EiÜ 28/24
Metsola und von der Leyen in ihren Ämtern bestätigt – EP/KOM
Am 16. Juli 2024 wurde Roberta Metsola (maltesische Abgeordnete der EPP) erneut zur Präsidentin des Europäischen Parlaments gewählt. In der ersten Wahlrunde erreichte sie eine absolute Mehrheit mit 562 Stimmen (PM). Zwei der ebenfalls (wieder)gewählten Vizepräsidentinnen sind die deutschen Politikerinnen Sabine Verheyen (CDU) und Katarina Barley (SPD). Am 18. Juli 2024 stellte sich auch die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (EPP), zur Wiederwahl. Das EU-Parlament stimmte mit 401 Stimmen und absoluter Mehrheit für ihre erneute Amtszeit von fünf Jahren (PM). Weiterhin wurden am 19. Juli 2024 die neuen Mitglieder der Parlamentsausschüsse bekannt gegeben (PM; Listen hier). Die Wahl der Ausschussvorsitzenden wird für den 23. Juli 2024 erwartet. Mit Blick auf die nächsten Wochen und Monate folgen die Benennungen der 27 Kommissionskommissar:innen (eine/einer pro Mitgliedsstaat) sowie ihre Anhörung durch das Europäische Parlament. Die Abstimmung des Parlaments über das gesamte Kommissionskollegium, womit dieses seine Arbeit aufnehmen könnte, wird frühestens im November 2024 erwartet. Bis dahin bleibt die alte EU-Kommission über die Dauer ihrer eigentlichen Amtszeit hinaus geschäftsführend im Amt.
KI-Verordnung: Weltweit erste Regelung von KI tritt in Kraft – EP/Rat
Der Verordnung für die Entwicklung, das Inverkehrbringen und den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI-Verordnung) tritt am 2. August 2024 in Kraft. Am vergangenen Freitag, den 12. Juli 2024, wurde der Verordnungstext im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, nachdem sich die EU-Gesetzgeber im Dezember 2023 nach umfangreichen Verhandlungen auf einen Kompromisstext geeinigt hatten. (vgl. EiÜ 43/23, 10/24, 20/24). Ziel der Regulierungen ist es, Risikopotenziale zu vermeiden, um die Sicherheit und Rechte von Bürger:innen zu gewährleisten. Das Gesetz sieht für die Umsetzung der Anforderungen ein gestaffeltes System von Übergangsfristen sowie einige „Bestandsschutzregelungen“ vor (Artikel 113 KI-Verordnung). Für einen Großteil der Vorschriften gilt eine 24-monatige Übergangsfrist. Die Regelungen zu verbotenen Praktiken sind hingegen innerhalb von sechs Monaten, mithin ab 2. Februar 2025 anwendbar, während ein Jahr nach Inkrafttreten die Vorschriften zu KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck Anwendung finden bzw. das europäische KI-Amt seine Arbeit aufnimmt (s. zu Letzterem EiÜ 22/24). Entsprechen die Systeme den festgelegten Pflichten nicht fristgerecht, dürfen sie nicht mehr verwendet oder vertrieben werden. Bei Verstößen drohen Bußgelder, Vertriebsverbote und öffentliche Rückrufe.
Entscheidung nur durch befassten Spruchkörper – EuGH
Der Spruchkörper, der mit einer Rechtssache befasst ist, muss allein die das Verfahren beendende Entscheidung treffen. So urteilte der EuGH am 11. Juli 2024 in Bezug auf eine Vorlagefrage des kroatischen Hohen Handelsgerichts (C-554/21, C-622/21 und C-727/21). Mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit sei weder eine Institution wie der in Kroatien vorgesehene Evidenzrichter vereinbar, noch der Zwang, den Inhalt einer zuvor erlassenen gerichtlichen Entscheidung in Folge einer „Abteilungssitzung“ ändern zu müssen. Die Garantie des Unionsrecht auf Zugang zu einem unabhängigen, zuvor gesetzlich errichteten Gericht bedeute, dass die Besetzung der Spruchkörper in transparenten Vorschriften geregelt sein müsse, um jeden unzulässigen Eingriff durch außerhalb stehende Personen, die nicht dem betreffenden Spruchkörper angehören und vor denen die Parteien nicht Stellung nehmen konnten, auszuschließen. Das Unionsrecht sei aber gewahrt, wenn ein anderer Richter eine Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper dieses Gerichts verweise, sofern der ursprünglich benannte Spruchkörper noch nicht in die Beratung der Rechtssache eingetreten sei, die Umstände der Verweisung, in den einschlägigen Rechtsvorschriften klar angegeben seien und diese Verweisung den betroffenen Personen nicht die Möglichkeit nehme, sich an dem Verfahren vor dem erweiterten Spruchkörper zu beteiligen.
Stärkung der KI-Aufsicht und Einführung des Datenschutzsiegels – EDSA
Am 17. Juli 2024 veröffentlichte der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) mehrere Stellungnahmen zur Rolle der Datenschutzbehörden (DPAs) in der KI-Verordnung, zum EU-U.S. Data Privacy Framework (EU-U.S. DPF, vgl. hierzu EiÜ 27/23; 14/23; 34/22) und zu dem neuen europäischen Datenschutzsiegel, vgl. PM. Zu Ersterem empfiehlt der EDSA, die Ernennung von DPAs als Marktüberwachungsbehörden für risikoreiche KI-Systeme in Bereichen wie Strafverfolgung, Grenzmanagement und Justiz, da sie bereits über die notwendigen Erfahrungen und das Fachwissen im Umgang mit den Auswirkungen von KI auf Grundrechte, insbesondere das Recht auf den Schutz personenbezogenen Daten, verfügen würden (Stellungnahme auf Englisch). Zum EU-U.S. Data Privacy Framework wurden FAQs für Einzelpersonen und Unternehmen (auf Englisch) zur Klarstellung der Anwendbarkeit der Regelungen veröffentlicht, PM. Schließlich veröffentlichte der EDSA eine Stellungnahme zum EuroPriSe-Kriterienkatalog, nach Vorlage durch die Datenschutzbehörde NRW, PM. Diese Stellungnahme äußert sich zu Kriterien für ein bundesweites Zertifizierungssystem für Datenverarbeiter. Ziel ist die konstante und korrekte Anwendung der Zertifizierungskriterien zwischen den Datenschutzbehörden im EU-Wirtschaftsraum und eine einheitliche Anwendung der DSGVO durch Einführung eines Datenschutzsiegels sicherzustellen. Dadurch soll zukünftig Transparenz und Vertrauen in die Datenverarbeitung gestärkt werden.
Neue Studie zu Antisemitismus in Europa – FRA
Der Antisemitismus in Europa nimmt zu und verunsichert viele Juden und Jüdinnen. Diese alarmierenden Erkenntnisse liefert der Bericht der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) zu Diskriminierung und Hasskriminalität gegenüber Juden und Jüdinnen in der EU, abrufbar hier (auf Englisch). Fast 8.000 jüdische Menschen aus 13 EU-Ländern nahmen an der Umfrage teil, die Auskunft über die Erfahrungen mit Antisemitismus geben soll (vgl. PM). Im Länderbericht zu Deutschland nehmen von den 892 jüdischen Befragten, 82 % Antisemitismus als ein großes Problem in ihrem Leben wahr, abrufbar hier (auf Englisch). Der Anteil an Teilnehmer:innen, die 2023 in ihrem Alltag mit Antisemitismus konfrontiert wurden, liegt sogar bei 96 %. Weitere 59% der deutschen Befragten verbergen aus Sorge um ihre Sicherheit ihre Identität und etwa jeder Dritte meide jüdische Veranstaltungen oder Orte. Im EU-Vergleich weist Deutschland hohe Durchschnittswerte auf, wie sich u.a. daran zeigt, dass bereits 51% der Befragten an eine Auswanderung gedacht hätten. Zur Bekämpfung des Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens hat die EU eine Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens entwickelt.
Impfstoffbeschaffung: Mangelnder Zugang zu Informationen – EuGH
Privatpersonen können die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten verlangen, wenn der besondere Zweck des öffentlichen Interesses ordnungsgemäß nachgewiesen wurde, so der EuGH am 18. Juli 2024 in seinen Urteilen in den Rechtssachen T-689/21, abrufbar hier (auf Englisch) und T-761/21, abrufbar hier (auf Französisch). Hintergrund war eine Nichtigkeitsklage von Europaabgeordneten und Privatpersonen, die auf der Grundlage der Verordnung über den Zugang zu Dokumenten, Verträge und bestimmten mit ihnen zusammenhängenden Dokumente zwischen der EU-Kommission und Pharmaunternehmen über den Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 einsehen wollten. Der Zugang wurde ihnen aber nur teilweise gewährt. Der EuGH erklärte, dass der Schutz der Privatsphäre von Personen, auf den sich die EU-Kommission berufen hatte, dem besonderen, nachgewiesenen Zweck des öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung nicht entgegenstehe. Eine Überprüfung, ob ein Interessenkonflikt bei den Mitgliedern des Verhandlungsteams bestanden habe, könne nur anhand der personenbezogenen Daten, wie Name und beruflicher Rolle erfolgen. Laut EuGH sei daher die Interessenabwägung durch die EU-Kommission nicht ordnungsgemäß erfolgt, auch nicht im Hinblick auf die geschäftlichen Interessen der beteiligten Unternehmen.
Europa im Überblick macht Sommerpause – DAV
Mit dieser Ausgabe von „Europa im Überblick“ verabschieden wir uns in die Sommerpause und wünschen allen Leser:innen eine gute und erholsame Ferienzeit. Die nächste Ausgabe wird voraussichtlich in der ersten Septemberwoche 2024 erscheinen.
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