammerung des Mehrwertsteuerbetrugs scheint politisch kaum noch möglich.
DATENSCHUTZABKOMMEN ZWISCHEN EU UND USA STEHT – KOM
Am 8. September 2015 haben sich die EU und die USA in den seit 2010 dauernden Verhandlungen auf einen Kompromiss zum EU-US-Datenschutzabkommen geeinigt (s. Fragen & Antworten der EU-Kommission sowie Statement der Justizkommissarin Jourová, der Volltext ist noch nicht verfügbar). Das Abkommen soll den Austausch persönlicher Daten für Strafverfolgungszwecke regeln und die Rechte der Bürger schützen. Das Abkommen sieht u.a. ein Klagerecht für EU-Bürger in den USA im Falle eines Missbrauchs ihrer persönlichen Daten vor. Missbrauch wäre beispielsweise die Weitergabe von Daten an Drittstaaten oder eine unnötig lange Speicherung. Das Abkommen muss jetzt noch vom Kongress in den USA gebilligt werden, bevor es in Kraft tritt. Dafür muss der US-Kongress zunächst noch die sogenannte „Judicial Redress Bill“ verabschieden, denn aktuell ist im US Privacy Act noch festgelegt, dass nur US-Personen Klage aufgrund von Datenschutzverstößen einreichen dürfen. In der EU müssen dann noch der Rat und das EU-Parlament dem Text zustimmen.
WAS BRINGT DIE ZUKUNFT FÜR FREIE BERUFE IN DER eu? – KOM
Freie Berufe sind für vor allem für ihren Unternehmergeist bekannt. Dies hat Kommissarin Bienkowska in einer Aussprache am 8. September 2015 vor dem Plenum des EU-Parlamentes zu den Folgemaßnahmen der Aktionslinien für die Stärkung der Geschäftstätigkeit der freien Berufe hervorgehoben. Ausgangspunkt war eine schriftliche Anfrage u.a. von MEP Schwab und MEP Gebhard an die Kommission. Bezugnehmend auf den Aktionsplan „Unternehmertum 2020“ der EU-Kommission sowie auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur „Stärkung der Geschäftstätigkeit der freien Berufe“ – die in diesem Rahmen eingerichtet wurde – erkundigen sich die Unterzeichner nach den geplanten Initiativen der Kommission. Dabei forderten sie u.a. eine bessere Einbeziehung der freien Berufe in die Arbeit der EU-Kommission. Die EU-Kommission verdeutlichte, dass sie die von der Arbeitsgruppe entwickelten Leitlinien u.a. in den Bereichen „Zugang zu Märkten“, „Internationalisierung und Zugang zu Finanzmitteln“ und „Reduzierung des Verwaltungsaufwandes“ noch bis Ende 2015 analysieren werde. Die Kommissarin kündigte in Ihrer Rede zudem an, dass die EU-Kommission bereits am 21. Oktober 2015 eine „neue Binnenmarktstrategie“ annehmen werde. In dieser sollten erneut regulatorische Hürden ermittelt werden und Maßnahmen zum Abbau von Regulierungen (etwa von unverhältnismäßigen Berufsqualifikationsanforderungen) erwogen werden.
AUFFORDERUNG ZUR WAHRUNG DER GRUNDRECHTE – EP
In der EU soll künftig, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik und der Sparmaßnahmen infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise, verstärktes Augenmerk auf die Durchsetzung der von der Union garantierten Grundrechte gelegt werden. Dies ergibt sich aus der am 8. September 2015 erfolgten Annahme des Berichts zur Lage der Grundrechte in den Jahren 2013/14 von Berichterstatterin Laura Ferrara durch das Plenum des EU-Parlaments. Dem Bericht nach lägen in sämtlichen Bereichen erhebliche Grundrechtsverletzungen vor, wogegen seitens EU-Institutionen und Mitgliedstaaten schärfer vorgegangen werden müsse (s. bereits EiÜ 13/15). Das Parlament hebt dabei die aktuelle Flüchtlingssituation hervor. Es betont, dass die Grundrechte der Flüchtlinge durch Maßnahmen wie verschärfte Grenzkontrollen, schnelle Abschiebungen und Anti-Asylkampagnen bedroht sind und fordert mehr Solidarität und die Errichtung eines einheitlichen Asylsystems. Zudem fordert das Parlament dazu auf, bei Beschlüssen zu Sparmaßnahmen stärker deren Auswirkungen auf die Grundrechte der Staatsbürger des betroffenen Staates zu berücksichtigen, da es hierbei häufig zu Verletzungen gekommen sei.
ALTERSDISKRIMINIERUNG VON RICHTERN IN BERLIN – EUGH
Der EuGH hat mit Urteil vom 9. September 2015 in der Rs. C-20/13 entschieden, dass die Besoldung von Richtern nach ihrem Einstellungsalter eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstelle; Zahlungs- oder Schadensersatzansprüche aber seien möglich. Dies hatte der Gerichtshof bereits in seinem Urteil Specht u.a. C-501/12 klargestellt. Die Besoldungsbedingungen der Richter fallen in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Geklagt hatte ein Richter gegen das Land Berlin, der mit 29 Jahren unter der Geltung des BBesG a.F. eingestellt und am 1. August 2011 nach dem Berliner Besoldungsneuregelungsgesetz (BerlBesÜG) in das neue Besoldungssystem übernommen wurde. Er beantragte die Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe, für die Zukunft sowie rückwirkend für die Zeit bis mindestens 2009. Nach dem BerlBesÜG sei für Neurichter die Berufserfahrung maßgeblich. Bestandsrichter hingegen würden in das neue System mit ihrem bisherigen Grundgehalt und somit letztlich nach Maßgabe ihres Lebensalters erstmalig eingeordnet. Die Ungleichbehandlung aufgrund einer Besoldung nach dem Alter sei zur Wahrung des Besitzstandes gerechtfertigt. Die Mitgliedstaaten hätten zudem einen weiten Ermessensspielraum bzgl. Regelungen über den Aufstieg von Bestandsrichtern in einem neuen Besoldungssystem, die diesen Richtern einen schnelleren Gehaltsanstieg ermöglichen als den zum Überleitungsstichtag jüngeren Richtern.
LAGE DER UNION: ZEIT FÜR EHRLICHKEIT, EINIGKEIT, SOLIDARITÄT – KOM
„Es fehlt an Europa in dieser Union. Und es fehlt an Union in dieser Union“ so Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission in seiner ersten Rede zur Lage der Union am 9. September 2015 vor dem EU-Parlament in Strasbourg. In der Rede konzentrierte Juncker sich überwiegend auf die Flüchtlingskrise. Außerdem sprach er den Neustart für Griechenland, für den Euro-Raum und für die europäische Wirtschaft an. Zudem thematisierte er einen fairen Deal für Großbritannien angesichts des bevorstehenden Referendums zum Verbleib in der EU, die Verbundenheit mit der Ukraine und den Kampf gegen den Klimawandel. Zur Flüchtlingskrise schlug er eine zweite Notfallregelung für die Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen aus Italien, Griechenland und Ungarn und eine gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsländer vor. Die Kommission werde Anfang 2016 ein Gesetzespaket zur legalen Zuwanderung vorlegen. Um das Problem an der Wurzel anzupacken und die Krisen u.a. in der Sahelzone und am Horn von Afrika und in Nordafrika anzugehen, schlägt die Kommission die Einrichtung eines Notfallfonds in Höhe von 1,8 Mrd. EUR vor. Das Ende seiner Rede war zugleich die Essenz: „Wir müssen unsere Vorgehensweise ändern. Wir müssen schneller sein. Wir brauchen einen europäischeren Ansatz.“
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