AKTIONSPLAN: KAPITALMARKTUNION BIS 2019 – KOM
Die EU-Kommission hat am 30. September 2015 ihren Aktionsplan für eine Kapitalmarktunion vorgestellt. Dieser enthält Maßnahmen, die bis 2019 den Grundstein für eine Kapitalmarktunion legen sollen. Diese soll insbesondere leistungsfähigere Kapitalmärkte schaffen und neue Finanzierungsquellen erschließen. Zusammen mit dem Aktionsplan stellte die Kommission Gesetzgebungsinitiativen vor: zwei neue Verordnungen zu Kreditverbriefungen (COM(2015) 472, COM(2015) 473) und eine Anpassung der Solvabilität-II-Richtlinie (C(2015) 6588/2). Außerdem wurden zwei öffentliche Konsultationen zu Risikokapital- und Fonds für soziales Unternehmertum und gedeckten Schuldverschreibungen eröffnet sowie eine Sondierung zum EU-Rechtsrahmen für Finanzdienstleistungen. Frist für beide Konsultationen und die Sondierung ist der 6. Januar 2016. Bis zum Ende dieses Jahres wird die Kommission außerdem die Prospektrichtlinie überprüfen und einen Richtlinienvorschlag vorlegen, um Hindernisse für die Notierung von Kleinunternehmen an den Aktien- und Anleihemärkten zu reduzieren. Außerdem wird ein Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Verbraucher verfasst.
TRILOGE: TRANSPARENTE REPRÄSENTATIVE DEMOKRATIE AM ENDE? – EP
Transparente Rechtsetzung war das Thema einer Debatte auf Einladung der Europäischen Bürgerbeauftragten O’Reilly am 28. September 2015 im EU-Parlament: O’Reilly hatte am 26. Mai 2015 aus eigener Initiative eine Untersuchung aufgrund mangelnder Transparenz von „Trilogen“ eröffnet. Die informellen Triloge zur Kompromissfindung zwischen dem EU-Parlament, dem Rat und der Kommission finden inzwischen in ca. 85 % aller Gesetzgebungsverfahren statt – wobei der Öffentlichkeit nahezu keine Informationen zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen der Veranstaltung wurde u.a. die Intransparenz der Ratsarbeitsgruppen kritisiert, an denen nicht einmal das EU-Parlament teilnehmen dürfe. Auch wurde moniert, dass bei offiziellen Dokumentenanfragen häufig lediglich Zusammenfassungen der Diskussionen im Rat zur Verfügung gestellt würden, die für Nichtanwesende unverständlich seien. Für Triloge wurde das Effizienzgebot nach Art. 13 EUV angeführt – zugleich jedoch darauf hingewiesen, dass Effizienz auch öffentliche Akzeptanz und Information umfasse. Zu Ende der Veranstaltung äußerten sich nahezu alle Anwesenden positiv zum Reformbedarf des Trilogverfahrens. Der Rat hatte in seiner Stellungnahme zur Untersuchung vom 15. September 2015 die Argumente der Ombudsfrau bezweifelt.
DATENSCHUTZRECHT UND AUSLÄNDISCHE GESELLSCHAFTEN – EUGH
Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG lässt es zu, dass das nationale, auf der EU-Datenschutzrichtlinie basierende Recht nicht nur auf inländische, sondern auch auf ausländische Gesellschaften Anwendung findet. Voraussetzung ist, dass die gegen das Gesetz verstoßende Datenverarbeitung von einer inländischen Niederlassung ausgeht. Dies folgt aus dem EuGH-Urteil zur Rechtssache „Weltimmo“ (C-230/14) vom 1. Oktober 2015. Eine Niederlassung könne dabei bereits beim Vorhandensein eines einzelnen Vertreters vorliegen. Dieser müsse aber mit ausreichendem Grad an Beständigkeit für die Erbringung der betreffenden Leistungen tätig sein. Jedenfalls sei von einer Niederlassung aber immer dann auszugehen, wenn eine tatsächliche und effektive Tätigkeit vorliege, die mittels einer festen Einrichtung ausgeübt werde. Dabei sei es ferner unbeachtlich, wenn diese Tätigkeit nur geringfügig sei. Das vorlegende ungarische Gericht muss nun prüfen, ob die slowakische Gesellschaft Weltimmo eine solche ungarische Niederlassung hat.
DIENSTLEISTUNGSFREIHEIT: ERFAHRUNG ZU BERÜCKSICHTIGEN – EUGH
Zwar können Mitgliedstaaten in einem Fall, der nicht durch die Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Diplomen geregelt ist, im Interesse des Verbraucherschutzes die Ausübung bestimmter Tätigkeiten reglementieren. Dabei müssen jedoch Befähigungsnachweise und die Erfahrung, die ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats in diesem erworben hat, berücksichtigt und mit dem nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten verglichen werden. Dies führt Generalanwalt Cruz Villalón in seinen Schlussanträgen vom 1. Oktober 2015 in der Rechtssache C-342/14 mit Verweis auf die in Artikel 52 AEUV geregelte Dienstleistungsfreiheit aus. Im vorliegenden Fall hatte das Finanzamt Hannover einer in den Niederlanden niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft nicht gestattet, ihre Tätigkeit für ihre in Deutschland ansässigen Mandanten auszuüben, da § 32 des deutschen Steuerberatungsgesetzes (StBerG) voraussetze, dass eine Steuerberatergesellschaft von Personen, die die Prüfung als Steuerberater bestanden haben oder von dieser befreit wurden, verantwortlich geführt wird. Der Generalanwalt äußert zunächst Zweifel, dass die deutsche Regelung die Empfänger der Beratungsleistungen systematisch und kohärent schütze, da diese nach dem deutschen Steuerberatungsgesetz durch zahlreiche Personen erbracht werden könnten, die weder dem Regime der vorherigen behördlichen Genehmigung noch Berufsqualifikationsanforderungen unterliegen, z.B. Notare und Patentanwälte. Jedenfalls sehe die deutsche Regelung nicht die Möglichkeit vor, für die Erteilung einer Befugnis zur Dienstleistungserbringung i.S.d. § 32 StBerG an eine Steuerberatungsgesellschaft die Kenntnisse und Berufserfahrung der Personen, die sie leiten oder verwalten, oder ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen. Damit gehe sie über den erforderlichen Schutz des Leistungsempfängers hinaus und stehe Art. 56 AEUV entgegen.
INTERINSTITUTIONELLE VEREINBARUNG BESSERE RECHTSSETZUNG – EP
Der vom EU-Parlament zum Verhandlungsführer ernannte Guy Verhofstadt (ALDE) hat im Ausschuss für Konstitutionelle Fragen (AFCO) des EU-Parlaments den aktuellen Verhandlungsstand des am 15. Mai 2015 veröffentlichen Vorschlagsentwurfs für eine interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtssetzung erläutert. Der Vorschlagsentwurf sieht insbesondere eine verstärkte Koordinierung der jährlichen und mehrjährigen Programmplanung der Kommission mit dem EP und dem Rat, eine ständige Überwachung der Wirksamkeit der EU-Vorschriften sowie eine Folgenabschätzung während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens vor. Verhofstadt betonte, dass die zwischen der Kommission und dem EU-Parlament getroffene Rahmenvereinbarung aus dem Jahr 2010 unberührt bleibe. Er sprach sich zudem dafür aus, Interessenvertreter entgegen dem Kommissionsvorschlag weiterhin vor einer Vorschlagsveröffentlichung zu konsultieren. Das Instrument der Folgenabschätzung von Änderungsvorschlägen sei grundsätzlich zu begrüßen, dürfe in seinem Umfang aber nicht die legislativen Befugnisse des EU-Parlaments beschneiden. Als weitere Verhandlungsgegenstände verbleiben die delegierten Rechtsakte, die Koordinierung des Gesetzgebungsprozesses sowie die Umsetzung und Anwendung des Unionsrechts. Die Verhandlungen sollen bis zum Jahresende abgeschlossen sein.
FORUM GRUNDRECHTE: RELIGIÖSE DISKRIMINIERUNG BEKÄMPFEN – KOM
Die EU-Kommission will Antisemitismus und Hass gegen Muslime verstärkt bekämpfen. Dazu hat sie am 1. und 2. Oktober 2015 das erste Kolloquium über Grundrechte veranstaltet, bei dem die bestehenden Rechtsinstrumente der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Religion analysiert und alternative Optionen und Begleitmaßnahmen gegen Diskriminierung diskutiert wurden – etwa durch die Entfernung bzw. Sperrung illegaler Internetinhalte. Nach einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage sind 50% der Europäer der Meinung, dass Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung weit verbreitet sei. Eine Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte zu Diskriminierung und Hasskriminalität gegen Juden belegt zudem zunehmenden Antisemitismus in Europa. 73 % der Befragten äußerten, der Antisemitismus im Internet habe sich in den letzten fünf Jahren verschlimmert. Das Kolloquium stützte sich auf die Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation, welche die Notwendigkeit ganzheitlicher sowie zielgerichteter Strategien und einer besseren Anwendung bestehender Vorschriften aufgezeigt hatte.
STUDIE ZU HASSKRIMINALITÄT, BLASPHEMIE UND MEINUNGSFREIHEIT – ep
Auch das EU-Parlament befasst sich mit sog. Hasskriminalität auf der einen Seite, und Blasphemie und religiös motivierter Beleidigung auf der anderen Seite. Der Think Tank des EU-Parlaments hat am 15. September 2015 eine Studie mit dem Titel “The European legal framework on hate speech, blasphemy and its interaction with freedom of expression” veröffentlicht. Diese evaluiert die Effizienz der bestehenden Gesetzgebung, unter anderem in Deutschland. Auch werden Möglichkeiten zur Stärkung der Rechtsrahmen unter vollständiger Berücksichtigung der Meinungs- und Religionsfreiheit erwogen.
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