Europa im Überblick, 32/15

WIEDER KEINE TEILEINIGUNG ZUR EU-STAATSANWALTSCHAFT – RAT

Es sollte eine „teilweise allgemeine Ausrichtung“ werden, nachdem eine solche bereits im Juni gescheitert war – doch es wurde nur eine „weitreichende grundsätzliche Übereinstimmung“. Am 9. Oktober 2015 verständigten sich die EU-Justizminister zum Verordnungsentwurf zur Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft lediglich auf eine noch zu überarbeitende Textfassung der Artikel 24 bis 33 und 35 betreffend Ermittlungsmaßnahmen, grenzüberschreitende Ermittlungen, Beweismittel und Verfahrensgarantien. Im Verhältnis zum bereits stark auf nationales Recht Bezug nehmenden Kommissionsvorschlag ist die Tendenz erkennbar, die Verfahren der künftigen ersten europäischen Ermittlungsbehörde noch nationaler zu gestalten (s. auch DAV-Stn. 19/2015). Zahlreiche Mitgliedstaaten äußerten erhebliche Bedenken, insbesondere bzgl. der Vorschriften zu den Ermittlungsmaßnahmen und zur Zulässigkeit von Beweismitteln. Es drohe die Schaffung eines „Papiertigers“. Italien betonte, das Harmonisierungsniveau sei auf eine nicht mehr akzeptable Weise reduziert worden (s. auch bereits EiÜ 23/15).

SAFE HARBOR IST NICHTIG: EIN HOCH AUF DEN DATENSCHUTZ! – EUGH

Die „Safe Harbor“-Entscheidung 2000/520/EG der EU-Kommission ist nichtig. Dies urteilte der EuGH am 6. Oktober 2015 in der Rechtssache Schrems/ Data Protection Commissioner (C-362/14) und folgte damit den nur zwei Wochen alten Anträgen von Generalanwalt Yves Bot. In dem Fall hatte die irische Datenschutzbehörde die Beschwerde des Österreichers Max Schrems gegen die Datenübermittlung von Facebookdaten aus Irland an Facebookserver in den USA u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, die Übermittlung personenbezogener Daten von EU-Bürgern in die USA sei unter der Bedingung eines „angemessenen Datenschutzniveaus“ zulässig. Dieses angemessene Niveau stelle die Kommission in ihrer Safe-Harbor-Entscheidung für bestimmte US-Unternehmen auf der Grundlage des Art. 25 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG fest – zu Unrecht, so der EuGH. Denn der umfassende Zugang der US-Nachrichtendienste auf die Daten greife in die Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten (Artikel 7 und 8 EU-Grundrechtecharta) ein. Dass die Unionsbürger zur Überwachung ihrer Daten in den USA nicht gehört werden könnten, greife zudem in das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Artikel 47 der Charta) ein. Außerdem, so der EuGH, könne eine Kommissionsentscheidung, mit der festgestellt wird, dass ein Drittland das nach der Datenschutzrichtlinie erforderliche angemessene Schutzniveau für die Datenübermittlung gewährleistet, die Kontrollbefugnisse der nationalen Datenschutzbehörden nach Art. 28 der Richtlinie weder beseitigen, noch verringern.

TRILOG ZUR EU-DATENSCHUTZRICHTLINIE KANN STARTEN – RAT

Nachdem die Datenschutz-Grundverordnung bereits im Trilog zwischen Rat, EU-Parlament und Kommission verhandelt wird, konnte der Rat am 9. Oktober 2015 eine allgemeine Ausrichtung zum zweiten Teil des Datenschutzreformpakets, dem Richtlinienentwurf zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, festlegen. Die Richtlinie wird sowohl grenzübergreifende, als auch rein nationale Datenverarbeitungsvorgänge durch Strafverfolgungsbehörden erfassen, anders als die derzeit geltenden Datenschutzregeln. Der luxemburgische Justizminister und Vertreter der Ratspräsidentschaft Felix Braz begrüßte die Ausrichtung und betonte das Ziel, das gesamte Datenschutzreformpaket bis Jahresende zu einem Kompromiss zu führen.

ÜBERARBEITETES SMALL CLAIMS-VERFAHREN ANGENOMMEN – EP

Das Plenum des EU-Parlaments hat den Trilogkompromiss zur Änderung der Verordnungen 861/2007 EG und 1896/2006 EG über das Verfahren für geringfügige Forderungen (sog. „Small Claims“ Verfahrens) vom Juni 2015 angenommen (s. bereits EiÜ 23/15). Die Streitwertobergrenze wird in der Verordnung von 2.000 EUR auf 5.000 EUR erhöht. Der DAV hatte erfolgreich eine Erhöhung der Streitwertobergrenze auf 10.000 EUR abgelehnt (s. DAV-Stn. 6/2014). Nun muss der Rat die Verordnung formell billigen, bevor sie 18 Monate später in Kraft treten kann.

ZWEI SCHRITTE VORWÄRTS FÜR DAS EINHEITSPATENT – RAT

Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit hat am 1. Oktober 2015 ein Protokoll zur vorläufigen Anwendung des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht EPG (EPGÜ) unterzeichnet. Damit können endgültige Entscheidungen zum organisatorischen Aufbau des Gerichts, wie etwa die Einstellung von Richtern, oder die Prüfung von IT-Systemen bereits jetzt getroffen werden. Die vorläufige Anwendungsphase ermöglicht ferner die frühzeitige Anmeldung von Opt-Out-Nachfragen. Das Protokoll tritt in Kraft, wenn die 13 Unterzeichnerstaaten das EPGÜ entweder ratifiziert und ihre Ratifizierungsurkunde hinterlegt haben oder wenn sie dem Rat mitgeteilt haben, dass die parlamentarischen Voraussetzungen für eine Hinterlegung erfüllt sind. Bisher haben acht Mitgliedstaaten (Österreich, Frankreich, Belgien, Schweden, Dänemark, Malta, Luxemburg und Portugal) das EPGÜ ratifiziert. Die Vorbereitungsarbeiten sollen im Sommer 2016 erfüllt sein, so dass ein halbes Jahr der vorläufigen Anwendung nach dem Protokoll beginnen würde. Sodann setzt eine Viermonatsfrist nach dem EPGÜ ein, damit ist nach gegenwärtigem Stand mit einem Arbeitsbeginn des EPG am 1. Mai 2017 zu rechnen. Ein weiterer Schritt für das Einheitspatent ist, dass Italien am 30. September 2015 als 26. Mitglied der verstärkten Zusammenarbeit der EU-Patentverordnung Nr. 1257/2012 beigetreten ist. Italien ist bei Patentanmeldungen der viertgrößte Markt in Europa.

AUSTAUSCH ZU STEUERINFORMATIONEN RÜCKT NÄHER – RAT/EP

Der Rat der EU-Finanzminister hat am 6. Oktober 2015 eine allgemeine Ausrichtung zum Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (COM(2015) 135) erzielt. Die neue Richtlinie soll die Mitgliedstaaten zum automatischen Informationsaustausch über Steuervorbescheide und Vorabverständigungsvereinbarungen mit allen anderen Mitgliedstaaten verpflichten. Nach der allgemeinen Ausrichtung soll eine Rückwirkung der Regelungen zum Informationsaustausch von fünf Jahren gelten. Die Europäische Kommission soll ein gesichertes, zentrales Verzeichnis der ausgetauschten Informationen schaffen, das den Mitgliedstaaten und soweit notwendig auch der Kommission zugänglich gemacht wird. Im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments (ECON) wurden derweil 178 Änderungsanträge zum dazugehörigen Berichtsentwurf von Markus Ferber (EVP) eingereicht. Die Richtlinie soll nach Anhörung des Europäischen Parlaments im Rat verabschiedet werden und am 1. Januar 2017 in Kraft treten.

KONSULTATION ZUR KÖRPERSSCHAFTSSTEUER ERÖFFNET – KOM

Die EU-Kommission hat am 8. September 2015 eine öffentliche Konsultation zur Vorbereitung eines Vorschlags für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) eröffnet. Die Kommission plant, die überarbeiteten Vorschriften im nächsten Jahr vorzulegen. Die Konsultation ist Teil des im Juni dieses Jahres vorgestellten Aktionsplans für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung (s. EiÜ 22/15). Die Teilnahme an der Konsultation ist bis zum 8. Januar 2016 über einen Online-Fragebogen möglich.

NEUE RICHTER FÜR DAS GERICHT – EUGH/EP/RAT

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) hat am 8. September 2015 für eine Reform des Gerichtshofs der Europäischen Union gestimmt. Während Berichterstatter António Marinho e Pinto in seinem Berichtsentwurf noch eine maximale Anzahl von 40 Richtern für das Gericht (früher „EuG“ genannt) vorgeschlagen hatte, hat sich der JURI-Ausschuss der vom Rat unterstützen Forderung des EuGH nach 28 neuen Richtern angeschlossen (vgl. EiÜ 12/15). Voraussetzung für eine Erhöhung der Richterzahl ist für den Ausschuss allerdings ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Richterinnen und Richtern. Dieses soll dadurch erreicht werden, dass ein von einem Mitgliedstaat neu nominierter Richter jeweils dem anderen Geschlecht als der bereits nominierte angehören soll. Spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Reform soll ein Bericht die Auswirkungen der Erhöhung der Richterzahl analysieren. Im Jahr 2019 ist nach Wunsch der Parlamentarier eine Folgenabschätzung vorzunehmen, ob die letzten neun Richter in Anbetracht der Arbeitsbelastung des Gerichts tatsächlich benannt werden müssen. Das Plenum des Europäischen Parlaments wird voraussichtlich Ende Oktober über den Bericht abstimmen.

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