EiÜ 31/24
Designierte EU-Kommissar:innen vorgestellt – KOM
Ursula von der Leyen stellte am 17. September 2024 das neue Kollegium der EU-Kommissionskommissar:innen vor, vgl. Presseerklärung (s. bereits EiÜ 28/24) Unter den sechs Exekutiv-Vizepräsident:innen sind vier Frauen und zwei Männer, darunter der Franzose Stéphane Séjourné (Industrie und den Binnenmarkt), die Finnin Henna Virkkunen (Digitales) und die Spanierin Teresa Ribera (Wettbewerb). Neuer designierter Justizkommissar ist der Ire Michael McGrath (Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit). Das Innen- und Migrationsressort soll an den Österreicher Magnus Brunner gehen. Von der Leyen nahm zudem strukturell Änderungen vor: Die Ebene der Vizepräsident:innen wurde gestrichen. Durch Aufbrechen der bislang klar abgegrenzten Zuständigkeitsressorts sind künftig Abgrenzungsschwierigkeiten zu erwarten sowie ein nicht unerheblicher Bedeutungszuwachs der Position der Kommissionspräsidentin selbst. Es bleibt abzuwarten wie die Anhörungen der designierten Kandidaten vor den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments verlaufen. Die Arbeitsaufnahme der neuen Kommission ist für den 1. November 2024 geplant, so dass sämtliche Anhörungen im Oktober abzuschließen wären. Solange die neue EU-Kommission nicht ernannt ist, bleibt die alte EU-Kommission geschäftsführend im Amt.
Leitlinien zur KI-Verordnung stehen vor der Tür – DAV
Der DAV hat sich mit der Stellungnahme Nr. 67/2024 hinsichtlich der anstehenden Erarbeitung erster Leitlinien zur europäischen KI-Verordnung eingebracht. Die erarbeitete Stellungnahme der DAV-Gesetzgebungsausschüsse Informationsrecht und Europa knüpft an die mehrfache Beteiligung des DAV während des Gesetzgebungsverfahrens zur KI-Verordnung an (vgl. DAV SN Nr. 57/21, 74/23). Die im August 2024 in Kraft getretene KI-Verordnung bedarf nun weitreichender Umsetzung (vgl. bereits EiÜ 20/24). Gemäß ihrer stufenweisen Anwendbarkeit, sind ab Februar 2025 zunächst die Vorschriften zu KI-Verboten anwendbar. Das Mandat für die Erarbeitung konkretisierender Leitlinien zu Verbotspraktiken sowie der Definition eines KI-Systems liegt bei der Europäischen Kommission. Für Herbst 2024 wurde bereits eine dies betreffende öffentliche Konsultation angekündigt. Dem vorgreifend beteiligt sich der DAV bereits jetzt an einer Anfrage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zu Anwendungsbeispielen für die bevorstehende Erarbeitung dieser Leitlinien. Der DAV sieht die hohe Relevanz der Definition des KI-Systems zur Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der KI-Verordnung. Darüberhinausgehend erleichtern Anwendungsfälle der Verbotstatbestände den Adressaten der KI-Verordnung die Abgrenzung zwischen Verboten, risikoreichen und unregulierten Anwendungsfällen. Der DAV wird die weiteren gesetzgeberischen Schritte sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene weiterhin eng begleiten.
Übermäßige Umsetzung der Sanktionsstrafrechtsrichtlinie kritisiert – DAV
Der DAV hatte sich bei der Erarbeitung der Sanktionsstrafrechtsrichtlinie (EU) 2024/1226 eingebracht (vgl. Stellunnahme Nr. 03/2023) und hat nun kritisch Stellung genommen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, mit dem die Richtlinie umgesetzt werden soll. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes geht von wenig Umsetzungsbedarf aus, da die meisten Sanktionsverstöße schon auf Basis des geltenden Außenwirtschaftsstrafrechts strafbar seien. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die im Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen eine erhebliche Ausdehnung der Strafbarkeit einer Reihe von Tätigkeiten auch weit über den von der Richtlinie Sanktionsstrafrecht vorgesehenen Rahmen zur Folge hat, die weder rechtspolitisch gewollt sein kann noch angesichts der bereits jetzt bestehenden Überlastung der mit Verstößen befassten Behörden überhaupt in der Praxis realisierbar erscheint. Die Behörden könnten mit Strafverfahren größtenteils wegen Bagatell-AWG-Verstößen überhäuft werden. Zudem sind die Änderungen sehr viel weitgehender und missachten dabei auch zum Teil verbindliche Vorgaben der Richtlinie Sanktionsstrafrecht: So ist für einige die Strafbarkeit einschränkende Vorgaben der Richtlinie keine Umsetzung vorgesehen.
Neue Folgenabschätzung zur Haftungsrichtlinie für Künstliche Intelligenz – EP
Im September 2022 legte die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Anpassung der nichtvertraglichen zivilrechtlichen Haftungsregeln an die künstliche Intelligenz mit einer begleitenden Folgenabschätzung vor. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) forderte in der Folge eine ergänzende Folgenabschätzung an, die nun vorgelegt wurde. In der Kritik der Studie werden wesentliche Mängel in der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission aufgezeigt, nicht zuletzt eine unvollständige Untersuchung der ordnungspolitischen Optionen und eine verkürzte Kosten-Nutzen-Analyse, insbesondere der verschuldensunabhängigen Haftungsregelung. In der ergänzenden Folgenabschätzung wird vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf allgemeine und andere "hochwirksame KI-Systeme" sowie auf Software auszuweiten. Außerdem wird ein gemischter Haftungsrahmen erörtert, der ein Gleichgewicht zwischen verschuldensabhängiger und verschuldensunabhängiger Haftung herstellt. Insbesondere wird in der Studie empfohlen, von einer KI-orientierten Richtlinie zu einer Software-Haftungsverordnung überzugehen, um eine Marktfragmentierung zu verhindern und für mehr Klarheit in der EU zu sorgen. Weitere Schritte sollten u.a. die Konsultation der Interessenträger sowie daraufhin die Änderung des umfassen.
Verbot von Sammelinkasso bei Kartellschadensersatz bricht EU-Recht – EuGH
Das automatische Verbot der Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen per Sammelinkasso verstößt gegen Unionsrecht. Dies befand der Generalanwalt am EuGH Szpunar am 19. September 2024 in seinen Schlussanträge in der Rs. ASG 2 (C-253/23). Das Landgericht Dortmund hatte die Frage aufgeworfen, ob das seiner Ansicht nach aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) automatisch folgende Verbot der Abtretung von Kartellschadensersatzansprüchen an Inkassodienstleister zur gebündelten Geltendmachung nicht u.a. gegen Art. 101 AEUV, die Kartellschadensersatzrichtlinie 2014/104/EU und Art. 47 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta verstößt. Ja, so der Generalanwalt, jedenfalls wenn es keine bestandskräftige Entscheidung gibt, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellt (d.h. im Falle von Stand alone Klagen), und wenn keine andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeit der Bündelung von Schadensersatzforderungen besteht und somit die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich gemacht oder jedenfalls übermäßig erschwert würde. In Konsequenz müsse, so der Generalanwalt, das vorlegende LG Dortmund – sollte es das RDG nicht so auslegen können, dass die Abtretbarkeit in gewissen Fällen ermöglicht wird – die entsprechenden Bestimmungen des RDG unangewendet lassen, die die Grundlage für das Verbot des Abtretungsmodells bilden. Der EuGH entscheidet gegen Jahresende.
Bestpreisklauseln unterfallen dem Kartellverbot - EuGH
Alle Arten von Bestpreisklauseln fallen grundsätzlich unter das Kartellverbot gemäß Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).Dies stellte der EuGH in seinem Urteil vom 19. September 2024, Rs. C-264/23, fest und beantwortete damit die Vorlagefrage des Bezirksgerichts Amsterdam, ob Bestpreisklauseln als Nebenabreden zu den Verträgen zwischen Online-Hotelbuchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben zulässig seien. Ebenso entschieden bereits zuvor das Bundeskartellamt und der Bundesgerichtshof (Az. KVR 54/20). Bestpreisklauseln verpflichten Hotelbetriebe dazu, ihre Unterkünfte auf ihren eigenen Websites oder auf anderen Portalen nicht zu günstigeren Preisen anzubieten als auf den jeweiligen Online-Hotelbuchungsdiensten wie beispielsweise Booking.com. Diese Klauseln sollten verhindern, dass Kundinnen und Kunden auf Online-Buchungsportalen nach Unterkünften suchen und anschließend direkt auf den Websites der Beherbergungsbetriebe zu niedrigeren Preisen buchen. Der EuGH stellte fest, dass Online-Hotelbuchungsdienste grundsätzlich positive Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, da sie den Unterkunftsvergleich erleichtern und Hotels größere Sichtbarkeit verschaffe, jedoch seien die Bestpreisklauseln nicht notwendig, um die wirtschaftliche Stabilität der Hotelbuchungsplattformen sicherzustellen. Enge Bestpreisklauseln könnten nur ausnahmsweise zulässig sein, solange die Plattform nicht marktmächtig ist, ihr Markanteil also 30 Prozent nicht überschreitet. Das Bezirksgericht Amsterdam muss nun auf Grundlage dieses EuGH-Urteils im konkreten Fall entscheiden.
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